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Für den Verlag auf Reisen

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Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung und der geografischen Ausdehnung von Märkten waren Geschäftsreisen. Roman Rossfeld und andere Autoren haben in den vergangenen Jahren auf die zunehmende Bedeutung von Handelsreisen im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert hingewiesen.230

In der Firma Benziger nahmen Zahl und Bedeutung von Geschäftsreisen ab den späten 1850er-Jahren sprunghaft zu. Um die Produktion zu steigern und das Absatzgebiet zu vergrössern, waren neben den brieflichen Kontakten auch «face-to-face»-Kontakte zu Lieferanten, Künstlern, Verlegern, Buch- und Kunsthändlern, Pfarrern und Bischöfen ein wichtiger Faktor.

Adelrich B.-Koch (1833–1896) war zwischen 1860 und 1880 zusammen mit zwei Brüdern und drei Cousins Geschäftsinhaber der Firma Benziger. Er stand im Verlag der artistischen und teilweise der technischen Abteilung vor und beschäftigte sich vor allem mit dem Handel von religiösen Bildern sowie den technischen Einrichtungen zur Bildreproduktion. Es ist deshalb kein Zufall, dass ihn seine Geschäftsreisen besonders häufig in die Zentren der zeitgenössischen Reproduktionsgrafik, vor allem nach Paris, München und Stuttgart, führten (Tab. 4, S. 373).231 Ebenso häufig hielt sich Adelrich B.-Koch auch in Lyon auf, wo bedeutende Textilfirmen sowie Produzenten von Kandelabern und anderen Gegenständen, die man für Kirchenausstattungen verwendete, ihren Sitz hatten. Dort tätigte er Einkäufe für die Filialen in den USA, die sich auf den Paramentenhandel und den Import von Kirchenornamenten spezialisiert hatten.

Adelrich B.-Koch wird in der Familiengeschichte als jenes Familienmitglied seiner Generation beschrieben, das am frühesten «die grosse Bedeutung einer staendigen Fuehlungsnahme mit dem grossen Weltgetriebe» erkannt habe.232 Doch auch seine Mitassociés in Einsiedeln und New York reisten ähnlich häufig. Hinsichtlich Reisedestinationen bestanden zwischen den Associés allerdings Unterschiede. Nikolaus B.-Benziger II (1830–1908) beispielsweise, der den literarischen Verlag in Einsiedeln leitete, war öfter im deutschen Sprachraum unterwegs als sein Bruder Adelrich B.-Koch.

In den Quellen nur schwer fassen lässt sich die Reisetätigkeit der Associés in den USA. Belegt sind für Joseph Nicholas Adelrich B.-von Sarnthein (1837–1878; ab 1857 in den amerikanischen Filialen) und Louis B.-Mächler (ab 1860), die zusammen dem Amerikageschäft vorstanden, je drei längere Europareisen zwischen 1862 und 1880. Ab den 1880er-Jahren nahmen die transatlantischen Reisen der Verleger markant zu.233 Die wichtigen Kunden in Europa sollten mindestens alle zwei bis drei Jahre besucht werden, am besten von den Prinzipalen selbst.234 Umgekehrt wurde ein längerer Aufenthalt in den amerikanischen Filialen zunehmend zu einem integralen Bestandteil der Ausbildung der angehenden Prinzipale in Einsiedeln.

