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57. A. J. Becher176
ОглавлениеAnfang 1823
[Mitteilung Bechers an Nikolaus Lenau:] Immermann, Heine und Grabbe waren in Berlin zusammen. Die letzteren beiden rieben sich häufig aneinander. Grabbe behielt aber an Witz und Derbheit immer die Oberhand. Eines Abends hatte Grabbe Heinen besonders glücklich niedergekämpft, so daß dieser keinen anderen Ausweg mehr fand als die Drohung, er werde sich mit der Feder rächen. Da packte der kräftige Grabbe das Männchen, drückte es an die Wand, hielt ihm sein blankes Messer vor die Augen und schrie: „Wenn du es wagst, je ein Wort des Schimpfes über mich drucken zu lassen, so komme ich dir nach, wo du auch seist, und fasse dich, wie ich dich jetzt habe, und schlachte dich ab wie ein Huhn!“
[Dieser Drohung schrieb Lenau, der die Anekdote seinem Freunde Max Löwenthal am 31. März 1841 aus dem Munde des Londoner Musikprofessors Becher erzählte, es zu, daß Heine zwar über alle deutschen Schriftsteller, mit Ausnahme seines Freundes Immermann, schimpfe, aber Grabbe nirgends erwähne. Immermann kann der obigen Szene nicht beigewohnt haben, er war in Münster, und Heine lernte ihn erst April 1824 in Magdeburg kennen, erwartete ihn allerdings Ende 1822 in Berlin (vgl. seinen Brief an Immermann vom 24. Dezember 1822) und pries ihn allenthalben. Den Dichter des „Gothland“ hat Heine tatsächlich nur in den „Elementargeistern“ (1835/37) als „genialen Schriftsteller“ und, schon zurückhaltender, in „Shakespeares Mädchen und Frauen“ (1839) als „höchst begabten“ Autor zweimal flüchtig erwähnt; eine Charakteristik Grabbes plante er 1837 (Brief an Lewald vom 10. April), gab sie aber wieder auf. Sonst nennt er ihn nur in den „Memoiren“, auch in Briefen und Gesprächen stets mit großer Achtung (vgl. das Register), und später (Brief an Campe vom 31. März 1852) bereute er sehr, daß er nie über „die vier großen dramatischen Dichter“ Grabbe, Immermann, Kleist und Oehlenschläger ausführlicher gesprochen habe. – Auf einen Zusammenstoß mit Heine macht Grabbe in spätern Briefen mehrere Anspielungen; am 18. Februar 1835 an Immermann: „... Sie meinen es gut mit mir ... aber gegen einen solchen Juden [wie den Dr. Martin Runkel] könnt’ ich wieder der alte Adam mit der Erbsünde werden, wie einmal gegen Heine“, und im August 1835 an Schreiner: „Daß man von dem Heine schwätzt, dem Fetzen von Byron, und den ich über die Treppe schmiß. Der Kerl ist zu dünn, zu mager und zu häßlich. Daher seine Sentimentalität, mit der er kein Mädchen berühren darf, sondern nur Satiren drechselt.“ Dies Zeugnis der Enthaltsamkeit, daß er „nie Weiber genossen“ habe, stellt Grabbe auch an anderer Stelle Heinen aus. – Aus dem Kreise Lenaus mag dann Heinrich Laube, als er im Sommer 1833 in Wien war, das gehört haben, was er in seinen „Neuen Reisenovellen“ (1837. Band I, S. 356ff.) andeutet: daß Heine einmal in dem Café Stehely in Berlin „von der rohen Lebensart Grabbes mißhandelt“ worden sei.]