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Erfolgreich lernen und studieren, den Lernprozess automatisieren

4.1 Sein eigener Therapeut sein

Sein eigener Therapeut sein setzt voraus, dass Sie etwas verändern wollen und genau wissen was und sich ständig darum bemühen. Auch hier noch einmal der Hinweis: Medikamente allein reichen nicht! Sie können den Lernprozess nur positiv unterstützen. Damit eine Therapie des AD(H)S gelingt, ist es notwendig, dass Sie die Motivation und den Willen zur Veränderung selbst aufbringen, für sich klare und erreichbare Ziele formulieren und an deren Erreichen täglich arbeiten.

Wenn alles Anstrengen und Üben keinen Erfolg bringt, geht letztendlich die Therapiemotivation verloren. Um das zu verhindern und damit der Leidensdruck nicht noch größer wird, sollte nun die Zugabe von Methylphenidat erwogen werden. Die medikamentöse Substanz Methylphenidat verbessert die Ergebnisse der lern- und verhaltenstherapeutischen Strategien, sollten diese trotz intensiven Bemühens keinen ausreichenden Erfolg bringen. Methylphenidat reduziert die Reizüberflutung, was ein Gefühl der inneren Ruhe auslöst, die Ablenkung reduziert und die Konzentration verbessert. Nervenbahnen können sich dann durch Üben besser entwickeln und ermöglichen die Automatisierung von Lernprozessen, so dass abgespeichertes Wissen, geübtes Verhalten, sich selbst gegebene Vorsätze und Absprachen schneller und korrekter abrufbar werden.

• Ein Verhaltenstraining wird mit geringerer Anstrengung und auf Dauer erfolgreicher, vorausgesetzt das erwünschte Verhalten wird genau eingeübt und durch Wiederholung gefestigt. Nur so kann es sich automatisieren.

• Handlungsabläufe und Gefühlssteuerung können besser kontrolliert werden, wobei Selbstinstruktionen erforderlich sind.

• Sozial angepasstes Reagieren ist schneller möglich, weil sich durch die Behebung des Botenstoffmangels der Informationsfluss in den Nervenbahnen beschleunigt.

• Die Informationen gelangen schneller vom Arbeits- zum Langzeitgedächtnis, was die Entscheidungs- und Umstellungsfähigkeit erleichtert.

4.2 So gelingt bei AD(H)S das Lernen leichter

Lernen bei AD(H)S bedarf vieler Besonderheiten, damit es erfolgreich ist. Welche das sind und warum das so ist, darüber sollten sich alle Betroffenen, deren Eltern und Therapeuten ausführlich informieren.

Welche konkreten Lernstrategien haben sich in der Praxis bewährt?

Lernen erfordert Motivation: Wenn jemand AD(H)S hat, rechtzeitig individuell und intensiv behandelt wird, bei seiner Therapie aktiv mitarbeitet, über einen guten Coach und eine durchschnittliche intellektuelle Ausstattung verfügt, ist er nach einer gewissen Zeit zu der Leistung fähig, die er auch ohne AD(H)S erbringen könnte. Dazu sind Erfolge nötig, denn sie motivieren und sind der Motor einer erfolgreichen Therapie. Das erfordert bei ausgeprägter AD(H)S-Symptomatik in den meisten Fällen eine mehrdimensionale Therapie mit regelmäßiger Einnahme von Methylphenidat.

Die wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Lernen ist die eigene Mitarbeit. Eine Tabletteneinnahme allein verbessert zu Beginn vielleicht einige Symptome des AD(H)S, reicht auf Dauer jedoch nicht aus. Im Gegenteil, viele vorhandenen, aber im Verborgenen schlummernden Fähigkeiten werden trotz medikamentöser Behandlung ohne eigenes aktives Zutun weiterhin ungenutzt bleiben, wenn eine Verbesserung von Selbstwertgefühl und sozialer Kompetenz nicht angestrebt wird.

Entscheidend für jeden Lernerfolg sind die Motivation, der Fleiß, die Intelligenz, ein förderndes und forderndes soziales Umfeld und richtige Lerntechniken.

Die für ein dauerhaft gelingendes Lernen so notwendige Motivation leidet immer, wenn Lernen nicht erfolgreich ist. Ursache für anhaltende Misserfolge sind beim AD(H)S die Überforderung durch Mangel an Konzentration und Daueraufmerksamkeit, die beide nicht über eine längere Zeit konstant gehalten werden können. Die Betroffenen schalten ab und bekommen so wichtige Informationen nicht mit oder vergessen sie sofort wieder. Monotoner und langweiliger Unterricht (Vorlesungen, Vorträge) sowie wenig interessante Routineaufgaben belasten Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit AD(H)S besonders: Es fällt ihnen schwer, solche Aufgaben zu beginnen und zu beenden.

