Читать книгу Tausche Hüftgold gegen Liebe - Heidi Oehlmann - Страница 6
4. Isabell
ОглавлениеIhr gesamter Körper zuckt, als der Strom durch sie hindurchfließt. Die Augen sind verdreht und die Atmung ist hektisch. Dieser Zustand scheint ewig anzuhalten. Nach einer Weile lässt das Zittern nach und Isabell öffnet die Augen. Sie schaut sich um und wird panisch.
»Ich bin tot!«, schreit sie, als sie ihren eigenen Körper neben sich auf dem Fahrersitz entdeckt. Sie stupst ihn an. »Hey Isabell, wach auf! Du kannst jetzt nicht sterben!«, sagt sie wie in Trance.
Kurz darauf öffnen sich die Augen. »Gott sei Dank, du lebst«, stellt sie erleichtert fest. »Aber Moment! Wenn du … Wenn ich lebe, warum kann ich mich von hier sehen?«
»Was? Was erzählst du denn … Oh … Was zur Hölle …«, ertönt die Stimme, die aus ihrem Mund kommt.
»Was ist hier los?«, kreischt Isabell und schaut sich panisch um. »Serena? Wo bist du?«
Statt einer Antwort erklingt nur ein Schrei.
Plötzlich spürt sie, dass sie kein Geist ist und in einem Körper steckt. Sie klappt die Sonnenblende herunter und schaut in den Spiegel. »Aaaaahhhhh«, schreit sie. »Ich bin du! Nein, ich bin in deinem Körper. Sie schaut zum Fahrersitz. »Serena, bist du hier drin? In meinem Körper?«, quietscht sie und wackelt an ihrem Körper, der sie anstarrt.
»Wie ist das möglich?«, fragt Isabells eigene Stimme. »Wir sind vertauscht! Wie kann es sein?«
»K-Keine A-Ahnung, vielleicht durch die Kollision mit dem Strommasten«, antwortet Isabell verunsichert. Erst jetzt bemerkt sie, dass ihre Worte mit der Stimme ihrer Freundin erklingen.
»Und wie machen wir das wieder rückgängig? Müssen wir noch mal … Moment, ich bin jetzt schlank«, stellt Serena grinsend fest und schaut an ihrem neuen Körper herunter.
»Oh Gott, und ich bin fett«, sagt Isabell voller Wut. »All die Jahre habe ich mich umsonst abgequält. Ich habe Sport gemacht und auf so viel verzichtet.«
»Quatsch! Du kannst doch essen, was du willst, ohne dick zu werden.«
»Das glaubst auch nur du. Es wäre schön, wenn … Stopp! Bis wir zurückgetauscht haben, musst du dich genau an meinen Diätplan halten.«
»Du weißt schon, dass du mir etwas versprochen hast, oder?«
»Ja, aber da ging es um deinen Körper, nicht um meinen. Bitte Serena, du musst dich an meine Anweisungen halten. Ich flehe dich an«, kreischt Isabell panisch. »Oh Gott, ich will meinen Körper zurück!« Sie spürt wie sich Tränen bilden. »Du darfst mir meine Figur nicht kaputtmachen«, flüstert sie.
Serena mustert ihr neues Ich erneut. »Mmh, bei der Figur dürfte es ein Kinderspiel sein, zumindest werde ich glücklicher sein und deshalb auch weniger essen.«
»Ja, das wäre prima. Und ich werde versuchen, dich in Form zu bringen«, stellt Isabell mit einem gezwungenen Lächeln fest.
»Wirklich? Du meinst, wenn wir zurücktauschen, bin ich schlanker?«, fragt Serena hoffnungsvoll.
»Ich gebe mir jedenfalls alle Mühe. Am besten wir machen uns einen gemeinsamen Ernährungsplan«, schlägt Isabell vor. In ihrem Blick liegt Skepsis. Ihre Angst, Serena könnte ihr die Figur versauen, ist so groß, dass sie sie am liebsten nicht mehr aus den Augen lassen würde. Aber wie sollte sie Alex erklären, warum sie ihre Freundin von nun an immer mitbringt?
Moment! Alex!
»Oh nein! Wie soll ich das Alex beibringen? Er glaubt uns doch nie, was passiert ist! Er wird uns für verrückt halten.«
»Stimmt. Entweder sagen wir es allen und riskieren, dass wir für verrückt erklärt werden oder …«
»Oder wir tauschen die Rollen«, fällt Isabell ihr ins Wort.
»Nein, das geht nicht! Dann müsste ich in der Werbeagentur arbeiten. Ich habe keine Ahnung von Werbung. Und ich kann auch nicht …« Sie schluckt.
»Was?«
»Ich kann nicht zu Alex. Was ist, wenn er mit mir, nein mit dir … ach mit Isabell schlafen will?«, fragt Serena panisch.
