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Infrastrukturelle Investitionen
ОглавлениеAnja Buschow und Werner Oechslin streichen die Bedeutung der Firma Benziger für die bauliche Entwicklung des Dorfs zwischen 1850 und 1914 heraus, als eine «Entwicklung vom Dorf zum sich städtisch gebenden Flecken» stattgefunden habe.189 Die Firmen Benziger und Eberle seien der «Motor des baulichen Aufschwungs» gewesen. Von der Bautätigkeit der Firma Benziger sei «die ganze Entwicklung der Architektur des Dorfs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts» ausgegangen.190 Doch reichte der Einfluss der Firma Benziger über die architektonische Entwicklung hinaus. So wurden die ersten Gasleitungen von Privathäusern Ende des 19. Jahrhunderts von der Firma Benziger errichtet und mit Gas aus dem eigenen Gaswerk gespiesen, das 1876 errichtet worden war.191 Das erste öffentliche Gaswerk errichtete der Bezirk erst in den Jahren 1909/10.192 Ab 1889 besass die Firma Benziger eine eigene Telefonanlage mit Anschlüssen in Einsiedeln, Euthal und Gross, die auch das Postbüro benutzte. Ein öffentliches Telefonbüro wurde in Einsiedeln erst 1895 eingerichtet.193
Auch bei einem 1893 in Einsiedeln errichteten und heute noch bestehenden Panorama («Kreuzigung Christi») stand die Firma Benziger am Ursprung. 1886 hatte ein Panoramagemälde der Kreuzigungsszene des Malers Bruno Piglhein in München für Aufsehen gesorgt. Die Firma Eckstein & Esenwein aus Backnang in Württemberg, die auf die Herstellung von Panoramen spezialisiert war, gelangte einige Jahre später an die Firma Benziger. Sie hoffte, in Einsiedeln eine Kopie des Panoramas von Piglhein zeigen zu können, und stiess beim Verlag auf offene Ohren. Benziger stellte das Bauland für das Panoramagebäude zur Verfügung, übernahm den Betrieb und die Verwaltung und sicherte sich vertraglich 15 Prozent der zu erwartenden Nettoeinnahmen. Im Sommer 1893 konnte das Panorama eröffnet werden und war ein grosser Erfolg. In den ersten Betriebsjahren wurden jeweils über 30 000 Besucher gezählt.194
Das wichtigste infrastrukturelle Projekt, an dem sich die Firma Benziger beteiligte, war aber die Eisenbahnlinie von Wädenswil am Zürichsee nach Einsiedeln. Zum zehnköpfigen Komitee, das die Bezirksversammlung 1870 wählte und das Projekt ausarbeiten sollte, gehörten auch Adelrich B.-Koch sowie Nikolaus B.-Benziger II. Nikolaus Benziger war zudem Verwaltungsrat der ein Jahr später gegründeten Aktiengesellschaft. Einsiedeln übernahm mit 250 000 Franken ein Drittel des Aktienkapitals, Wädenswil die übrigen zwei Drittel. Interessanterweise beteiligte sich auf der Einsiedler Seite das Kloster, das wohl auf günstige Auswirkungen des Eisenbahnanschlusses auf die Wallfahrt hoffte, mit 50 000 Franken am Aktienkapital, während der Bezirk lediglich 45 000 Franken beisteuerte.195 Beim Bau der Eisenbahnlinie traten schwerwiegende Probleme auf, sodass das Einsiedler Komitee 1875 gezwungen war, noch einmal 375 000 Franken einzuschiessen. Das Kloster beteiligte sich erneut mit 50 000 Franken, weiteres Kapital steuerten der Bezirk, der Kanton sowie Private bei. Eine schliesslich noch offene Finanzierungslücke von weiteren 50 000 Franken übernahm die Firma Benziger.196 Im April 1877 konnte die Wädenswil-Einsiedeln-Bahn eröffnet werden, zu einem Zeitpunkt notabene, als in Wädenswil noch kein Eisenbahnanschluss nach Zürich bestand und der Warentransport zwischen diesen Orten per Schiff auf dem Zürichsee erfolgte. Das Engagement der Firma Benziger beim Eisenbahnbau war nicht zufällig. Der Eisenbahnanschluss lag im eigenen Interesse. Einsiedeln ermangle «der nöthigen Lage an einer Eisenbahn», hatte die Verlagsleitung schon 1866 beklagt.197
Zu erwähnen sind zwei soziale Institutionen, die von der Familie Benziger gegründet wurden. Zum einen die Waisenanstalt Maria-End, die 1869 auf dem «Katzenstrick», einem Hügel wenige Kilometer ausserhalb des Dorfs, errichtet wurde. Gegründet wurde die Anstalt vom Einsiedler Konditor und späteren Regierungsrat Stephan Steinauer, der eine Tochter von Josef Karl B.-Meyer geheiratet hatte. Dem Verwaltungsrat der Stiftungsgesellschaft gehörten mit Martin B.-Dietschy und Nikolaus B.-Benziger II auch zwei Mitglieder der Familie Benziger an. Nach dem Tod des Gründers Steinauer-Benziger im Jahr 1878 setzte sich vor allem Nikolaus B.-Benziger II für die Weiterführung der Anstalt ein. 1884 musste die Waisenanstalt aus finanziellen Gründen geschlossen werden. Die Stiftungsgelder gingen später in die «Stiftungsgesellschaft zur Gründung eines Krankenhauses für den Bezirk Einsiedeln», eine weitere Gründung der Familie Benziger, über.198 Die Krankenhausstiftung wurde 1863 von Josef Karl B.-Meyer zum Andenken an seine zwei Jahre zuvor verstorbene Frau ins Leben gerufen. Zusammen mit seinen drei Söhnen stiftete er ein Anfangskapital von rund 15 000 Franken. Bis 1897 wuchs das Stiftungskapital durch weitere Schenkungen vor allem aus dem Umfeld der Familie Benziger auf über 300 000 Franken an. 1903, vierzig Jahre nach Stiftungsgründung, konnte das Spital Einsiedeln schliesslich eingeweiht werden.199