Читать книгу "Dann müssen die halt mal schwitzen!" - Heiko Fritschen - Страница 7

1.1 Die rechtliche Sichtweise in der Übersicht

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Dieses Kapitel mag etwas spröde sein, ist aber nötig, um die folgenden Festlegungen zu verstehen.

Es existieren verschiedene Urteile. Dabei ist zu beobachten, dass nur wenige Mobbing-Prozesse Erfolg haben.

Der eine Grund dafür ist relativ einfach: Mobbing ist kein Rechtsbegriff und keine Anspruchsgrundlage. Es existieren somit wesentlich mehr Opfer-Erfolge vor Gericht, aber eben nicht zwingend mit einer Mobbing-Klage. Auch sollte man nicht vergessen, dass die meisten Lösungen über Vergleiche ablaufen. Und auch um einen Vergleich abschließen zu können, brauchen Sie eine vernünftige Datengrundlage.

Der andere Grund ist, dass einige Juristen die Meinung vertreten, dass Mobbing zur Basis der – bitte nicht lachen – „Doktrin der sozialen Konfliktaustragung als allgemeines Lebensrisiko“ gehört und sich deshalb nicht vor ein Gericht gehöre. Andere vertreten die Meinung, dass zur Mobbing-Bekämpfung ein auf das Prinzip der Nulltoleranz gegründeter und als verhaltenskulturelles Steuerungsmittel wirksamer Mobbing-Rechtschutz erforderlich ist.

Da derzeit keiner sagen kann, wie viele Vertreter die jeweilige Seite hat, können Sie genauso gut eine Münze werfen. Sind Sie aber gut vorbereitet, setzt sich der Arbeitgeber diesem Risiko nur selten aus, und wird Ihnen ein Angebot oder einen Vergleich finanzieller Art unterbreiten. Jeder fundierte Vorwurf ist für Sie somit bares Geld wert.


Der Antrag der Bündnis 90/ Die Grünen 18/ 12097 zielt in die Richtung, dieses Problem in der gesetzlichen Regelung zu lösen, was am Ende aber nicht zwingend den Einzug in die Rechtsprechung zur Folge hat.

Natürlich kann in einem Gesetz stehen, dass der Arbeitnehmer sich sanktionsfrei über ein Fehlverhalten seiner Kollegen oder direkten Vorgesetzten beschweren kann. In der beruflichen Realität – wenn Ihre Existenz davon abhängt – sollten Sie mit der Einforderung von gesetzlichen Auflagen durchaus vorsichtig sein.


Der Hauptunterschied zwischen Mobbing und anderen Klagepunkten liegt darin, dass eine einzelne Mobbing-Aktion rechtlich betrachtet neutral sein kann. Im Strafrecht jedoch reicht eine Einzelaktion. Die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers und der logischen Systematik der Einzelaktionen trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer. Unabhängig von einem Rechtstreit besteht für den Arbeitgeber auch die Gefahr, selbst als Täter belangt zu werden, woraus das Arbeitsgericht auch schließt, dass der Arbeitgeber bei einem Mobbing-Fall das Recht auf eine außerordentliche Kündigung hat (LAG Thüringen 15.02.2000, 5 Sa 102/2000). Auch muss der Arbeitgeber sich schützen dürfen, um zu verhindern, dass ein Mitarbeiter sich auf ein Zurückhaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB beruft und der vertraglichen Arbeitsleistung nicht mehr nachkommt. Auf der anderen Seite kann der Arbeitgeber jedoch auch zusätzlich Schadenersatzansprüche gegen den Mobbing-Täter geltend machen.



§ 628 Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung


(2) Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.


Somit kann bei einem Verstoß, der in einem Urteil eine Schadenersatzklage gegen den Arbeitgeber zu Folge hat, dieser Arbeitgeber auch den Auslöser – den Mobbenden – zur Rechenschaft ziehen. Auch deshalb kann das sogenannte Mobbing auch ohne Abmahnung und unabhängig davon, ob es in diesem Zusammenhang zu einer Störung des Betriebsfriedens gekommen ist, die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Für die Einhaltung der für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bestehenden zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB:



§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.


(2) 1 Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.


2 Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.


3 Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.