Die Verlegerfamilie Benziger bewegte sich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit zwischen den europäischen und amerikanischen Zentren ihrer Zeit. Exemplarisch wollen wir die Biografie von Adelrich B.-Koch etwas genauer betrachten. Sein Vater Nikolaus B.-Benziger I (1808–1864) hatte ihn gezielt auf das Leben als international tätigen Handelsmann und Verleger vorbereitet. Geboren 1833, besuchte Alderich zunächst die Primarschule in Einsiedeln, danach Sekundar- und Kantonsschulen im Kanton St. Gallen, bevor er seine Schulbildung im katholischen Pensionat Devrient in Ouchy am Genfersee abschloss. Mit 19 Jahren trat er 1852 als Lehrling in die Firma des Vaters und des Onkels in Einsiedeln ein. Bereits ein Jahr später wurde er nach New York geschickt, um bei der Errichtung einer Filiale mitzuhelfen und sein Englisch zu verbessern. Vier Jahre später musste er auf Geheiss seines Vaters – und entgegen seinem eigenen Wunsch – nach Einsiedeln zurückkehren. 1858 heiratete er Anna Maria Koch aus Boswil im Kanton Aargau. Sie war eine Institutsfreundin seiner Schwester Ursula Benziger und die Cousine von Pater Albert Kuhn, Konventuale im Kloster Einsiedeln und wichtiger Autor des Benziger Verlags. Zwei Jahre später übernahm Adelrich B.-Koch mit zwei Brüdern und drei Cousins das Verlagsgeschäft aus dem Besitz seines Vaters und seines Onkels als Teilhaber. Als sich 1869 schwelende Konflikte zwischen den Filialen in den USA und dem Muttergeschäft in Einsiedeln immer stärker akzentuierten, hielt er sich ein halbes Jahr in New York und an anderen Orten in den USA auf, um sich einen Überblick über das gewachsene Amerikageschäft zu verschaffen und zwischen Einsiedeln und den Filialen zu vermitteln.

Adelrich B.-Koch galt als Fachmann für kirchliche Kunst sowie für moderne Reproduktionstechnologien. In dieser Funktion war er mehrmals Jurymitglied von nationalen und internationalen Industriemessen, unter anderem an der Weltausstellung 1889 in Paris.235 In den bestehenden Familiengeschichten wird gerne auf die weitläufigen Kontakte verwiesen, über die Adelrich B.-Koch verfügte. Sein Beziehungsnetz ermöglichte ihm den Zugang zu höheren sozialen Kreisen. Die Villa Gutenberg in Brunnen am Vierwaldstättersee, wo Adelrich B.-Koch und seine Familie die Sommer verbrachten, war ein Treffpunkt für Künstler, Literaten und Geistliche von Rang. Der Sommersitz diente der Sommerfrische und der öffentlichen Repräsentation gleichermassen. Marieli Benziger, eine Enkelin von Adelrich B.-Koch, erinnerte sich in ihrer Biografie über ihren Vater August B.-Lytton an die Parkanlage, welche die Villa umgab: «Trees were planted along the mountainside. Some of the pines came from Oregon in America, the maples from Canada and the graceful birches from China. Adelrich had loved the American wild flowers, so seeds were sent from New York.»236 Zu seinen Gästen in Brunnen gehörte im Sommer 1881 auch König Ludwig II. von Bayern, der damals die Zentralschweizer Schauplätze des schillerschen Tell-Dramas besuchte. Adelrich B.-Koch hatte eine gewisse Affinität zu den «grossen Männern» seiner Zeit. Er war stolzer Besitzer eines reich verzierten Säbels, den ihm der Familienüberlieferung zufolge der amerikanische Präsident Abraham Lincoln persönlich geschenkt haben soll.237 In den Quellen belegt sind Audienzen im Weissen Haus in Washington bei Präsident Ulysses S. Grant (1822–1885) im Jahr 1869 sowie sechs Jahre später in Rom bei Papst Pius IX., der ihm für seine Verdienste um die «katholische Sache» im selben Jahr den Ritterorden des heiligen Gregor des Grossen (Gregoriusorden) verlieh.

Die Firma wusste Beziehungen zu einflussreichen Zeitgenossen, wie sie Adelrich B.-Koch, aber auch andere Mitglieder der Verlegerfamilie pflegten, geschickt zu Werbezwecken zu nutzen. Über den Empfang Adelrichs bei Präsident Grant im Weissen Haus beispielsweise liess man über Mittelsleute Artikel in englischsprachigen Zeitungen verfassen. Einige der Associés mahnten aber auch zur Bescheidenheit und kritisierten ein «das gesunde Mass überschreitende[s] Quantum» an «Extravaganz».238

1880 zog sich Adelrich B.-Koch vollständig aus der Firma Benziger zurück und liess sich seinen finanziellen Anteil am Geschäft auszahlen. Fünf Jahre später gründete er in Einsiedeln unter dem Namen «Adelrich Benziger & Co.» in Konkurrenz zur Firma Benziger eine «Anstalt für kirchliche Kunst und Industrie», mit der auch eine Buch- und Kunsthandlung in Einsiedeln sowie ein Zweiggeschäft in Thann im Elsass verbunden waren. Gesundheitliche Probleme zwangen ihn mit fortschreitendem Alter immer wieder zu längeren Kuraufenthalten, etwa in Meran im Südtirol oder in Algiers (Algerien). Wenige Jahre vor seinem Tod unternahm er auch eine Pilgerreise nach Lourdes.239 Adelrich B.-Koch starb 1896 in seinem Wohnhaus in Einsiedeln.

