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51. Hermann Schiff194

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Winter 1822/23

Es war in meinem zweiten Semester, als Heines Gedicht: „Mir träumt’: ich bin der liebe Gott“, im „Westteutschen Musenalmanach für das Jahr 1823“ erschien. Ein Berliner Blatt hatte dasselbe nachgedruckt, und es lag in der Jostyschen Konditorei auf, die besonders von Offizieren frequentiert wurde. Wir „Flotten“ ermangelten nicht, den auf die „Lieutenants und die Fähnderichs“ gemünzten Passus laut zu besprechen. Die anwesenden Offiziere nahmen indes, verständiger als wir, keine Notiz von unsern mutwilligen Bemerkungen. Heine glaubte jedoch, irgendeinen Akt der Rache von ihrer Seite befürchten zu müssen, und wünschte sein Logis zu verändern. Ich bewohnte damals Unter den Linden im Schlesingerschen Hause, unfern dem Palais des Prinzen Wilhelm, eine geräumige Dachstube, hinter der sich ein kleineres, für den Augenblick leerstehendes Zimmer befand. Heine bezog dasselbe, und es war ihm ganz recht, daß jeder, der zu ihm wollte, mein Zimmer passieren mußte, wo ich ihn vor unangenehmen Besuchern verleugnen konnte. Nur die Wanduhr bat er mich gleich zu hemmen; denn er litt an nervösen Kopfschmerzen, und der Pendelschlag war ihm störend. Einige Tage ging alles vortrefflich, und Heine war mit der neuen Wohnung durchaus zufrieden. Nun gab es aber für Studenten, welche einen Streit miteinander abzumachen hatten, nicht leicht ein gelegeneres Lokal, als das meine, welches durch drei ansehnliche Treppen von der Straße getrénnt war. Sollte ein Duell ausgefochten werden, so stellten wir einen Posten aus, der Unter den Linden auf und ab patrouillierte, damit kein Pedell uns in flagranti ertappe. Ehe solch ein unwillkommener Gast bis zu uns hinaufdringen konnte, waren wir längst avertiert, und hatten die scharfen Waffen und Binden bei unserm Mietswirt untergebracht, wo der Pedell – dank unserer eximierten akademischen Gerichtsbarkeit – nichts zu suchen hatte. Ich hielt es für meine Pflicht, Heine zu benachrichtigen, daß nachmittags auf meiner Stube etwas vorfallen würde, was nicht ohne Geräusch ins Werk zu setzen sei. „Wie lange wird es dauern?“ frug er verdrießlich. – „Ein paar Stunden wenigstens.“ – „Ich will nicht dabei sein.“ – „Wir sind aber ganz sicher.“ – „Und ich bin noch sicherer, wenn ich nichts damit zu schaffen habe.“ Er ging aus. Die Sache lief ziemlich unschuldig ab. Eine Stirnwunde von anderthalb Zoll, inklusive des gestreiften linken Augenlides war alles, was herauskam. Des Nähens bedurfte es nicht; Heftpflaster genügte. Die scharfen Waffen wurden beseitigt, Rock und Weste wieder angezogen, und wir amüsierten uns jetzt mit stumpfen Schlägern. Der Fechtboden war längst geschlossen, ich war gut geschult, und man schlug gerne mit mir. Heine, der sich über alles burschikose Treiben lustig machte, sagte mir einmal mit selbstgefälligem Spotte: „Nur aus Feigheit hast du fechten gelernt. Courage hast du so wenig wie ich.“ Als wir mitten im besten Schlagen waren, kam er nach Hause, grüßte nach Burschensitte, ohne den Hut zu ziehen und ging still auf sein Zimmer. Ich trat augenblicklich ab, um ihm zu folgen. „Wie lange dauert diese Wirtschaft?“ frug er ungehalten. – „Nur ein paar Gänge noch. Man würde es dir und mir verdenken, wenn ich sofort das Pauken einstellte.“ – „Wer ist das?“ frug man, als ich zurückkam. „Ein Philister?“ – „Ein alter Bursch, der Dichter Heine und mein Vetter. Mit einem andern möchte ich so nicht zusammenwohnen, daß er und jeder, der ihn besuchen will, mein Zimmer passieren muß.“ – „Warum hast du uns nichts davon gesagt?“ – „Er wohnt hier erst seit wenigen Tagen.“ – „Gleichviel, wir haben nicht bei ihm angefragt und müssen uns bei ihm entschuldigen.“ Einige gingen zu ihm hinüber, und Heine war, wie immer, vornehm und artig. Dennoch sah er sich durch diesen Vorfall gemüßigt, folgenden Tages von mir fortzuziehen und in sein altes Logis zurückzukehren. Sein Umgang war nicht der meine, und mein Umgang noch viel weniger der seine. Das habitare in unum konnte uns weder dulce noch jucundum sein; indes blieben wir die besten Freunde.

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