Читать книгу Der Ruf des Nordens. Abenteuer und Heldentum der Nordpolfahrer - Heinrich Hubert Houben - Страница 10
Das Goldland im Norden
Оглавление„Es haben sich vil hohe vnd berümbte personen für der Zeit vnterstanden / Lender vnnd theil der Welt / welche vnsern Vorfaren vnbekandt vnd verborgen / zusuchen vnnd zuerfinden / haben auch dadurch große ehr vnnd einen ewigen namen bekommen / vnter welche billich der Haubtman Martin Forbisher gerechnet wirdt / denn er nicht weniger lob / als die andern / erlangt hat. Dieser Haubtman / seiner geburt ein Engellender / von hohen subtilen sinnen / keck vnnd unverzagt / begirig seinem Vatterland zu dienen / vnd dadurch einen namen zubekommen / hatt bey jm im jar 1577 beschlossen / so weit er möcht gegen Mitternacht zu schiffen / vnd in solche Lender / darein vor jm niemand kommen were ...
Als er nun bey sich beschlossen / sein heil ... zuversuchen vnd was er jm einmal fürgesetzet / zu einem ende zu bringen / hat er diss sein fürhaben für die Königin gebracht / vnnd daneben angezeigt / mit was großer gelegenheit jrer May. Vnterthanen / in dise weitentlegene Lender handthieren / auch durch was mittel vnd weg solches geschehen / vnd was großer nutz darauss folgen vnd entspringen könne. Solches desto gewisser zu erfaren / hat jre May. befolhen / man solte disem unserm Haubtmann ein Schiff von 150. Tonnen / vnd zwo Barken vntergeben / auch solche mit Munition vnnd Prouiant auff ein halb Jar wol versehen / hat jm auch von Adel / Kriegs vnnd Schiffleuten 140 Personen zugeordnet / vnd jm darneben befelch gethan / er solte seinen vorigen weg wider fürnemen / vnd weiter als zuuor sich wagen. Disem befelch nach sein wir zu Blakewal / so bey zweyen meyl von London gelegen / den 26. Maij des 1577. Jars zu Schiff gangen. / “
Dies ist der Anfang einer alten Historia von dem edlen Herrn Frobisher — so ist der richtige Name — in England, einem Schiffsleutnant und abenteuerlustigen Gesellen, der die Schriften und Karten der beiden Cabots fleißig studiert hatte und ihren Spuren zu folgen beschloß. Im Sommer 1576 war er zum erstenmal mit zwei kleinen Barken „Michael“ und „Gabriel“ und einer Pinasse auf dem Weg nach Nordwesten, um dort sein Glück zu versuchen. Am 11. Juli erreichte er schneebedecktes Land, die Südspitze Grönlands. Hier ging die Pinasse bei einem schweren Sturm mit Mann und Maus unter. Darüber war die Mannschaft des „Michael“ so entsetzt, daß sie schleunigst nach England zurückkehrte.
Frobisher aber ließ sich nicht zurückschrecken, sondern segelte auf seinem vom Sturm arg mitgenommenen „Gabriel“ weiter nach Nordwesten und drang bis zum 63. Breitengrad vor, höher hinauf, als die Cabots gekommen waren. Im Westen entdeckte er eine felsige Küste, in die ein Meeresarm einschnitt. Anfangs war er von Eis verstopft, später trieben die Schollen auseinander, und Frobisher konnte mehrere Tage westwärts segeln. Die Strömung schien aus Westen zu kommen, geradeswegs vom Stillen Ozean, wie er glaubte; die Nordwestdurchfahrt nach China und Indien war also gefunden. Mit dieser vorschnellen Feststellung begnügte er sich und kehrte um. Das Schiff in die Nähe der Küste zu bringen war infolge der Eisbarriere unmöglich; er sandte daher ein Boot mit etlichen Leuten aus, um dieses Neuland für England in Besitz zu nehmen und des zum Zeichen etwas Lebendiges oder Totes von dort mitzubringen. Die Matrosen fanden an der felsigen, völlig öden Küste nichts als winzige Blumen und Kräuter und einige gelbgeäderte Steine. Als aber Frobisher, um eine Karte aufzunehmen, am Eisrand entlang ruderte, kamen „lebende Wesen“ ans Ufer; erst hielt der Engländer sie für Seehunde, bis ihm klar wurde, daß er Menschen in Fellkleidern vor sich habe. Frobisher sah also zum erstenmal die nordischen „Wilden“, Eskimos, denn die Skrälinger der Normannen waren im Lauf der Jahrhunderte völlig in Vergessenheit geraten. Auch Renntiere lernten die Europäer hier zuerst kennen. Mit Hilfe der Zeichensprache kam eine Art Tauschhandel zustande, daraus ergab sich ein Streit, und die englischen „Seehähne“ werden nicht eben viel Federlesens mit den Eingeborenen gemacht haben. Eines Tages verschwand das Boot mit fünf Mann Besatzung spurlos. Frobisher sah darin eine Rache der „Wilden“ und raubte seinerseits einen Eskimo, den er mit nach England nahm.
