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Die Top 5 der skurrilsten Syndrome

Dieses kleine Kompendium richtet sich an Patienten und Ärzte gleichermaßen. Frisch niedergelassenen Kollegen rate ich, die Seiten aus dem Buch zu reißen und sich auf den Schreibtisch zu pappen. Denn dieses Wissen wird in keiner Ausbildung vermittelt, ist aber fürs berufliche Überleben essenziell. Darüber hinaus hilft der Erkenntnisgewinn auch dabei, die Zahnspange der Kinder oder eine gute Flasche Schampus zu bezahlen.

1. Kreislauf, auch Blümeranz

Klar rattern da die Differenzialdiagnosen durchs Hirn des gut geschulten Mediziners, wenn ein Patient die Beschwerde »Kreislauf« äußert. Erfahrungsgemäß ist das Leiden »Kreislauf« aber selten tatsächlich auf den Kreislauf zurückzuführen, es sei denn, der Patient muss vom Boden des Wartezimmers gekratzt werden oder schafft es gar nicht erst in die Praxis. Meist handelt es sich um Schwindel, der wiederum häufig in einer verspannten Halsmuskulatur seine Ursache hat.

Dummerweise kann Schwindel wiederum Kreislaufprobleme auslösen. Also Blutdruckmessen nicht vergessen!

Das Medizinerleben ist hart, man bewegt sich auf dünnem Eis. Den Schwindel auf die Halswirbelsäule zu schieben, erfordert nämlich Mut zur Lücke. Kann auch schon mal schiefgehen! Zudem gibt es Ausnahmen: junge Mädchen am Rande der Magersucht, die bei vierzig Grad im Schatten ihre Wasserflasche vergessen haben, Marathonläufer, die bei Kilometer 37,8 ausgetrocknet die Hufe von sich strecken, die demente Omi im unterbesetzten Altenheim …

Wer Schuld hat an den meisten Fällen von »Kreislauf«, die bis zum Koma führen können? Natürlich die beschränkten Ärzte! Wirklich! Verschreibt ein Arzt zu viele Mittel gegen Bluthochdruck, schmiert der Druck schon mal in den nicht messbaren Bereich ab. Andererseits, verschreibt er zu wenig, setzt es möglicherweise einen Schlaganfall.

Dringender Expertentipp an alle Kollegen: Kunstfehlerversicherung regelmäßig bezahlen!

2. Frau-schickt-mich-Syndrom

Besorgte Frauen wundern sich gelegentlich, dass das Blut ihres Gatten noch fließt, und schicken ihn deshalb zum Doktor. Typisch ist die Ahnungslosigkeit der Betroffenen in Hinblick auf ihre Beschwerden, was unweigerlich zu Schwierigkeiten in der Kommunikation mit dem Arzt führt, der die Krankengeschichte aus dem Mund des Mannes erfahren möchte.

Hinter dem Syndrom kann ein komplexes Beschwerdebild stecken, das durch gründliche Untersuchungen abzuklären ist. Rückbildungsvorgänge im Körper des alternden Mannes mit Abnehmen der Drüsentätigkeit, Erschlaffung der Muskulatur, Abstumpfung der Sinnesorgane, Haar- und Zahnausfall oder alles im Verbund können die Frau des vorstellig gewordenen Patienten in jeder Hinsicht schwer belasten.

Lassen sich keine ernsten organischen Krankheiten, sondern nur eine natürliche Erschöpfung der Zellen feststellen, sollten die Konflikte im seelischen Bereich, die das Frau-schickt-mich-Syndrom hervorrufen kann, nicht vernachlässigt werden. Ich rate dann zur Vermeidung von übermäßigem Stress, zu Bewegung und dazu, den Sexus sich mit Würde zum Eros wandeln zu lassen, zur selbstlosen, spirituellen und vor allem schenkenden Liebe. Der letzte Punkt wird besonders relevant, wenn der Urologe eine operationspflichtige Prostatavergrößerung feststellt. Das zarte Flämmchen Sexus wird dann unter Umständen mit der Operation ohnehin gänzlich ausgeblasen.

