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40. Friederike von Hohenhausen51
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Jeder Dienstag führte dort [im Hause der Dichterin Elise von Hohenhausen] die genügsamen Berliner bei einer Tasse Tee zusammen. Viele literarische Notabilitäten waren darunter:Varnhagen, mit den feinen, aristokratischen Mienen; Chamisso, dem das lange, graue Lockenhaar phantastisch um das magere, aber edle Gesicht wallte; Eduard Gans, dessen auffallend schöner Kopf mit dem frischen Kolorit, den stolz gewölbten Brauen über den dunklen Augen, an einen geistigen Antinous erinnerte; Bendavid, der liebenswürdige Philosoph und Schüler von Moses Mendelssohn, übersprudelnd von Witz und köstlich erzählten Anekdoten. Dann damals noch junger Nachwuchs, jetzt lauter Männer in grauen Haaren und hohen Würden: der Maler Wilhelm Hensel, jetzt Professor; Leopold von Ledebur, damals ein studierender Leutnant, jetzt ein bekannter Historiograph und Direktor der Kunstkammer im Berliner Museum; der Dichter Apollonius von Maltitz, jetzt russischer Gesandter in Weimar; Graf Georg Blankensee, der ritterliche Sänger und Epigone Byrons, jetzt Mitglied der Ersten Kammer, usw. Unter den Frauen nahm Rahel natürlich den ersten Platz ein; neben ihr blühte damals ihre wunderschöne Schwägerin, Friederike Robert, Heines angebetete Muse... Amalie v. Helwig, geb. v. Imhoff, die Übersetzerin der Frithjofsage; Helmina v. Chezy, die fahrende Meistersängerin jener Zeit, gehörten nebst noch vielen geistreichen Frauen aus der höheren Berliner Gesellschaft, z. B. Frau v. Bardeleben, die Freundin Raumers, Frau v. Waldow, jetzt die Schwiegermutter A. v. Sternbergs, zu diesem Kreise. Heine las dort sein eben erschienenes „Lyrisches Intermezzo“, seinen „Ratcliff“ und „Almansor“ vor. Er mußte sich manche Ausstellung, manchen Tadel gefallen lassen, namentlich erfuhr er häufig einige Persiflage über seine poetische Sentimentalität, die wenige Jahre später ihm so warme Sympathie in den Herzen der Jugend erweckt hat. Ein Gedicht mit dem Schlusse: „Und laut aufweinend stürz’ ich mich zu ihren süßen Füßen“ fand eine so lachende Opposition, daß er es nicht zum Druck gelangen ließ. Die Meinungen über sein Talent waren noch sehr geteilt, die wenigsten hatten eine Ahnung von seinem dereinstigen unbestrittenen Dichterruhme. Elise von Hohenhausen, welche damals mit ihren Übersetzungen des gefeierten Briten, Lord Byron, beschäftigt war, proklamierte ihn zuerst als dessen Nachfolger in Deutschland, fand aber viel Widerspruch; bei Heine jedoch sicherte ihr diese Anerkennung eine unvergängliche Dankbarkeit.
[Auch hier schreibt die Tochter hauptsächlich die Erinnerungen ihrer Mutter. Das Gedicht „Allnächtlich im Traume seh’ ich dich“ mit den oben erwähnten Schlußzeilen war schon am 9. Oktober 1822 im „Gesellschafter“ erschienen und wurde dann in das „Lyrische Intermezzo“ aufgenommen; Heine hat es also keineswegs unterdrückt.]