»Stimmt, das geht auf gar keinen Fall. Hm«, Isabell denkt angestrengt über eine Lösung für das Problem nach. »Noch haben wir getrennte Wohnungen. Du tust einfach so, als hättest du im Moment wenig Zeit.«
»Und die ganzen Wohnungsbesichtigungen?«
»Die müssen unbedingt stattfinden … Obwohl, du hast einen anderen Geschmack und würdest dich für die falsche Wohnung entscheiden. Verdammt! Warum muss so etwas Dummes ausgerechnet jetzt passieren?«
»Warum muss so etwas überhaupt passieren?«
»Ja, natürlich. Die Wohnungssuche müssen wir auf Eis legen. Die kommenden Termine musst du noch wahrnehmen, du darfst dich für keine Wohnung entscheiden. Oder … du machst Fotos für mich, falls meine Traumwohnung doch dabei ist.«
»Okay, also geht die Wohnungssuche weiter?«
»Ja, und du fotografierst alles. Du kannst aber auch von jeder Wohnung ein Video drehen. Vielleicht kommt es dann besser rüber.«
»Sonst noch was?«
»Nö, erst mal nicht.«
»Du musst meinen Job machen, das ist dir klar oder?«
»Das kann ja nicht so schwer sein«, antwortet Isabell und rümpft dabei Serenas Nase.
»Du hast ja keine Ahnung, was wir manchmal für Kunden haben.«
»Damit komme ich schon klar, obwohl ich ehrlich gesagt wenig Lust habe, den ganzen Tag Schuhe zu verkaufen.«
»Was soll das denn heißen?«
»Entschuldige! So habe ich das nicht gemeint. Es ist nur … Scheiße, ich will mein Leben zurück. Vielleicht sollten wir noch mal gegen den Strommasten fahren.«
»Ernsthaft? Was ist, wenn wir dabei drauf gehen? Ich will nicht sterben!«
»Ich doch auch nicht, aber es ist alles so kompliziert.«
»Stimmt, du musst mir unbedingt sagen, was meine Aufgaben in der Agentur sind. Ich habe überhaupt keine Ahnung von deiner Arbeit.«
»Urlaub! Du nimmst einfach Urlaub. Nein, du meldest dich krank.«
»Brauchen die nicht ein Attest? Was soll ich denn beim Arzt sagen? Mit der Wahrheit kommen wir sicher in die Klapse.«
»Herrje, ich weiß doch auch nicht.«
»Wie kommen wir eigentlich hier weg? Meinst du, der Wagen fährt noch?«
»Keine Ahnung.« Während Isabell antwortet, öffnet sie die Beifahrertür und steigt aus. »Puh, das ist ja echt anstrengend mit deinem Körper.«
»Wem sagst du das«, entgegnet Serena, bevor sie ebenfalls den Wagen verlässt. Als sie draußen ist, grinst sie ihren Körper an. »Mit deinem Körper ist es dafür umso leichter.«
»Ich weiß. Und? Ist es nicht viel schöner mit weniger Kilos auf den Hüften?«
»Ja, irgendwie schon.«
»Mensch, das Auto ist ja total verbeult. Ich versuche, es zu starten.« Mit den Worten umrundet Isabell den Wagen und steigt auf der Fahrerseite ein. Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit, die richtige Position gefunden hat, dreht sie den Schlüssel herum. Der Motor gibt stotternde Geräusche von sich. »Ich würde sagen, das war`s.«
»Mist! Und nun?«
»Nun müssen wir einen Abschleppwagen rufen.« Isabell steigt aus, öffnet die Hintertür und sucht ihre Handtasche. »Scheiße!«, flucht sie. »Ich komme nicht ran.«
»Soll ich dir helfen?«, fragt Serena mit lieblicher Stimme.
»Ja, ich brauche meine Tasche, da ist mein Handy drin.«
Serena nickt und krabbelt auf die Rücksitzbank. Als sie kurz darauf mit Isabells Tasche wieder aussteigt, sagt sie grinsend. »Genau genommen ist das ja jetzt meine Tasche, oder?«
Isabell schnauft. »Klar, genau, wie es deine Aufgabe ist, einen Abschleppwagen zu rufen. Immerhin hat dieser tolle Körper, in dem du gerade steckst, den Unfall verursacht. Na ja, wenn du die Handbremse nicht gezogen hättest …«
»Schon klar«, seufzt Serena. »Na ja, dafür darfst du dich morgen mit Kasper treffen und dich abplagen.« Sie lacht auf.
Isabell verdreht die Augen.
»Es ist irgendwie komisch, sich selbst zu beobachten, oder? Ich mein, man sieht seinen eigenen Körper von außen, ohne ihn steuern zu können.«
»Ja, voll komisch.« Isabell lacht ironisch. »Warum hast du nur diese verfluchte Handbremse gezogen?«
»Maul mich nicht an! Wenn du vernünftig gefahren wärst, hätte ich das nicht tun müssen.«
»Boah Serena, halt die Klappe! Ich bin mit diesem fetten Körper schon genug bestraft«, sagt sie, während sie an sich hinunter deutet.
»Ist es das, was du insgeheim wirklich über mich denkst, ja?«, fragt Serena beleidigt.
Isabell zuckt mit den Schultern. »Und wenn schon. Jetzt hast du diese Schwarte ja gegen meinen Traumkörper getauscht.«
»Weißt du was? Du kannst mich mal!«, schreit Serena, wirft die Tasche auf den Boden und läuft davon.
»Du kannst nicht einfach abhauen! Du bist jetzt Isabell und du musst den Abschleppwagen rufen! Hey, bleib verdammt noch mal hier!«