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Zwei Schlussbemerkungen
ОглавлениеDie Familie Benziger als kapitalstarke Elite hat die Modernisierung Einsiedelns als Geschäftsbesitzerin, politischer Entscheidungsträgerin und private Gönnerin in vielfältiger Weise gefördert. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es kaum ein grösseres Projekt, an dem die Familie Benziger nicht beteiligt war. Mit zwei Bemerkungen möchte ich dieses Kapitel abschliessen. Erstens gilt es festzuhalten, dass sich die verschiedenen Funktionen, in denen Familienmitglieder als Akteure auftraten, nicht scharf voneinander trennen lassen. Sie waren nicht tagsüber Unternehmer, abends Privatleute und zwischendurch Politiker. Sie förderten als Bezirks-, Kantons- und Regierungsräte und als Schulpräsidenten die Volksschule und waren als Arbeitgeber auf solid geschulte Arbeitskräfte angewiesen, sie unterstützten die Einrichtung einer Waisenanstalt für Knaben und zogen diese zum Kolorieren von Andachtsbildern in ihrer Firma heran, sie ermöglichten die Errichtung eines Panoramas, förderten so die Attraktivität Einsiedelns für Pilger und Touristen, die gleichzeitig die Konsumenten ihrer Verlagserzeugnisse waren. Martin B.-Dietschy besuchte 1862 die Weltausstellung in London. Da er nicht nur Leiter der technischen Abteilung des Verlagsgeschäfts, sondern auch Feuerwehrkommandant war, interessierten ihn nicht nur Neuerungen im Druckerwesen, sondern auch eine neuartige, auf beweglichen Rädern angebrachte Feuerspritze, die er dort ausgestellt sah. Im März 1863 erkundigte er sich in Cincinnati, wo die Feuerspritzen offenbar hergestellt wurden, im eigenen Filialgeschäft nach Musterzeichnungen und Katalogen derselben und wollte eine für die Ortsfeuerwehr anschaffen lassen.215
Die zweite Bemerkung betrifft die geografische Ausdehnung der beschriebenen Rückkoppelungseffekte. Die Familie Benziger pflegte einerseits weit verzweigte Kontakte. Nikolaus B.-Benziger II beispielsweise, der von 1883 bis 1905 im Nationalrat und ab 1905 bis zu seinem Tod 1908 im Ständerat und daneben Mitglied in zahlreichen regionalen und nationalen katholischen Vereinen und Vereinigungen war, betätigte sich in fortgeschrittenem Alter als Mäzen mit weit verzweigtem Korrespondentennetz. Zuwendungen erhielten neben nah und weniger nah verwandten Personen etwa der Abt des Klosters in Disentis, das Seraphische Liebeswerk, zahlreiche Geistliche im In- und Ausland, die Direktionen des Vereins der Glaubensverbreitung und des Vereins der heiligen Kindheit, die Oberin der Menzinger Schwestern, das Töchterinstitut Heilig Kreuz in Cham oder der Schweizer Piusverein.216 Andererseits tätigte man ausserhalb Einsiedelns kaum jemals grössere Investitionen. Immer wieder bestanden zwar Pläne dazu, etwa 1877, als man daran dachte, eine Papierfabrik im Kanton Nidwalden zu kaufen217, oder 1882, als Adelrich B.-Koch die Pension Jütz, ein altes Kurgasthaus, in Seewen SZ kaufte und an dieser Stelle ein vom Orden der «Englischen Fräulein»218 geleitetes Töchterinstitut errichten lassen wollte.219 Pläne, die grössere Investitionen ausserhalb der Region Einsiedeln vorsahen, wurden letztlich aber nie realisiert. Das direkte Umfeld in und um Einsiedeln blieb im 19. Jahrhundert stets der wichtigste Bezugsraum.