Читать книгу Audiovisuelles Übersetzen - Heike E. Jüngst - Страница 26

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2.4 Einzelprobleme der Untertitelung

Als Anfänger kann man die vielen Probleme, die die Untertitelung mit sich bringt, kaum überblicken. Man ist zunächst schon froh, wenn man einen Dialogtext einigermaßen gekürzt hat und die Standzeiten einigermaßen hinkommen.

Die interlinguale Untertitelung ist jedoch, wie gesagt, im Grunde genommen einfach eine Sonderform der interlingualen ÜbersetzungÜbersetzunginterlinguale Übersetzung. Die nachfolgend dargestellten Probleme kommen bei der interlingualen Untertitelung ebenso vor wie bei der Übersetzung anderer Texte. Durch die Gleichzeitigkeit von Wort und Bild sind manche Übersetzungsstrategien, die man bei rein sprachlich-schriftlichen Texten einsetzen kann, hier aber leider nicht möglich.

Mal kurz nachdenken … Wo könnte das sein?

Auch wenn immer wieder empfohlen wird, nicht oder schlecht übersetzbare WitzeWitz etc. nicht zu übersetzen und an anderer Stelle einen Witz einzuschieben, ist dieses Verfahren bei Filmen problematisch. Generell zu Humor und Untertitelung siehe Chiaro 2006.

Und noch mal kurz nachdenken … Bei Serien mit einem gewissen Extra ist das fast unmöglich.

… nämlich bei Serien mit einem laughing tracklaughing track, also einer Lachspur, oder bei Serien, die vor Live-Publikum gedreht wurden und daher auch Reaktionen auf Witze etc. beinhalten.

2.4.1 Dialekte, Soziolekte, Fachsprache

Auch wenn wir immer wieder davon sprechen, dass bei der Untertitelung gesprochene in geschriebene Sprache umgewandelt wird: Ganz korrekt ist das bei Filmen nicht, denn dort gibt es ein Skript, also geschriebene Sprache, die im Film gesprochen wird und dann in den Untertiteln wieder eine schriftliche Form hat.

Mal kurz nachdenken … Aber wo ist es der Fall?

Mündlich nach schriftlich findet nur dann statt, wenn Live-BeiträgeLive-Beitrag in NachrichtenNachrichten, TalkshowsTalkshow etc. untertitelt werden. In diesen Fällen ist eine interlinguale Untertitelung in Deutschland nicht üblich (siehe Kapitel 4, Voice-over, und Kapitel 5, Filmdolmetschen). Bei Reality-ShowsReality-Show aus den USA kommt sie teilweise vor.

Nur in diesen Fällen haben wir es mit spontan gesprochener Sprache zu tun, mit all ihren Fehlern, Pausen und unvollständigen Sätzen. Wer einmal das TranskriptTranskript eines Gesprächs, also eine schriftliche AufzeichnungAufzeichnung von spontan gesprochener Sprache gesehen hat, weiß, wie unordentlich wir eigentlich sprechen. Die gesprochene Sprache in Spielfilmen existiert zunächst als schriftliche Imitation gesprochener Sprache im DrehbuchDrehbuch (dazu auch Nagel 2009: 58 und ausführlich Remael 2008). Sie kann ausgesprochen künstlich und manieriert sein.

SoziolekteSoziolekt und DialekteDialekt sind typisch für gesprochene Sprache und werden in vielen Formen künstlerischer Texte eingesetzt. Ob man Soziolekt und Dialekt in irgendeiner Form in den Untertiteln wiedergeben soll, darüber streiten sich Theoretiker wie auch Praktiker. Eine Partei vertritt die Ansicht, man solle in Untertiteln nur Standardsprache nutzen, weil sie sich leichter liest.

Schauen Sie sich die entsprechende Praxis bei untertitelten englischsprachigen Reality-Serien an (heute am besten über einen StreamingdienstStreamingdienst). Die Sprecher bieten eine Vielfalt an amerikanischen Dialekten und Soziolekten. Wären Sie bei der Untertitelung ebenso vorgegangen?

