Читать книгу Spracherhalt und Sprachverlust bei Jugendlichen - Helena Olfert - Страница 14
2.6 Zusammenfassung
ОглавлениеDie Frage danach, ob eine Sprache auch nach der Migration in der Familie erhalten bleibt und an folgende Generationen weitergegeben wird, hängt stark mit dem Wert und Prestige zusammen, der ihr gesellschaftlich beigemessen wird. Dieses Sprachprestige ist dabei kein objektiv gesetztes Maß, sondern reflektiert gesellschaftliche Machtverhältnisse und wird durch alle Bildungseinrichtungen hindurch reproduziert. Sprachen in der Peripherie des nationalen Sprachgefüges unterliegen besonders großen Restriktionen bei ihrer Weitergabe an Folgegenerationen, sodass ihre Sprecher einem umso stärkeren Rechtfertigungsdruck im Falle eines Wunsches nach Spracherhalt ausgesetzt sind. Zahlreiche Forschungsbefunde stellen zudem migrationsbedingte Mehrsprachigkeit als einen Sonderfall sprachlicher Sozialisation und als einen Risikofaktor im deutschen Bildungssystem dar. Ursachenforschung zu den festgestellten Disparitäten zeigt jedoch, dass es nicht zwingend die Mehrsprachigkeit an sich ist, die zu Bildungsbenachteiligung führt, sondern daran gekoppelte sozio-strukturelle Merkmale sowie Eigenschaften der Institution Schule selbst. Für den Erhalt der Minderheitensprache existiert wiederum eine Fülle an Argumenten aus unterschiedlichsten Disziplinen. Sie attestieren Mehrsprachigen u.a. kognitive Flexibilität, Vorteile beim Lernen von Fremdsprachen oder emotionale Stabilität. Zugleich deuten viele Studien darauf hin, dass diese Ressource nur von balanciert Mehrsprachigen ausgeschöpft werden kann, was ein weiteres Argument für die Förderung der Minderheitensprache ist. Dass migrationsbedingte Mehrsprachigkeit kein Randphänomen darstellt, verdeutlichen wiederum unterschiedliche Migrationsstatistiken und Spracherhebungen an Grundschulen. Sie zeigen, dass es sich unter den fünf am häufigsten in Deutschland gesprochenen Sprachen um zentrale bis superzentrale Sprachen handelt, die ihre Randomisierung erst in der Migrationssituation erfahren. Ihre Förderung ließe sich nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten rechtfertigen, sondern würde auch Anerkennung für die zahlreichen HL-Sprecher bedeuten. Nicht zuletzt verspricht die Beschäftigung mit HLs zum einen in Bezug auf die Theoriebildung, zum anderen hinsichtlich der unterrichtlichen Praxis zahlreiche Erkenntnisse für die Mehrsprachigkeitsforschung.