3. Lieber-krank-feiern-als-gesund-schuften-Syndrom, auch Gelbscheinaspiranten-Syndrom

Dieses Syndrom tritt häufig bei schönem Wetter und bei kerngesunden Menschen auf. Verdächtig sind mehr als fünf Krankschriften pro Jahr für simulierte Krankheiten, wobei selbst monatliche Arbeitsausfälle keine Seltenheit sind. Beliebte Beschwerden sind Migräne, Schlafstörungen (wer hat die nicht?), Bauchschmerzen wegen Verwachsungen, Darmgrippen, Schmerzen der Halswirbelsäule oder Tennisellenbogen – Diagnosen also, die sich nur schwer objektivieren lassen und bedarfsweise zu Beschwerden führen.

Die »Patienten« sind belesen und routiniert in der Schilderung von Symptomen, die differenzialdiagnostisch von echten Krankheiten abgegrenzt werden müssen. Tests in diesem Zusammenhang fallen immer unauffällig aus. Gelbscheinaspiranten machen aber auch Fehler und lassen sich folgendermaßen entlarven: Beschwerden werden übertrieben geschildert, ihr Bewegungsmuster passt nicht zu einer schmerzenden Erkrankung, verordnete Pillen werden nicht eingenommen und schmerzhafte oder unangenehme Untersuchungen (zum Beispiel Magen- oder Darmspiegelung) abgelehnt. Ja, das kostet Nerven und das Geld der Allgemeinheit. Deshalb handelt es sich nicht um eine Bagatelle.

Expertentipp: Das Problem offen thematisieren und gelegentlich Nein sagen! Manche Simulanten wechseln dann sofort den Arzt. Das schont die eigene Magenschleimhaut und man kommt nicht in den zweifelhaften, andere Gelbscheinaspiranten magisch anziehenden Ruf, arbeitsbefreiende Dokumente leichtfertig auszustellen.

4. Das Seidenmalsyndrom (alternativ Tassentöpfer-, Boshihäkel- oder Tomatenzuchtsyndrom)

Dabei handelt es sich um eine Übersprunghandlung, die man von Hühnern kennt (sinnloses, zwanghaftes Picken nach nicht vorhandenen Körnern), die eigentlich lieber etwas ganz anderes tun würden, aber sich nicht entscheiden können, was.

Es ist einigermaßen schwer heilbar, zumal die Patienten von einem sogenannten sekundären Krankheitsgewinn profitieren (selbst getöpferten Klorollenhaltern, selbst gehäkelten Tischsets, absolut unverrückbaren, aber äußerst selbst gegossenen Betontischen in und außerhalb der Wohnung). Nimmt es überhand, neigen Betroffene zur Behäkelung von Straßenlaternen. Das Syndrom kann abgemildert werden durch die Anschaffung eines oder mehrerer Haustiere. Außerdem kann man auch Pferdehalfter sehr ansprechend selbst gestalten.

5. Das Symptom der permanenten Beschwerdelosigkeit

Dieses Symptom beschreibt ein vom Patienten geäußertes allgemeines Wohlbefinden. Gelegentlich kommen sogar Glücksgefühle und die angeblich fehlende Notwendigkeit einer Medikamenteneinnahme hinzu. Für niedergelassene Ärzte stellt dieser Zustand einen akuten Notfall dar, eine furchterregende Erkrankung ähnlich galoppierender Schwindsucht oder Pest.

Zur Akutversorgung dieser Krankheit gehört in den Erste-Hilfe-Koffer ein möglichst breit gefächerter Check-up. Schrotschuss! Kreuzt alle Laborwerte auf dem Zettel an, die nicht niet- und nagelfest sind und die die Krankenkasse bezahlt. Unterzieht den Patienten einem Verhör zur eigenen und zur Familiengeschichte (Uroma in Ostwestfalen nicht vergessen!), schreitet zum Äußeren, greift zum Stethoskop und untersucht ihn gründlich.

Macht euch nichts vor, Leute, ihr steht mit Rücken und Arsch zur Wand. Entweder ihr findet was oder die Kinder werden nicht satt. Es wird doch irgendein lausiger Laborwert aus der Reihe tanzen (Schilddrüse, Blutfette, Harnsäure) oder zumindest der Blutdruck marginal erhöht sein. Dann muss dem Patienten nur noch klargemacht werden, wie kreuzgefährlich und dringend behandlungsbedürftig die erhobenen Befunde sind. Ihr verordnet ein preisgünstiges Medikament, das jedes Quartal neu rezeptiert werden muss, und bindet so auch die Beschwerdelosen lebenslang an die Praxis.

Expertentipp: Nie mehr als hundert Pillen auf einmal verordnen, sonst überspringt der Patient ein Quartal!

Wahnsinn Wartezimmer

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