Ein leises Unbehagen angesichts der Tatsache, dass der Text verändert wird, wenn soziolektale und dialektale Elemente in standardisierte Schriftsprache übertragen werden, gab es schon immer, und der typische Untertitelungsstil wird wieder und wieder in Frage gestellt (z. B. Bastian im Abstractband Leipzig 2010; Hamaidia 2007, Kaufmann 2004, Elefante 2004). Es stellt sich grundsätzlich auch die Frage, ob Untertitel als Schriftsprache wahrgenommen werden oder ob sie nicht eine eigene Kategorie zwischen gesprochener Sprache und Schriftsprache bilden (dazu auch Guillot 2007).

Dialekte und Soziolekte kommen weder in Filmen noch in Romanen oder Theaterstücken so gehäuft und in so komplexer Form vor, wie die vielen Forschungsarbeiten dazu suggerieren. Das Thema ist einfach nur reizvoll. Die Übersetzung von Dialekten und Soziolekten ist schon in Romanen und Theaterstücken schwierig; die Ergebnisse sind oft unbefriedigend, da nicht alle Konnotationen der ausgangssprachlichen Variante auch in der Zielsprache wiedergegeben werden können. Beim Platzmangel und Zeitdruck in den Untertiteln potenzieren sich diese Probleme.

Welche Probleme treten auf, wenn man Dialekte und Soziolekte übersetzen möchte? Welche typischen Versuche, diese Probleme zu lösen, gibt es? Informieren Sie sich in der übersetzungswissenschaftlichen Fachliteratur über Probleme und häufige Lösungen. Als Einstieg eignet sich Kolbs Beitrag im Handbuch Translation (1998: 278-280).

Angenommen, Sie möchten einen Dialekt in irgendeiner Form im Untertitel darstellen, weil er für die Charakterisierung der betreffenden Figur sehr wichtig ist. Welchen Weg wählen Sie? Hängt Ihre Entscheidung mit dem Filmgenre zusammen? Mögliche Lösungen können Sie in den Untertiteln zu dem französischen Film Willkommen bei den Sch’tisWillkommen bei den Sch’tis (Bienvenue chez les Ch’tisBienvenue chez les Ch’tis, Frankreich 2008) finden; weiter unten sind aus diesem Film Vergleichsbeispiele von Untertiteln und Synchrontext abgedruckt. Für Soziolekte eignen sich Filme des italienischen Neorealismo (Neoverismo) und der französischen Nouvelle vague. Ein Film, der die französische Jugendsprache nutzt, darunter insbesondere das Verlan, ist L’esquiveL’esquive (Frankreich 2003, in Deutschland im Fernsehen 2005 Nicht ja, nicht neinNicht ja, nicht nein); Varianten französischer Jugendsprache findet man auch in Entre les mursEntre les murs (Die KlasseDie Klasse, Frankreich 2008). Sie sehen die Erscheinungsjahre: Die Filme spiegeln keinen aktuellen Sprachstand wider.

Oft werden auch in den Originalfilmen und in den Synchronfassungen nur sehr leichte dialektale Einfärbungen verwendet, die kaum ins Gewicht fallen. In solchen Fällen sollte man auf eine Markierung verzichten.

9. Es gibt Fälle, in denen der Dialekt nicht unwichtig ist, ein Übersetzungsversuch aber übertrieben wäre. Was würden Sie da tun?

Eine Sprachvarietät, auf die bei der audiovisuellen Übersetzung sehr selten eingegangen wird, ist die FachspracheFachsprache, die doch sonst in der übersetzungswissenschaftlichen Literatur eine so große Rolle spielt. In DokumentarfilmenDokumentarfilm erwarten wir ohnehin fachsprachliche Elemente und geben sie ohne große Nachdenkensanstrengung als solche wieder, allerdings meist als Voice-over. Doch auch in Spielfilmen und Serien ist Fachsprache extrem häufig.

Darüber denken wir zwar auch bei der Synchronisation nach … Welche Fachsprachen erwarten Sie?

Hier einfach ein paar andere Beispiele als im Kapitel über Synchronisation: In den populären Weltuntergangsfilmen wird über Klimawandel und meteorologische und geologische Erscheinungen gesprochen, in anderen Katastrophenfilmen geht es um Viren und Genetik.