Mit günstigem Wind kehrte der „Gabriel“ nach London zurück, wo man ihn längst verlorengegeben hatte. Um so größeres Aufsehen machte nun Frobishers Bericht von der Meeresstraße nach China und den neuentdeckten Ländern; der Wilde aus dem Norden wurde angestaunt, am meisten Eindruck aber machte der gelbgeäderte Stein. Die Alchimisten, die am Hof der Königin Elisabeth ebenso ihr Wesen trieben wie im übrigen damaligen Europa, flüsterten geheimnisvoll und wollten eine schwere Menge Gold in den Kieseln entdeckt haben. Zweifler wurden zur Ruhe verwiesen, denn was der Golddurst wünscht, glaubt er gern. Elisabeth und ihr Hof träumten nur noch von dem Goldlande hoch oben im eisigen Norden; um es mit einem Schleier des Geheimnisses zu umgeben, benannte man es Meta incognita, unbekanntes Grenzland. Die Königin ernannte Frobisher zum Oberadmiral aller Meere und Länder, die er noch entdecken werde, und versprach ihm, seinen Kindern und Kindeskindern ein Prozent von allen dort gefundenen Reichtümern. Unter ihrem mächtigen Protektorat konnte Frobisher im nächsten Jahr zum zweitenmal mit seinen beiden Brigantinen und einem größern Schiff, der „Ayde“, in See stechen. Diesmal zählte seine Mannschaft 140 Köpfe; Bergleute und Münzsachverständige waren gleich mit darunter.
Treuherzig erzählt der Chronist, wie überrascht die Leute waren, im Heu- und Brachmonat statt Blumenduft und Vogelgesang nichts als Eis und Schnee zu finden. „Dreyer gantzer Tage drehete der Haubtmann mit seinem Schifflein“, denn Meta incognita war von einer gewaltigen Eismauer umgeben. Mit den zwei kleinen Brigantinen brach sich Frobisher endlich Bahn, während die „Ayde“ auf dem offenen Meer mit heftigen Stürmen zu kämpfen hatte. Die nackten Berge waren mit tiefem Schnee bedeckt, die Felsen an ihren Abhängen und an der Küste schienen wie von einem Erdbeben wild aufgetürmt, und die „Eisschrollen“ rings im Meer machten den Steuermännern viel zu schaffen. Schließlich bekamen die Engländer auch etliche Eskimos zu Gesicht, „so da mit wunderlichen springen vnnd tantzen / auch geschrey / sich gegen uns erzeigeten / vber welchen wir vns alle hefftig verwundert haben / Unser Oberster hat sich / so vil jm müglich / beflissen / solche zu sich zu locken/ hat sich auch auff das freundlichste gegen ihnen gestellet / als er nur erdencken hat mögen / hat jnen auch etliche Messer vnd ander Kinderwerck verehret. Aber sie sind so mißtrawig / verschmitzt vnnd listig / daß sie nichts von vns haben wöllen annemen / sonder durch zeichen haben sie zuuerstehen geben / wir solten / was wir jnen geben wollten / auff das Land legen / welches von vns geschehen / vnd haben sie es bald abgeholet / vnnd andere ding von jren wahren dargegen hingelegt / auff andere weg haben sie vns nicht trawen wollen. Letzlich sein jrer zwen auss jnen / als sie jre Waffen von sich geleget / zu vnserm Obersten genahet / welcher desgleichen getan / vnd ausstrücklich befolhen / es solte sonst keiner sich regen. Darauff ist er stracks zu jnen gangen / sich gar freundlich gegen jnen erzeiget / der hoffnung er wolte also einen ergreiffen / aber sie haben nicht harren wollen / sondern sein zuruck geloffen / vnnd also dauon kommen / haben auch jre Bogen wider zu henden genommen / solche gespannet / auff vnsern Obersten geschossen / sich auch für den vnsern so nahe dabey jnen zu begegnen hielten / gar nichts entsetzet / aber gleichwol haben sie nicht so wol auff jre schantz sehen mögen / daß wir nicht zwen auss jnen ergriffen haben / derer einer vns wider entworden / der ander ist unser Gefangner bliben / vnd sein jrer vil verwundt worden.“
Mit der „Freundlichkeit“ der fremden Eroberer war es also nicht eben weit her, und die Eingeborenen wußten wohl, warum sie sich nicht herantrauten.