Adelrich B.-Koch und seine Mitassociés in Einsiedeln legten Wert darauf, möglichst viele Geschäftskontakte persönlich wahrzunehmen. Darauf wiesen sie auch ihre jüngeren Associés in den USA in der Briefkorrespondenz immer wieder hin.240 Ein Prinzipal selbst fände bei Kunden weit bessere Aufnahme und erzielte mehr Erfolg als ein angestellter Reisender, die «Provisionen wegfressen» und «wie Schmarotzer viele Säfte aus dem Baume» pressen würden.241

Die häufigen Geschäftsreisen konnten für die Verleger allerdings auch zur Belastung werden. «Einstweilen versichere ich Sie nur, dass mir in meinem Leben noch nichts ekelhafter u. widriger vorkam, als mir jetzt das Reisen geworden ist», schrieb im Dezember 1859 der damals 26-jährige Adelrich B.-Koch aus Prag an seinen Vater und seinen Onkel in Einsiedeln von einer mehrmonatigen Geschäftsreise, die ihn neben Prag auch nach Salzburg, Wien, Berlin, Leipzig, Frankfurt und München führte.242

Klagen der Verleger über die ständige Pflicht zu reisen waren eine Konstante in der geschäftlichen Korrespondenz. Adelrich B.-Koch dachte bereits mit 32 Jahren laut über seinen Ruhestand nach: Ich «wünschte mir für das Geschäft u. für mich, mit 50 Jahren mich zurückziehen zu können. Ich hätte dann 33 Jahre im Geschäfte gearbeitet u. Verdienst gethan […] der ich kaum Theil dieser Zeit mit meiner eigenen Familie verleben konnte.»243

Mit der Ausdehnung des Geschäfts war es den Geschäftsinhabern aber je länger je weniger möglich, alle Geschäftsreisen selbst zu unternehmen. Sie sahen sich dazu gedrängt, wie ihre Konkurrenten professionelle Handelsreisende einzustellen. «Wir sollten unbedingt auch reisen lassen», schrieb Adelrich B.-Koch im Dezember 1859 von einer Geschäftsreise aus Nürnberg an seinen Vater nach Einsiedeln, nachdem er gehört hatte, wie viele Reisende Verlage in Stuttgart oder Berlin beschäftigten.244 Wenig später wurde mit Josef Bopp aus Bayern ein erster Reisender eingestellt, der für die Firma vor allem die südlicheren deutschen Staaten sowie das Kaiserreich Österreich bereiste. Bald folgten weitere Reisende für Preussen und das nördliche Deutschland sowie für Frankreich.245 1892 beschäftigte die Firma Benziger in Einsiedeln sieben Reisende, die Zentral- und Nordamerika, Italien und Südtirol, Elsass-Lothringen, Spanien und Südamerika, Frankreich und Belgien, Württemberg, Bayern und Österreich-Ungarn, Baden, Hessen, Unterfranken sowie das nördliche Deutschland bereisten.246

Das äussere Erscheinungsbild und die Fähigkeit, sich weltgewandt zu präsentieren, waren für Geschäftsreisende entscheidend. Nikolaus B.-Benziger II schrieb im Januar 1867 an seine Associés in den USA: «Ob aber ein schwarzer Zylinder auf dem Kopf nicht auch in America den Leuten Respekt einflösst […] müssen Sie erwägen. In Europa ist es so u. nicht ohne Grund heisst es Kleider machen den Menschen.»247 Bei der Anstellung von Reisenden konnten, wie folgendes Beispiel zeigt, äussere Merkmale gar höher gewichtet werden als kaufmännisches Geschick. Im Dezember 1874 reiste Adelrich B.-Koch nach Lyon und Paris, um einen geeigneten Reisenden für die Firma zu suchen. Seine Auswahl begründet er mit den folgenden Worten: Ein erster Kandidat sei «erster Angestellter von Girard248, ein kleiner Mann v. ca. 24–26 Jahren, sehr intelligent […], scheint bescheiden u. anspruchslos. […] Seine Sprache ist nicht sehr schön, er redet etwas durch die Nase.» Man habe ihm deshalb «einen Mann vorgezogen, der sich etwas besser repräsentirt, aber wahrscheinlich weniger intelligent u. jedenfalls weniger Kaufmann ist».249

