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1.3.3 MOG-Spektrum- Erkrankungen
ОглавлениеDas Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein findet sich auf der Oberfläche der Myelinscheiden und der Oligodendrozyten. Es wurde als Ziel einer antikörpervermittelten Demyelinisierung im Tiermodell am Meerschweinchen nachgewiesen (Lebar et al. 1986; Linington und Lassmann 1987). Im Verlauf wurde MOG als ein mögliches Epitop für eine antikörpervermittelte EAE bzw. MS untersucht (Iglesias et al. 2001). Während erste Untersuchungen unter Verwendung von Immunoblots/ELISA und nicht geeigneten Antigenen z. T. widersprüchliche Ergebnisse im Hinblick auf den Nachweis von spezifischen Antikörpern bei MS-Patienten erbrachten (Berger und Reindl 2015), konnte nach Einführung eines zellbasierten spezifischeren Nachweisverfahrens gezeigt werden, dass die Antikörper vor allem bei jungen Patienten und Kindern zu finden sind. Bei erwachsenen MS-Patienten sind hohe Titer dagegen selten nachzuweisen. Klinisch waren die Anti-MOG-Antikörper mit verschiedenen Symptomen und Erkrankungen assoziiert, so traten sie bei einer akuten disseminierenden Enzephalomyelitis, einer Aquaporin-4-Ak-negativen NMO-ähnlichen Erkrankung bzw. Optikusneuritiden oder Myelitiden, NMDA-Rezeptor-AK-positiven Enzephalitiden, Hirnstammenzephalitiden und weiteren entzündlichen, jedoch MS-unytpischen ZNS-Erkrankungen auf (Peschl et al. 2017; Hennes et al. 2017).
Erst seit kurzem liegen größere Fallsammlungen vor, bei denen drei Patientengruppen dominierten: Patienten mit einer ADEM, Patienten mit einer ON und/oder Myelitis, die teilweise die Kriterien einer NMOSD erfüllten sowie Patienten mit rekurrierenden Optikusneuritiden (Jurynczyk et al. 2017; Jarius et al. 2016; Mariotto et al. 2017).
Ob es sich bei MOG-Spektrum-Erkrankungen mit NMO-ähnlichem Verlauf um eine weitere, gesonderte Erkrankungsgruppe handelt, oder ob sie zu den NMOSD gerechnet werden, ist derzeit noch unklar. Histopathologisch handelt es sich offenbar um eine eigenständige Erkrankung, denn die Astrozytenpathologie, die bei der NMOSD zu sehen ist, fehlt im Allgemeinen (Ikeda et al. 2015).
Zumindest ein Teil der NMOSD-Patienten, bei denen keine Aquaporin-4-Ak nachgewiesen werden können, weisen MOG-Ak auf. In der Studie von Jarius et al. (2011) fanden sich bei keinem der Patienten mit MOG-Ak auch Aquaporin-Ak. Bei Kindern lassen sich hohe Anti-MOG-Ak-Titer insbesondere dann nachweisen, wenn sie jünger sind. Nimmt die ADEM einen typischen monophasischen Verlauf, fallen diese Titer nach der akuten Phasen stark ab, während sie bei Patienten mit einem polyphasischen, schubförmigen Verlauf persistieren. Letztere zeigen häufiger eine Beteiligung des N. Opticus (Hennes et al. 2017).
Epidemiologische Untersuchungen legen nahe, dass die erwachsenen Patienten mit Anti-MOG-Ak, die unter einer Optikusneuritis und/oder Myelitis leiden, zum Diagnosezeitpunkt jünger sind als die Patienten mit Aquaporin-4-Ak, auch sind unter ihnen mehr Männer (ca. 1 : 3) als bei den Patienten mit Aquaporin-4 Ak (Jarius et al. 2016; Jurynczyk 2017). Im Hinblick auf die Krankheitsprognose sind die Ergebnisse zum Teil widersprüchlich. Während die Patientenkohorte von Jarius et al. (2012) eine Schubrate von 0,83 aufwies, lag diese bei der britischen Kohorte deutlich niedriger. Wie vergleichende Studien zwischen Patienten mit AQP-4-Ak und MOG-Ak ergaben, war die Prognose bei den Patienten mit Anti-MOG-Ak besser als bei Patienten mit AQP-4-Ak (Kitley et al. 2014).
In der multizentrischen Analyse von Jarius et al. (2012) mit einer Beobachtungszeit von im Durchschnitt 75 Monaten hatten 80 % einen schubförmigen Verlauf, dieser war in der britischen Kohorte geringer, jedoch wurden hier auch Patienten mit ADEM eingeschlossen. Optikusneuritiden waren bei allen Fallsammlungen das häufigste Symptom, gefolgt von einer Myelitis.
In der MRT waren bei Erkrankungsbeginn bei 35,4 % supratentorielle und bei 14,6 % infratentorielle Läsionen zu sehen. Spinale Läsionen waren bei 65,9 % der Patienten nachzuweisen, dabei hatte die Mehrheit Läsionen, die den Kriterien einer LETM entsprachen. Im Liquor war bei 13 % eine intrathekale IgG-Synthese nachweisbar, keiner der getesteten Patienten zeigte eine MRZ-Reaktion. Knapp 70 % hatten eine Pleozytose.
Bislang fehlen auch bei diesen Patienten randomisierte Studien zu möglichen Therapien. In der Akutphase sprechen viele erwachsene Patienten offenbar gut auf Kortison an. Bei rezidivierenden Optikusneuritiden scheint teilweise eine Kortison-Abhängigkeit zu bestehen, bei dem es zum Wiederauftreten der Symptomatik nach Absetzen des Kortisons kommt. Im Hinblick auf eine längerfristige Therapie sind die Daten heterogen.
Erste Fallberichte zeigen jedoch bei den Patienten mit einer schubförmig verlaufenden MOG-positiven demyelinisierenden Erkrankung kein Ansprechen auf verlaufsmodifizierende Therapien (Interferone, Glatirameracetat, Natalizumab, Alemtuzumab), die zur Behandlung einer Multiplen Sklerose zugelassen sind. Hingegen hatten Azathioprin, Mycophenolatmofetil und Rituximab bei einzelnen Patienten einen positiven Einfluss auf die Schubrate (Hacohen al. 2018; Wildemann et al. 2017; Montcuquet et al. 2017; Jarius et al. 2016).