Es muss also nicht zwingend eine Kette von Mobbing-Aktionen sein – der Arbeitgeber kann somit zum Schutz der Firma auch bei einer Einzelaktion bereits handeln. Das tatsächliche Problem liegt an der unterschiedlichen Wahrnehmung der Verursacher des Schadens. Ein Vorgesetzter kann seinen Untergebenen als Telefon-Hure bezeichnen, gibt aber einem anderen Mitarbeiter eine Abmahnung, weil dieser in einer Mail seinem gleichgestellten Kollegen direkt schreibt, dass „in der Planung keine Struktur ist“. Begründet wird diese Abmahnung seitens GF dann mit der gestörten Umgangsform, so gehe man in dieser Firma nicht miteinander um. Bei einer derartig verschobenen Eigenwahrnehmung der Geschäftsführung ist eine sachliche Diskussion kaum durchführbar.

Unabhängig von der gestörten Wahrnehmung der Täter ist ein medizinischer Befund des Opfers nicht in jedem Fall ausschlaggebend, also nicht immer notwendig. Allerdings ist es für die Justiz ein deutliches Indiz für die beanstandeten Handlungen, die bei einem Suizid auch Rückschlüsse auf die Intensität der Handlungen des Mobbenden schließen lassen.


Folgt der Arbeitgeber einer Mobbing-Strategie oder wird er vom Täter subtil gelenkt gilt auch:


§ 242 Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.


Es muss jedoch ein Vorsatz nachgewiesen werden, der sich auch durch die nicht gedeckte Herbeiführung der psychischen Zermürbung und sozialer Entwürdigung des Opfers oder die Verwirklichung eines auf diesem Wege mit der Rechtsordnung nicht vereinbaren Herausdrängen aus beruflichen Positionen oder dem Beschäftigungsverhältnis zeigt. Es reicht aber aus, dass die Handlungen mit dem Ziel, das Opfer zu schädigen, förderlich sind. Tritt der Persönlichkeitsbekämpfungsvorsatz durch die äußere Erscheinungsweise oder völlige Unverhältnismäßigkeit einer Handlung nicht offen zu Tage, kann er trotzdem indiziert sein, wenn die Handlungen unter dem Verhaltensstandard eines intakten Beschäftigungsverhältnisses, indem nicht eine Person, sondern ein Sachproblem bekämpft wird, nicht plausibel ist. Allerdings kann die Gegenseite behaupten, dass es sich hierbei nur um einen Irrtum handelt. Kommen diese Vorfälle aber häufiger vor, ist die Irrtums-Ausflucht nicht mehr glaubwürdig (LAG Thüringen, 28.06.2005-5 Sa 63/04).


Zu unterscheiden sind einzelne Aktionen, aber auch Mobbing-Elemente mit dauerverletzender Gestaltungswirkung. Dabei handelt es sich um Rechtsmaßnahmen, die ihren Adressaten über ihre bloße Kundgabe hinaus für den Zeitraum ihrer Wirkung mit einer dauerhaften Drucksituation und in Bezug auf die soziale Geltung belasten. Diese dauerverletzenden Elemente haben eine Klammerwirkung. Selbst wenn sie schon lange her sind, können sie im Zusammenhang mit einer aktuellen Aktion stehen – was die Kette der Mobbing-Aktivitäten weiter erhöht.


Es ist zwar nachvollziehbar, hängt jedoch auch von den Einzelfällen ab. Einer der häufigsten Fehler, den Opfer machen, ist die Betrachtung des Einzelfalls – eine Aktion, die jemanden persönlich am meisten trifft oder verletzt. Andere Aktionen, die er selbst aber kaum wahrnimmt, können juristisch jedoch sehr viel strenger gesehen werden. Sie ärgern sich also, dass jedes Mal nach Ihrem Urlaub Ihre Unterlagen durcheinander über den Schreibtisch verteilt liegen, nahmen aber ein Schreiben mit falschen Tatsachenbehauptungen, das hinter Ihrem Rücken an die Kunden der Firma rausgeht, nur mit einem Schulterzucken zur Kenntnis: Über die Unordnung lacht der Richter, für das Anschreiben an die Kunden droht er aber mit einer Haftstrafe, da dieses den Tatbestand der Üblen Nachrede erfüllen kann.


Die Datengrundlage muss also, auch wenn es in der Situation sehr schwer fällt, emotionslos erstellt werden: Nicht Sie werten den Sachverhalt, sondern ein Jurist.





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