Was aber taten die Geschäftsreisenden der Firma Benziger unterwegs? In den Quellen finden sich einige aufschlussreiche Beispiele. Ein Reisender schrieb im Juni 1865 aus Regensburg nach Einsiedeln, er habe gehört, die Firma Pustet in Regensburg plane, in den USA eine Filiale in direkter Konkurrenz zur Firma Benziger zu errichten. Mehrere Angestellte seien daran «eifrig englisch zu lernen». Unter falschem Namen erschlich sich der Reisende darauf Zugang zum Firmengebäude, wo er laut eigener Aussage vom Verlagsleiter Friedrich Pustet (1831–1902) «rasch herumgeführt» wurde und tatsächlich einige Interna zu Gesicht bekam – etwa einen auf dem Schreibtisch des Chefs aufgeschlagenen «Cincinnatier Kalender» aus dem Benziger Verlag, was er als Hinweis darauf deutete, dass auch Pustet Pläne hegte, in den USA einen eigenen Kalender verlegen zu wollen.250

Im Normalfall verliefen die Geschäftsreisen aber wenig spektakulär. Die Reisenden besuchten Papier- und Maschinenfabriken, Kunst- und Buchhandlungen, trafen sich mit Künstlern, Kunsthandwerkern und Literaten und verglichen die Einkaufs- und Produktpreise in verschiedenen Städten und Ländern. Zudem betrieben sie auch eine Art Marktanalyse, indem sie Informationen über regional unterschiedliche Vorlieben der Käuferschaft sammelten.

Wenden wir uns zur weiteren Verdeutlichung nochmals den Geschäftsreisen von Adelrich B.-Koch zu. Was interessierte ihn auf den Reisen? Worüber legte er Notizen an? Im Spätherbst 1859 schrieb er aus Berlin, Prag, München und Nürnberg lange Briefe ans Geschäft in Einsiedeln, in denen er detailliert über sein Tun auf Reisen Auskunft gab. Wir erfahren, dass er in Wien zunächst zahlreiche Kirchenornaments-, Kunst- und Buchhandlungen besuchte, darunter auch damals bekannte Geschäfte wie Neumann, Paterno oder Artaria. Was er sah, beeindruckte ihn aber allgemein wenig. In ganz Wien gebe es beispielsweise nur einen «einzigen guten Xylographen», dessen Arbeiten aber sehr teuer seien, schrieb er. Auch die Wiener Staatsdruckerei, die er danach besuchte, hatte seiner Meinung nach wenig zu bieten: «Zu viel Protektion unter Arbeitern; zu viel alte Faulenzer, Ceremonienmeister, Dummköpfe …» Lediglich vier neue Schnellpressen, die mit «endlos Papier», das heisst mit automatischen Papierrollen funktionierten, erregten seine Aufmerksamkeit: «Also sollen in Zukunft alle Schnellpressen gemacht werden. […] Diese Erfindung ist sehr gut, besonders wo grosse Auflagen und ich glaube dass die nächste Schnellpresse die wir haben müssen eine solche sein wird.»

