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2.6.2 Mehrstimmiger Gesang
ОглавлениеEs sind meist Opern, in denen nicht nur mehrstimmigmehrstimmig gesungen wird, sondern in denen die einzelnen StimmenStimme unterschiedliche Texte haben, gern auch zeitlich gegeneinander versetzt. Das kann man als Zuhörer auf keinen Fall auseinanderhalten. Man versteht Textstellen höchstens dann, wenn einer der Sänger während des Stücks solistisch hervortritt. Untertitel sind nun aber dazu da, dass man den Text versteht.1
Bei DVD-Untertiteln bietet sich eine größere Variationsbreite an Lösungen an als bei Theater-Übertiteln. Probieren Sie aus, was Ihnen dazu einfällt, zum Beispiel an II. Akt, 1. Bild aus Peter Grimes von Benjamin Britten. Sie hören eine Solistin im Vordergrund und einen Kirchenchor im Hintergrund. Leider müssen Sie sich den Text selbst besorgen – die Abdruckrechte sind heikel, der Klavierauszug ist nicht billig22. Libretti haben den Klavierauszügen gegenüber den Vorteil, dass der Text übersichtlich in Zeilen angeordnet ist und einen besseren ersten Überblick ermöglicht (Desblache 2009: 75). Klavierauszüge haben den Vorteil, dass man sieht, welche Textstellen genau parallel zueinander laufen.
Zur folgenden Aufgabe stehen die Texte weiter unten; ein Klavierauszug Deutsch / Italienisch erleichtert aber die Arbeit. Nehmen Sie sich den II. Akt, 2. Szene, Nr. 15 (unten ein Ausschnitt) aus Mozarts Don GiovanniDon Giovanni vor, bei dem die drei Sänger parallel unterschiedliche Texte singen. Es handelt sich um das Terzett Don Giovanni, Leporello, Donna Elvira, wobei Leporello sich als Don Giovanni verkleidet hat und Donna Elvira irreführen soll. Hören Sie sich die Musik erst an, wenn Sie Entscheidungen über den Text getroffen haben. Passen die Entscheidungen auch zur Musik?
DONNA ELVIRA | DON GIOVANNI | LEPORELLO |
Dei, che cimento è questo | Spero che cada presto | Già quel mendace labbro |
Gott schenke jetzt mir Gnade | Dank dir, o Serenade | Sie glaubt der Maskerade |
Non so s’io vado, o resto; ah, proteggeto voi la mia credulità. | Che bel colpetto è questo più fertile talento del mio, no, non si dà | Torna sedur costei deh proteggete oh Dei la sua credulità. |
Er lenke meine Pfade; wie rührt mich, ach, sein Flehen; kaum kann ich widerstehn | Hilf du nun, Maskerade dass ich es recht verstehe das muss ein jeder sehn | Nun schenke Gott ihr Gnade schützt er sie nicht vor dem Unheil dann ist’s um sie geschehn |
Tabelle 4 :
Don Giovanni II.2, no. 15. Text nach Klavierauszug Edition Peters (o.J.)
II. Akt, 14. Szene. Das Problem hier ist etwas anders gelagert: Hier setzen die Stimmen gegeneinander versetzt ein und die Texte werden wiederholt.
DONNA ELVIRA | LEPORELLO | DON GIOVANNI |
Restati, barbaro, Nel lezzo immondo. Esempio orribile d’iniquità. | Se non si muove Del suo dolore, Di sasso ha il core, O cor non ha ! | Vivan le femmine, Viva il buon vino, Sostegno e gloria D’ummanità ! |
Nun so versinke denn im Pfuhl der Hölle die ew’ge Mahnung an Gottes Gericht | Wenn ihre Klagen ihn nicht mehr rühren dann ist sein Herz so hart wie Stein. | Mädchen und Rebenwein würzen das Leben Sie sind das Herrlichste auf dieser Welt. |
Tabelle 5:
Don Giovanni II.14. Text aus Klavierauszug Edition Peters (o.J.)
Klavierauszüge und Libretti sind also eine sinnvolle Hilfe bei der Untertitelung, wobei, wie oben erwähnt, die Kürzungen der jeweiligen Inszenierung beachtet werden müssen. Bei interlingualen Opernuntertitelungen kommt jedoch noch ein Problem hinzu: Viele bekannte Opern haben eine deutsche Standardübersetzung. Ähnlich wie sich die Schlegel-Tieck-Übersetzung von Shakespeare durch Zitate und geflügelte Worte im Bewusstsein der Sprachgemeinschaft eingebürgert hat (vgl. dazu Herbst 1994), sind bestimmte Phrasen aus Opern Allgemeingut geworden.La BohèmeAddams Family2
Mal kurz nachdenken … Zu welchen Problemen kann das wiederum bei der interlingualen Untertitelung führen?
Hier ergibt sich ein Konflikt, der vermutlich zu der Abneigung des operngewohnten Publikums Untertiteln gegenüber beiträgt. Wer in seinem Leben schon oft die deutschen Standardfassungen gehört hat, kann sie auswendig. Ein gutes Beispiel ist das Duett Don Giovanni – Zerbinetta aus dem ersten Akt der Oper Don Giovanni. Der italienische Originaltext beginnt mit dem Satz „La ci darem la mano“. Im Untertitel würde man sagen: „Gib mir deine Hand.“ Der Opernfreund kennt diese Textstelle jedoch als „Reich mir die Hand, mein Leben“. Und so kann es kommen, dass ein eigentlich guter Untertitel von einem erbitterten Publikum als „falsch“ und „ungebildet“ wahrgenommen wird.
Mal kurz nachdenken … Wie ist der Übersetzer denn auf so eine Idee gekommen?
Nicht jeder Untertitler ist ein Opernliebhaber. Außerdem ist die Übersetzung im Untertitel gut und inhaltlich vollständig – vielleicht war der Untertitler doch ein Opernliebhaber, der für die Untertitelung bewusst diese Entscheidung getroffen hat. Die oben erwähnte Problematik der Opernübersetzung: Sanglichkeit, Silbenzahl, Rhythmus ‒ all das muss bei der Opernübersetzung berücksichtigt werden, aber nicht unbedingt bei der Untertitelung. Man muss hier bei den Übersetzungen abwägen, was wichtig ist.
Mal kurz nachdenken … Wie kann man alle Zuschauer halbwegs glücklich machen?
Oft bietet sich bei der Opernuntertitelung ein Kompromiss an: Die ganz bekannten Zitate werden aus der übersetzten Bühnenfassung übernommen; die weniger bekannten werden untertitelgerecht neu geschrieben.