Wie gelingt das Erledigen von Routineaufgaben besser?

Dafür kann ich einen Trick aus der AD(H)S-Praxis empfehlen, den mehrere Jugendliche unabhängig voneinander für sich entdeckten und wiederholt erfolgreich anwendeten. Einen solchen Tipp anzunehmen, setzt natürlich die Bereitschaft voraus, Neues ernsthaft auszuprobieren und nicht von vornherein als »Unsinn« abzulehnen, was für AD(H)S-bedingtes »Schwarz-Weißdenken« typisch wäre.

Wie funktioniert diese bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf eine zu lösende Aufgabe? Das AD(H)S-Kind setzt sich zu einer festgelegten Zeit an den Tisch und schlägt das Buch oder Heft auf. Es liest die ersten Zeilen und beginnt, einen Abschnitt lang immer wieder das gleiche Wort, den gleichen Buchstaben oder ein und dieselbe Zahl mit dem Bleistift durchzustreichen. Das lenkt die Aufmerksamkeit in Richtung der zu erledigenden Aufgabe. Nachdem dieser erste Abschnitt so »bearbeitet« wurde, gelingt es besser, mit der Lösung der eigentlichen Aufgabe zu beginnen und sie auch zu beenden.. Ich habe dieses Vorgehen schon vielen Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern weiterempfohlen und hierauf in aller Regel eine positive Resonanz erhalten. Versuchen Sie es selbst einmal!

Sein eigener Lerntherapeut zu sein erfordert:

• An seine Fähigkeiten und an den Erfolg glauben

• Sich nicht überfordern, Stress möglichst vermeiden

• Routine und Rituale in den Alltag einführen

• Täglich ein Hausaufgabenheft oder eine Aufgabenliste als Arbeitsgrundlage führen

• Die Reihenfolge der Aufgaben festlegen und immer nach einem Zeitplan arbeiten

• Sein Zeitgefühl schulen

Schüler und Studierende mit AD(H)S geraten beim Lernen und in Prüfungssituationen oft in Zeitnot, weil sie ihr Zeitgefühl trügt. Sie sind häufig nicht in der Lage, den zeitlichen Aufwand einer Aufgabe realistisch vorausschauend einzuschätzen. Zeitnot bei Klassenarbeiten erzeugt jedoch Stress, der das Abrufen von abgespeichertem Wissen blockiert. So kann es schnell zum Blackout kommen.

Um das eigene Zeitgefühl zu schulen und zu verbessern, empfehle ich, vor Beginn der Schul- bzw. Lernaufgaben im Hausaufgabenheft die für die einzelnen Aufgaben geschätzte Zeit mit Bleistift einzutragen und diese nach Abschluss der Aufgaben mit der tatsächlich benötigten Zeit zu vergleichen. Das Ziel dieser Übung besteht darin, zumindest mittelfristig den reellen Arbeitsaufwand annähernd korrekt einschätzen zu können. Denn ein gutes Zeitgefühl zu haben ermöglicht, realistisch abschätzen zu können, wie viel Zeit ich etwa zum Lösen einer vorgegebenen Aufgabe, auch z. B. bei Klassenarbeiten, benötige.

Weitere wichtige Lernstrategien, die jeder für sein individuelles Selbsthilfeprogramm zusammenstellen kann, um möglichst sofort damit zu beginnen, sind:

• Für festgelegte störungsfreie Arbeitszeiten sorgen und strukturiert nach Plan mit Zeitvorgabe an einem festen Platz arbeiten

• Kleine »Päckchen« konzentriert lernen, dabei laut oder leise mitsprechen

• Den Lernstoff auf das Wesentliche reduzieren, das aber sicher können und wiederholen, um es schnell und korrekt wieder abrufen zu können

• Abschreiben reduzieren

• Wichtiges unterstreichen und wiederholen

• Das Gelernte abfragen lassen

• Selbständigkeit anstreben, nur allein gelöste Aufgaben geben Sicherheit

• Aktive Pausengestaltung mit körperlicher Bewegung und »geistigem Abschalten«

• Fremde Hilfe sollte ohne abwertende Kommentare erfolgen

• Termine einhalten, eigenes Bemühen und Erfolge erkennen und sich loben

• Mitschreiben im Unterricht reduziert die Ablenkung und verbessert die Konzentration

AD(H)S - Hilfe zur Selbsthilfe

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