Читать книгу Tausche Hüftgold gegen Liebe - Heidi Oehlmann - Страница 7
5. Serena
ОглавлениеMit großen Schritten eile ich davon. Von Isabell bin ich ja schon so einige dumme Sprüche gewöhnt, aber was sie jetzt gesagt hat, schlägt dem Fass den Boden aus. Nun weiß ich endlich, was sie hinter ihrem Lächeln wirklich von mir hält.
Mir laufen die Tränen an den Wangen hinunter. Mein Blick wird immer verschwommener. Dennoch behalte ich das Tempo bei.
Mist! Ich hätte meine Tasche mitnehmen sollen, denke ich, als ich überlege, wo ich jetzt hingehen kann.
Meine eigene Wohnung kommt nicht infrage, da mein Schlüssel noch im Auto liegt. Außerdem ist das zu auffällig. Die alte Meierbusch wird sicher wieder am Fenster stehen und alles genau beobachten. Wenn ich Pech habe, wird sie mir sogar erzählen, dass ich, also mein Körper, nicht zu Hause ist. Obwohl sie Isabell kennt, wird sie alles dafür tun, mich zu verjagen. Das macht sie mit jedem Besucher, natürlich erst, nachdem sie mit ihnen über die Hausbewohner getratscht hat.
Da ich blöderweise Isis Tasche zurückgelassen habe, bin ich nicht im Besitz ihres Wohnungsschlüssels.
Nun schwanke ich zwischen Alex und Isabells Eltern, denn meine kommen nicht infrage. Meine Mutter bekäme einen Herzinfarkt, wenn ich ihr die Wahrheit erzählen würde. Dabei könnte ich meine Identität sicher beweisen. Mir fallen bestimmt ein paar Dinge ein, die nur ich weiß. Wobei sie vielleicht glauben würde, ich hätte sie Isabell gesteckt. Immerhin sind … nein … waren wir bis vorhin die besten Freundinnen.
Zu Isabells Eltern will ich nicht. Ihre Mutter ist mir zu anstrengend. In ihrer Gegenwart fühle ich mich unwohl. Sabine Höffner kann sich mit ihrem Alter nicht abfinden. Sie gehört zu den Frauen, die sich häufiger Botox spritzen lassen, als andere Frauen zum Friseur gehen. Außerdem ist sie viel zu eingebildet und materiell eingestellt.
Am liebsten würde ich zu Alex gehen. Er ist nicht nur Isabells Freund, ich verstehe mich mit ihm auch super. Er ist inzwischen so etwas wie mein bester Kumpel. Immer, wenn Isi mich ärgert, unterstützt er mich.
Aber du steckst in dem Körper seiner Freundin!, ermahne ich mich. Was ist, wenn er mit ihr - also mit dir - schlafen will?
Das ist ein Argument, das mich davon abhält, zu ihm zu gehen. Einen Moment lang stelle ich mir vor, wie ich ihm die Wahrheit sage. Normalerweise glaubt er mir, aber diese Sache klingt viel zu verrückt. Seine Reaktion wäre alles andere als angenehm. Wenn mir jemand diese Geschichte auftischen würde, könnte ich kein Wort davon glauben. Im Gegenteil. Ich hätte Zweifel an der geistigen Gesundheit der Person.
Ziellos laufe ich weiter, in der Hoffnung, mir fällt unterwegs noch eine Möglichkeit ein.
Verdammt!
Soll ich wieder zurückgehen und mir ihre Schlüssel holen?
Das scheint mir die beste Lösung zu sein. Widerwillig drehe ich um und laufe zurück, allerdings wesentlich langsamer. Bis zum Zusammentreffen mit Isabell will ich mich sammeln und die Tränen trocknen lassen.
Von Weiten kann ich meinen Körper sehen. Umso näher ich komme, desto bewusster wird mir, wie dick ich bin. Ich wusste ja, dass ich keine Modelfigur habe, aber von außen betrachtet werden mir die Ausmaße erst richtig klar.
Mit jedem Schritt, dem ich mich nähere, springt mir meine unförmige Figur mehr ins Auge. Plötzlich mache ich mir Sorgen um meine Gesundheit.
Was ist, wenn ich Diabetes bekomme? Oder Knieprobleme? Oder einen Herzinfarkt?
Bei der Vorstellung spüre ich Übelkeit in mir aufkommen.
Vielleicht hat Isi ja doch recht, wenn sie mich so zum Abnehmen drängt.
»Hey«, sagt Isabell, als sie mich entdeckt. »Es … Es tut mir leid!«, stammelt sie.
»Hey«, erwidere ich.
»Ich habe schon einen Abschleppwagen gerufen«, unterrichtet sie mich. »Es ist gut, dass du wieder da bist. Ich … Du … Ach verdammt! Ich als Serena habe keinen Führerschein. Du als Isabell schon.«
Ich nicke.
»Es tut mir wirklich leid!«
Wieder nicke ich nur.
»Mensch Serena, es ist mir so rausgerutscht. Ich war so wütend, weil ich in den letzten Jahren auf so vieles verzichtet habe und nun schau mich an …«
»Schon gut. Jetzt weiß ich wenigstens, was du von mir denkst.«
»Nein! So ist das nicht!«
»Isabell, halt einfach die Klappe!«, schreie ich sie an. »Ich bin nicht zurückgekommen, um mich mit dir zu vertragen. Ich brauche deinen Wohnungsschlüssel. Zu mir kann ich jetzt schlecht«, unterrichte ich sie.
»Hm. Das heißt, wir müssen also auch die Wohnungen tauschen? Verdammt! Ich weiß einfach nicht, wie das alles funktionieren soll. Wie können wir das nur wieder rückgängig machen?«
»Keine Ahnung. Ich warte jetzt mit dir auf den Abschleppwagen und dann gehe ich zu dir. Heute bin ich nicht mehr in der Lage darüber nachzudenken.«
»Ich verstehe.« Isabell tritt von einem Bein aufs andere und starrt auf die Straße.