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27. Max Heine70
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Als Heine in Bonn studierte, trug er gewöhnlich einen Studentenrock von schwarzem Samt. Da der Rock ziemlich abgetragen war, so bestellte er bei seinem Schneider einen neuen Rock vom schönsten blauen Samt, und versprach seinem täglich kommenden Barbier seinen alten, welcher beständig im Vorzimmer an einem Nagel hing. Der Schneider brachte zur bestimmten Zeit den neuen schönen Rock und hing denselben an dem Nagel im Vorzimmer auf, von dem zufällig der alte Rock weggenommen war. Als Heine bald darauf rasiert wurde, sagte er dem weggehenden Barbier: „Heute können Sie den Rock draußen mitnehmen.“ Der Barbier dankte aufs verbindlichste, empfahl sich und nahm aus dem Vorzimmer den schönen neuen Rock mit.
Heine kleidete sich nun an, um in seinem schönen neuen Samtrocke spazierenzugehen, wozu ihn ein eintretender Freund einlud. Wie erschrak er, als sein neuer Rock weg war; er sagte aber nichts weiter als: „Hat der Barbier Glück!“ und zog den alten an.
Späterhin in seinem Leben, so oft von einem Menschen die Rede war, der sehr viel Glück hatte, sagte er nichts weiter als: „Hat das Barbierchen Glück!“ und erzählte dann ganz gemütlich, wie er seinen alten Samtrock und sein Barbier den neuen behalten hat.
[Strodtmann (I, 681) zweifelt diese Anekdote an, da Heine, nach dem Zeugnis von Neunzig, Steinmann und andern, nie einen altdeutschen Studentenrock getragen habe. Aber auch Maria Embden-Heine berichtet den Vorfall und fügt noch hinzu, daß seitdem die Redensart: „Hat das Barbierchen Glück gehabt!“ in der Familie sprichwörtlich geworden sei. Von Neunzig erfuhr Strodtmann einen andern, alltäglicheren Vorfall, der wohl jener Anekdote zugrunde liegt: „Eines Morgens ward Neunzig von einem Landsmanne aufgesucht, der um eine kleine Wegzehrung bat und dann auch nach Heines Wohnung frug. Neunzig zeigte ihm das Haus. Nachmittags kam Heine in sehr aufgeregter Stimmung hinüber und erzählte, sein Hauswirt habe einen fremden Menschen, den er für einen Studenten angesehn, in sein Zimmer gelassen, und dieser habe ihm seinen neuen Rock gestohlen. Der satirische Zug verschwand dabei nicht, er verzog sich vielmehr zu einem höhnischen Grinsen.“ Wenn der Pseudostudent seines Handwerks Barbier war, bestände wenigstens der traditionelle Familienscherz zu Recht.]