Читать книгу Gespräche mit Heine - Heinrich Hubert Houben - Страница 39
35. F. W. Gubitz11
ОглавлениеApril/Mai 1821
An einem Tage des zweiten Vierteljahrs 1821 stand ein junger Mann vor mir, fragend: ob ich Gedichte von ihm aufnehmen wolle, und ich empfing schön geschriebene „Poetische Ausstellungen“.
Da ich ehemals die mir oft und wahrscheinlich gebührend als Vernachlässigung angerechnete Gewohnheit hatte, Fremde, die ihren Namen im Gespräch nicht voranschickten, danach ungefragt zu lassen, sah ich nach der Unterschrift und las: „H. Heine“.
Auf meinen Wink hatte er sich gesetzt, und da er das Wenden seiner Handschrift bemerkte, sagte er: „Ich bin Ihnen völlig unbekannt, will aber durch Sie bekannt werden.“ Ich lachte, erwiderte: „Wenn’s geht, recht gern!“ und las dann lautlos etliche Verse. Heine selbst brachte mir mehrmals diese erste wortkarge Zusammenkunft in Erinnerung, und wie ich endlich nur noch geäußert hätte: „Kommen Sie gefälligst nächsten Sonntag wieder!“ – Begreiflich konnte ich nur wenige Verse gelesen haben, es waren folgende, das Gedicht: „Der Kirchhof“ beginnend:
„Ich kam von meiner Herrin Haus
Und wandelt’ in Wahnsinn und Mitternachtsgraus.
Und wie ich am Kirchhof vorübergehn will,
Da winken die Gräber ernst und still.
Da winkt’s von des Spielmanns Leichenstein;
Das war der flimmernde Mondenschein.
Da lispelt’s: Lieb’ Bruder, ich komme gleich!
Da steigt’s aus dem Grabe nebelbleich.“
In dem Dichter denke man sich eine von schlottriger Kleidung umhüllte, krankhaft schlanke Gestalt mit blassem, abgemagertem Antlitz, dem Spuren zu frühzeitiger Genüsse nicht mangelten, und man wird es natürlich finden, daß jene Verse und der Eindruck des Persönlichen dem mir Fremden etwas Unheimliches anwehten. Unverkennbar ward mir aber, nachdem ich weiterlas, sein Dichtervermögen, und als Heine wiederkam, erklärte ich mich bedingungsweise zur Aufnahme des Beitrags bereit. In seinen ersten handschriftlichen Gedichten hatte er eine solche Menge von Häkchen an den selbst- und mitlautenden Buchstaben der Worte, und gebrauchte falsche Reime so allbequem, daß ich meinte: er könne die mir gegebenen fünf Gedichte in dieser Beziehung wohl nochmals prüfen. Er entgegnete: das sei alles dem Volkston gemäß, was ich nicht bestritt, aber noch bemerkte: daß ich nur hinweise auf übertriebene Anwendung solcher Herkömmlichkeiten, wenn sie dem Geläufigen eher hinderlich statt fördernd wären. Außerdem verhehlte ich ihm nicht: er sei in dem Gedicht: „Die Brautnacht“ so zügellos mit der Sitte umgegangen, daß manche Zensurlücke unvermeidlich, ich aber den Abdruck verweigern würde, wenn er nicht ein paar Stellen reinigen wolle. Zu nochmaligem Prüfen war er bereit, ich bin überzeugt, nicht mit dem freiesten Entschluß, doch änderte er sehr gewandt. Die ersten fünf [sic!] Gedichte (I. Der Kirchhof. II. Die Minnesänger. III. Gespräche auf der Paderborner Heide. IV. Zwei Sonette an einen Freund) erschienen im Mai 1821. „Die Brautnacht“ folgte erst einen Monat später, weil ich das Veröffentlichen wiederholt verweigern mußte, ehe Heine meine Ansicht befriedigte. Dergleichen hat sich später nur noch ein paarmal zwischen uns ereignet, und ich erzählte dies voraus, weil es den, von Heine erfundenen... Ausdruck „Gubitzen“ erklärt. Mir blieb indes die Genugtuung, daß er auch in seinen Schriften die Gedichte, bei denen er dem „Gubitzen“ nachgab, völlig so abdrucken ließ, wie der „Gesellschafter“ sie in die Lesewelt eingeführt hatte...
Das zweite, was Heine mir brachte, war der „Sonettenkranz an A. W. v. Schlegel“.