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2.3.5 Textkürzungen

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Der Übergang von gesprochener in geschriebene Sprache ist nicht immer einfach, auch dann nicht, wenn die gesprochene Sprache geskriptet ist. Dieser Gemeinplatz gilt auch für Untertitel: Gesprochene Sprache ist einfach schneller.

Im Kapitel zur Untertitelung für Hörgeschädigte wird die Debatte wörtliche Wiedergabe des Dialogtexts versus KürzungKürzung (wie auch die damit zusammenhängende Frage der VereinfachungVereinfachung) kurz angesprochen (Kapitel 7.6.2). Es gibt zwar kurze Ausrufe und Einwortsätze, für die man reichlich Zeit zur Verfügung hat, doch im Normalfall sind die Sätze leider zu lang für die StandzeitStandzeit des Untertitels.

Wer sich zunächst ein bisschen im Trockenschwimmen üben möchte, kann einen beliebigen Text in einer beliebigen Fremdsprache nehmen (am besten ein DrehbuchDrehbuch oder ein Theaterstück) und folgende Übungen zur Erstellung von interlingualen Untertiteln ausprobieren:

Stufenweises Kürzen: Schritt für Schritt wird immer mehr weggenommen / durch kürzere Formulierungen ersetzt;

Radikale KürzungKürzungradikale Kürzung „am Text“: Wegstreichen, aber nicht ersetzen;

Umschreibende KürzungKürzungumschreibende Kürzung: Umformulieren oder verkürzte SynonymeSynonym finden, aber keine anderen Kürzungsmethoden einsetzen;

Syntaxübung: Die Syntax für die Untertitel ändern, die Lexik möglichst beibehalten;

So lang wie möglich: Untertitel so ausführlich wie möglich gestalten; den Platz vollständig nutzen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Text für Untertitel zu kürzen. Buhr teilt diese Möglichkeiten ein in die VerdichtungVerdichtung und die AuslassungAuslassung von Textteilen (Buhr 2003: 56). Man kann jedoch eine weit komplexere Aufteilung vornehmen, wie Gottlieb (1992, im Nachfolgenden paraphrasiert nach Schröpf 2008: 56-58), der von CondensationCondensation, DecimationDecimation, DeletionDeletion und ParaphraseParaphrase spricht. Condensation bedeutet, dass Redundanzen reduziert werden, insbesondere Text-Bild-Redundanzen, aber auch nicht zwingend nötige Adjektive etc. Decimation ist ein eher frustrierendes Verfahren, da dabei bei schnellem Sprechtempo große Mengen des Dialogtextes nicht berücksichtigt werden. Deletion bedeutet Löschen und bezieht sich vor allem auf das Löschen von Wiederholungen, Interjektionen etc. – ein typischer Vorgang beim Übersetzen von gesprochener in geschriebene Sprache. Schließlich gibt es die Paraphrase, oft die Folge von Kürzungsvorgängen.

Mal kurz nachdenken … Was muss man nicht untertiteln, wenn es sonst Platzprobleme gäbe?

Marleau (1982) und Ivarsson / Carroll (1998) nennen internationale Begriffe, Höflichkeitsformeln, Ausrufe, EigennamenEigenname (soweit bekannt). Alle Autoren weisen auch darauf hin, dass man nicht untertiteln muss, was man sieht.

Mal kurz nachdenken … Welche Kürzungsmethoden passen auf die Übungen oben?

Typische Ratschläge, die man besonders dem Anfänger mit auf den Weg gibt, finden sich in ausführlicher Form in Ivarsson und Carroll (1998: 85-91) und zusammengefasst bei Nagel (2009: 68). Im Wesentlichen handelt es sich um folgende Vefahren:

 Verkürzung der Syntax

 Passiv wird zu Aktiv

 Indirekte Fragen werden zu direkten Fragen

 Doppelte Verneinung zur positiven Äußerung

 Sinngemäße Zusammenfassung

 Präteritum statt Perfekt

Üben Sie jetzt diese Methoden an den Beispielen! Lesen Sie dafür zunächst nur den englischen Originaltext. Zu Annie HallAnnie Hall (USA 1977) finden Sie weiter unten die betreffenden Textstellen aus dem deutschen SynchronbuchSynchronbuch. Hilft Ihnen das beim Formulieren der Untertitel? Welche Kürzungsmethoden haben Sie eingesetzt? Wo? Aus welchem Grund?