10. Die handelnden Figuren benutzen Ausdrücke, die Sie selbst nicht kennen. Sie können getrost annehmen, dass das vielen Zuschauern genauso geht. Was machen Sie in den Untertiteln?

11. Was können Sie tun, wenn lateinisch-griechische Fachtermini vorkommen, die lang sind und die Untertitel füllen? Denken Sie dabei an Dinosauriernamen wie Procompsognathus oder Rhamphorhynchus.

Viele dieser Spielfilme haben den Vorteil, dass zwischen Experten und Zuschauern eine Vermittlerfigur steht, zum Beispiel ein Reporter. Diese Vermittlerfigur hat dann die Aufgabe, den Experten zu einer Erklärung der Fachbegriffe zu bewegen. Falls es eine solche Figur nicht gibt, sollte der Untertitler diese Aufgabe nicht übernehmen, auch wenn es verlockend ist, sein Wissen weiterzugeben.

2.4.2 Mehrsprachigkeit im Film

Diese Erscheinung wird in Kapitel 3.5.2 anhand der Synchronisationspraxis ausführlich diskutiert, da sie dort ein weit größeres Problem darstellt. Doch auch bei der Untertitelung stellen sich Fragen, wie man damit umgeht, wenn mitten in einem englischsprachigen Film plötzlich Deutsch gesprochen wird.

Was könnte man in den Untertiteln tun, wenn in einem fremdsprachigen Film plötzlich deutschsprachige Passagen auftauchen? Überlegen Sie erst, lesen Sie dann Kapitel 3.5.2. Kommen Ihnen jetzt noch andere Ideen?

Es werden zwar stets dieselben Filme zitiert (wie es auch im vorliegenden Buch geschieht), doch mit trafilm.net existiert eine Forschungsgruppe zu diesem Thema. Zur Untertitelung mehrsprachigermehrsprachig Filme siehe auch Bartoll (2006). Auch hier sollten Sie sich mit den Inglourious BasterdsInglourious Basterds beschäftigen (USA 2009) – nachdem Sie die Aufgabe im Kapitel Synchronisation bearbeitet haben.

Es gibt bei der interlingualen Untertitelung hier ähnliche Traditionen wie bei der Synchronisation, die man durchaus hinterfragen kann:

A special case requiring the use of quotation marks is when a ‚second foreign language‘ is used in the film or programme. Such cases call for judgment. Does the original audience understand, more or less, what is being said? Elementary Spanish in an American film or Italian in a French TV programme should normally be translated into e.g. Dutch, and quotation marks (or italics) used to indicate that another language is being spoken, but the audience is certainly not supposed to understand two foreigners conversing in Japanese in a Norwegian film. Even the most ambitious subtitlers should refrain from translating such conversations. (Ivarsson / Carroll 1998: 114f.)

Aber nur der hörende Zuschauer hört die Tonspur. Interlinguale Untertitel für das Kino sollten auch für hörgeschädigte Zuschauer geeignet sein. Und übrigens gab es Versuche mit der Mehrsprachigkeit schon bei ZwischentitelnZwischentitel für StummfilmeStummfilm:

Abel Gance thematisierte die Sprachübertragungsmethoden bereits in seinem ohnehin verblüffend originellen Film Napoléon – vu par Abel Gance (Napoleon, 1925-1927), in dem es einen Zwischentitel gibt, der durch Sätze in 4 verschiedenen Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch) das Sprachenwirrwarr im Lager des Feindes bei der Eroberung Toulons darstellen soll. Die Sätze flimmern gleichzeitig und hintereinander, horizontal und diagonal über die Leinwand und verbildlichen damit nicht nur das Durcheinander an Sprachen, sondern auch die sprichwörtliche Hitze der Diskussion. Ein paar Zwischentitel vorher heißt es denn auch: ‚Beim Kriegsrat der Feinde ging es zu wie beim Turmbau zu Babel‘. (Wahl 2003: 88)

Auch wenn in diesem Buch immer wieder Vorschläge gemacht oder Richtlinien bemüht werden: Treffen Sie Ihre eigenen Entscheidungen. Oft sind die besser, weil sie sich auf einen konkreten Fall beziehen.

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