Читать книгу Spracherhalt und Sprachverlust bei Jugendlichen - Helena Olfert - Страница 21

3.2.2 Die Bedeutung der Sprachkompetenz für die Heritage-Language-Definition

Оглавление

Aktuell verwendete Definitionen von HL-Sprechern arbeiten meist ebenfalls mit den in (1) bis (5) beschriebenen Kontextfaktoren und formulieren bewusst keine Ansprüche an die Sprachkompetenz in der HL: „It is the historical and personal connection to the language that is salient and not the actual proficiency of individual speakers“ (Valdés 2001: 38). Weiteren Versuchen, eine Abgrenzung des HL-Sprechers von anderen Formen der Mehrsprachigkeit vorzunehmen, ist grundsätzlich diese Abkehr von einer Kompetenzmessung gemeinsam (vgl. Benmamoun et al. 2010; Polinsky & Kagan 2007; Valdés 2000). Dabei lässt sich eine enorme Spannweite in der Sprachkompetenz dieser Sprecher feststellen, obwohl sich für alle HL-Sprecher die oben unter (1) bis (5) diskutierten Kontextfaktoren des Spracherwerbs, Sprachgebrauchs und der Sprachdominanz ähnlich ausgestalten. Es werden sowohl Sprecher, die über rein passive Sprachkenntnisse in der HL verfügen und alltägliche Gespräche im intimen Register verstehen können, als auch jene, die eine ausgebaute Kompetenz in der HL aufweisen und in der Lage sind, sprachliche Handlungen im formellen Register gleichermaßen adäquat durchzuführen, als HL-Sprecher bezeichnet. Auch dieser Aspekt soll in die Eingrenzung des Samplings Eingang finden, indem die soziolinguistischen Merkmale zu einer Bestimmung als HL-Sprecher herangezogen werden und Kompetenzmessungen in der HL als nicht relevant betrachtet werden.

Solch eine soziolinguistisch orientierte Definition (vgl. Meisel 2013: 226), die nicht allein die Sprachkompetenz eines Individuums ins Zentrum rückt, sondern auch andere, sprachbiographische wie sozio-emotionale Faktoren berücksichtigt, steht im Einklang mit Forderungen der Erziehungswissenschaften nach einem erweiterten Konzept von „Muttersprache“ und vermag es, sich eines Linguizismusvorwurfs zu erwehren (vgl. Skutnabb-Kangas 1988: 16f.). So argumentiert beispielsweise Skutnabb-Kangas (ebd.), dass zusätzlich zur Kompetenz in der HL die Faktoren „Herkunft“, „Funktion“ und „Identität“ in die Definition einbezogen werden müssen. Während eine Eingruppierung mittels Sprachkompetenz oftmals ausschließlich die Qualität von Kenntnissen in Relation zu einer monolingualen Norm reflektiert, bezieht sich der Faktor „Herkunft“ auf die zuerst erworbene Sprache, „Funktion“ auf die am häufigsten verwendete Sprache und „Identität“ auf a) die Sprache, mit der sich der Sprecher selbst am stärksten identifiziert, sowie b) die Sprache, mit der der Sprecher von anderen assoziiert wird.

Im Gegensatz zu anderen Termini für Sprechertypen, die Sprachkompetenzbeschreibungen implizieren wie „Muttersprachler“ oder „Fremdsprachenlerner“, kann bei HL-Sprechern die Sprachkompetenz also keine zuverlässige Definitionsbasis darstellen, da durch die institutionellen Vorgaben die Mehrheitssprache gesellschaftlich stark dominiert und hierdurch gleichzeitig die Kompetenz in dieser intensiviert wird. Minderheitensprachen hingegen erhalten weitaus weniger Raum in der Gesellschaft und werden oft nicht gelehrt. „Use of this definition [i. e. competence, H. O.] fails to consider that a poor proficiency in the original mother tongue is a result of not having been offered the opportunity to use and learn the original mother tongue well enough in those institutional settings where the children spent most of their day“ (Skutnabb-Kangas 1988: 17). Dementsprechend werden in der vorliegenden Untersuchung alle Sprecher, auf die die Kriterien (1) bis (5) zutreffen und die über ein gewisses Maß an Kompetenz in ihrer HL verfügen, als HL-Sprecher betrachtet. Das Spektrum der Sprachkompetenz soll dabei sowohl Sprecher mit rein passiven Kenntnissen als auch balanciert Mehrsprachige einschließen.

Spracherhalt und Sprachverlust bei Jugendlichen

Подняться наверх