Man in line: We saw the Fellini film last Tuesday. It is not one of his best. It lacks a cohesive structure. You know, you get the feeling that he’s not absolutely sure what it is he wants to say. (Annie Hall. Allen 1983: 14) (drei Untertitel)

Annie: Sadie? Oh, well, Sadie … (Laughing) Sadie met Grammy through, uh, through Grammy’s brother George. Uh, George was real sweet, you know, he had that thing. What is that thing where you, uh, where you, uh, fall asleep in the middle of a sentence, you know – what is it? Uh … (Annie Hall. Allen 1983: 37) (vier Untertitel)

Ed: Now everyone, when he walks on the stage, treat him normal. I know Bela Lugosi is a world-famous star, and you’re all a little excited, but we’re professionals. (Ed Wood. Alexander / Karaszewski 1995:36) (drei Untertitel)

Aunt Em: And what was he doing here in the first place? That’s what I want to know. What’s a man like you messing around with a black boy like Thomas for? Are you some kind of pervert, or what? (SmokeSmoke, Auster 1995: 58) (zwei Untertitel)

Mann in der Schlange: Wir haben letzten Dienstag den Fellini gesehen, der gehört nicht zu seinen besten Filmen, er hat keine kohäsive Struktur. Man hat das Gefühl, er ist sich selbst nicht so sicher, was er sagen will. (Der StadtneurotikerDer Stadtneurotiker, Allen 1981: 23).

Annie: Sadie? Sadie, naja (lacht) also Sadie kam mit Grammy durch äh, den Bruder von Grammy, George, zusammen. Hm, und George, der war ja wirklich niedlich, wissen Sie (gestikuliert), er hatte diese … diese Dings, diese … wie nennt man das, wenn man mitten im Satz einschläft, Sie wissen, diese … äh … (Der Stadtneurotiker, Allen 1981: 57-58).

Hat Ihnen die deutsche Fassung beim Erstellen der Untertitel geholfen? Vielleicht hat sie Sie ja auch nur verwirrt. Schauen Sie sich die Beispiele auf DVD an.

Für den übersetzerischen Anteil der interlingualen Untertitelung muss also das Rad nicht neu erfunden werden. Interlinguale Untertitelung ist eine Sonderform der Übersetzung und das bedeutet, dass man alles, was man von anderen Texten kennt, auch dort anwenden kann. Der Platzmangel führt dazu, dass man mit Untertiteln nicht so freizügig umgehen kann wie mit anderen Texten. Aber prinzipiell kann man sämtliche möglichen Übersetzungsverfahren nutzen (dazu Nagel 2009: 66-67). Bei lexikalischen Übersetzungsverfahren ist dies etwas einfacher, da oft nur die Wortebene betroffen ist. Besonders die im Handbuch Translation unter „Einzelphänomene“ aufgeführten Probleme und Verfahren (ebd. 278-300) spielen auch bei der Untertitelung eine Rolle. Zu den dort angeführten Phänomenen gehören Sprachvarietäten, Metaphern, Wortspiele, Realia, Strategien des geschlechtsneutralen Ausdrucks, Eigennamen und Maßeinheiten. KulturspezifikaKulturspezifika sind ohnehin ein Problem bei der Untertitelung. Siehe dazu Pedersen 2005, Bruti 2006, Ramière 2006.

Fragestellungen zu diesen Einzelphänomenen sind in der Untertitelungsforschung populär. Informieren Sie sich über die Übersetzungsprobleme, die im Zusammenhang mit diesen Phänomenen immer wieder genannt werden! Wo könnten solche Fragen bei der Untertitelung auftreten? Beachten Sie auch, dass man die betreffende Realie vielleicht im Bild sehen kann und dass Wortspiele gern auch im Bild dargestellt werden, besonders in TrickfilmenTrickfilm!

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