In Leipzig besuchte Adelrich B.-Koch die Firma Brockhaus, die eine «grossartige Buchdruckerei» habe. Alle übrigen technischen Betriebe seien aber «vernachlässigt» und «bei Meistern nicht was sein Katalog u. Programm verspricht». Begeistert war er hingegen von der Ausstattung der Kunstanstalt von Albert Henry Payne, welcher der einzige sei in ganz Leipzig, «der Texte galv.[anisiert] und zwar auf engl. Art». Payne selbst habe ihm den Zutritt zur Firma zwar verbieten wollen, «durch Bestechen eines Arbeiters» aber sei ihm dennoch «das Ganze genau erklärt worden». Alles in allem fand Adelrich B.-Koch aber auch in Leipzig, wohlgemerkt einem der bedeutendsten Buchhandelszentren in jener Zeit, wenig Spannendes: «Im Ganzen ist Leipzig langweilig, die Anstalten etwas bedeutend alt eingerichtet u. zu wenig amerikanisch.»

Das Druckereiwesen und überhaupt die Produktions- und Vertriebsverhältnisse von Druckerzeugnissen aller Art entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ungemein dynamisch. Ständig mussten neue Entwicklungen in diesen Bereichen evaluiert werden. «An allen Ecken habe über versch. Druckverfahren mich erkundigt», schrieb Adelrich B.-Koch im Dezember 1869 von einer Geschäftsreise aus München nach Einsiedeln. Und im folgenden Sommer aus Paris: «Ueber neue Maschinen, Spitzenpressen, Vergoldpressen für chromo Bogen etc. habe diese Tage alle Erkundigungen eingezogen. […] Auf meiner Liste stehen noch Besuche für 4–5 Tage, […] Impr[imerie] Imperial wohin ich spezielle Empfehlung erhielt, ferner Robineau, 3 Maler, verschiedene Mechaniker u. 2 Druckphotogr[aphen] […] aber ich bin prächtig müde u. sehne mich zu den Meinigen.»251

Mark Casson und Martin Fiedler definierten Unternehmer als Spezialisten, «die über die Fähigkeit verfügen, Informationen mit der Aussicht auf Gewinn zu synthetisieren, indem sie Daten, Konzepte und Ideen auswerten, deren Bedeutung anderen Menschen nicht immer bewusst ist».252 In Anlehnung an Casson und Fiedler lassen sich Geschäftsreisen wie die eben geschilderten als ein wichtiges Bindeglied zwischen Unternehmen und Markt beschreiben. Die Geschäftsreisenden woben unaufhörlich an einem Netz, über das sie Informationsströme in ihr Unternehmen zu lenken versuchten, in der Annahme, diese Informationen gewinnbringend verwerten zu können.

Die Firma Benziger lässt sich dabei als Fixpunkt in einem sozialen Raum verstehen; als Knotenpunkt, an dem die Informationen aus verschiedenen Quellen und Netzwerken zusammenliefen. Dieses Netzwerk war über Generationen geschaffen worden. Einige Verbindungen darin waren alt und stabil, andere Beziehungen, vor allem in Geschäftsbereichen ohne längere Tradition in der Firma, mussten mit viel Aufwand erst geschaffen und etabliert werden.

Der Katholizismus spielte für die Geschäftsexpansion in mehrfacher Hinsicht eine grosse Rolle. Das katholische Revival im 19. Jahrhundert war der Nährboden, auf dem das Unternehmen wachsen konnte. Gute Beziehungen zum Netz von katholischen Institutionen – Pfarreien, Klöster, Bistümer, Vereine, Missionsgesellschaften und andere – waren wichtig für die Distribution der Verlagsware. Auch war das Katholische wichtig für die Repräsentation des Unternehmens (seit 1867 beispielsweise «Typographen des Heiligen Apostolischen Stuhls»). Auf der öffentlich wenig sichtbaren Ebene des Geschäftsalltags hingegen spielte die Konfession eine untergeordnete Rolle. Die Firma Benziger liess sich von der Unterhaltungszeitschrift «Die Gartenlaube» des protestantischen Verlegers Ernst Keil (1816–1878) in Leipzig genauso inspirieren wie von Werken des konservativ-katholischen Malers Melchior Paul von Deschwanden (1811–1881) in Stans. Die Verleger pflegten mit einem schweizerisch-amerikanischen protestantischen Intellektuellen wie Philip Schaff (1819–1893) genauso Kontakt wie mit dem österreichischen Bischof und Professor für Kirchengeschichte Josef Fessler (1813–1872). Sie bezogen die technische Infrastruktur genauso bei katholischen Fabrikanten in Paris wie bei evangelischen in London, New York oder Boston.

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