Am 20. Juli endlich gelang es, auch das große Schiff, nachdem es ein Stück die Frobisher-Straße hinaufgefahren war, nahe am Ufer festzumachen. Die Bemannung schleppte von dem Goldgestein soviel zusammen, wie die Schiffe nur fassen konnten. Frobisher lag sehr daran, über den Verbleib der im Vorjahr verschollenen fünf Matrosen etwas zu erfahren; aber die Eskimos rissen aus, sobald sie nur die Engländer von weitem sahen. Das ärgerte Frobisher, er sah darin böswillige Verstocktheit der Wilden gegen die Bringer der europäischen Kultur, vielleicht auch einen Beweis bösen Gewissens wegen der fünf verschollenen Matrosen. Deshalb versuchte er sein Ziel mit Gewalt zu erreichen, wie der Chronist berichtet:
„Disen tag / als wir vns miteinander berathschlaget / haben wir geschlossen auff allerley weg zuuersuchen / ob wir diss wilde Volck mit guten worten bereden / oder ja etliche fangen möchten / von jnen etwas von den vnsern / die wir das vorige Jar verloren / zu erfaren. Wie wir nun derhalben wider an das ort gekommen / da wir zuuor die Hütten gefunden / werden wir als bald gewar / das solche hinweg / vnnd an ein anders ort auff eine spitze am Gestatte / so zimlich weit inn das Meer sich erstreckete / auffgeschlagen sein / der vrsach / so man jnen zuwolte / das sie auff jren Schifflein geschwind sich köndten dauon machen. Wie wir solches gesehen / haben wir vnsere Leut inn zwen hauffen getheilet / vnd als wir den Berg / darauff sie sich gelagert / vmbgeben hatten / ware vnsere meinung / sie vnuersehens zuüberfallen. Aber so bald sie vnser gewar wurden / sein sie geschwind jren Schifflein zugeeylet / auch in der eyl jre Ruder fast alle dahinden gelassen / vnnd sein also an diser seitte hergeschiffet / da sie vnsere Brigantin angetroffen / vnnd zu Land getriben haben / welches / so sie jre Ruder alle gehabt / nit geschehen were / vnd hette man nur die zeit jnen nachzufolgen verloren / so geschwind sein sie. Nachdem sie nun zu Land getriben / haben sie inn die vnsern / mit jren Bogen / mit gewalt gesetzet / aber wir haben jrer vil mit unserm geschoss verwundt. Als sie nun gesehen / das sie also empfangen vnd verwundt wurden / haben sie sich von der höhe inn das Meer gestürtzet vnd erseufft ... Die andern / als sie jre gesellen inn solcher angst sahen / sein auff das Gebirg dauon geflohen / bey jnen waren zwey Weiber / welche so geschwind / wie die andern / nicht lauffen kondten / solche haben bezalen müssen / die eine war gar ein altes Weib / die andere trug ein Kind / darumb sie den iren nicht hatte folgen mögen. Dise alte war so hesslich vnd vngestalt / das wir für jr erschracken / vnd hielten es die vnsern dafür / es were ein alte Zauberin / derhalben liessen wir sie wider lauffen / vnnd behielten die junge / sampt jrem Kind / dises ort nenneten wir Blondiponit / das ist / die Blutige spitze.“
Nach diesem Raubzug war natürlich die Freundschaft mit den Eskimos vollends verscherzt.
Von den 140 Mann Besatzung sollten sich, das war der Wunsch der Königin Elisabeth, einige in dem neueroberten Goldland ansiedeln, und von Frobisher erwartete sie, daß er nun stracks nach China fahren werde. Nachdem aber der Oberadmiral von Meta incognita 200 Tonnen Erz in seinen Schiffen verstaut hatte, dazu eine ganze Eskimofamilie mit Hab und Gut, sagte er sich, daß damit des Guten für diesmal genug sei, und fuhr nach Hause. Er wurde auch mit großem Jubel empfangen; die Königin selbst begrüßte die schwerbeladenen Schiffe, und die gefangenen Eskimos machten „vil kurztweill vnnd gelechter“, besonders ihre Fellbekleidung, die hinten in einem breiten Schwanz endete, bei Männern wie bei Frauen. Spätere Schilderungen wissen von dieser Tracht nichts mehr, die Mode scheint also auch im Norden sich gewandelt zu haben. Die Zelte aber, die Waffen und vor allem die kleinen schmalen Fellboote, die Kajaks, erregten bei den englischen Sportsleuten große Bewunderung. Im übrigen hielt man die Eskimos für Menschenfresser, weil sie rohes Fleisch aßen und das Blut getöteter Tiere tranken. Die Gefangenen starben schon nach kurzer Zeit; das milde Klima tötete sie.
Der Goldschatz wurde in die königliche Münze geschafft, aber man verlangte nur immer nach mehr. Also wurde Frobisher im nächsten Jahr zu einem dritten Beutezug ausgeschickt. Diesmal ging eine Armada von 17 Schiffen nach Meta incognita ab, auf der Rückkehr aber wurde sie mit ihrer kostbaren Last durch einen furchtbaren Sturm völlig zerstreut; nach langen Irrfahrten landeten die Schiffe, das eine hier, das andere dort, in einem englischen Hafen. Auf diese Weise bekamen auch andere Leute als die königliche Schatzkommission die geheimnisvollen Golderze zu Gesicht, und plötzlich wußte jedermann, daß keine Spur von Gold darin zu finden war. Die ganzen Schiffsladungen erwiesen sich als wertloses Felsgestein, das man mit großen Opfern und unter nicht geringern Gefahren nach England geschleppt hatte. Einige Jahre später fielen, wie schon erzählt, die Holländer unter Barents derselben Täuschung zum Opfer.
Frobishers Reisen nach dem Norden waren damit zu Ende.