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9. Hoppla!

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Ich erwachte, als Sonnenstrahlen mir im Gesicht kitzelten, und sah mich irritiert um. Vorsichtig äugte ich auf die Seite. Außer mir lag niemand im Bett. Dann fiel mir wieder ein, dass ich gestern Nacht nicht zu Ulf mitgegangen war, ihn aber auch nicht mit in Miras Gästezimmer genommen hatte, um Albert den Todesstoß zu versetzen. Ulf hatte mich noch bis zur Haustür begleitet und wäre mir gern weiter gefolgt, aber ich fand den Konjunktiv »hätte mitgenommen werden können« fürs Erste ausreichend. Außerdem war mir kotzübel von zu viel Alkohol.

Auf meinem frühmorgendlichen Weg ins Bad schlich ich an Miras Schlafzimmer vorüber. Die Tür stand offen. Das Designerbett war mit einer dieser sauteuren Bassetti-Garnituren überzogen, die Decke lag glatt und straff und unberührt.

Die Dusche staubtrocken. Auch im Becken keine Wasserspuren. Meine Gastgeberin hatte außerhäuslich genächtigt.

Das Glück, aber auch das Unglück einer Filmwissenschaftlerin liegt in ihrer Vorstellungskraft. Bei mir lief ein Film, den ich gar nicht sehen wollte. Darin wälzte sich Mira Jones ohne Fischkleid mit einem baumlangen Kerl in dessen Lotterbett. Wenigstens war es ein Stummfilm, aber leider in Farbe.

Ich sah aufs Handy. Die Whatsapp, in der ich ihr um halb drei noch viel Spaß gewünscht hatte, war ungelesen. Anscheinend hatte sie die ganze Nacht keine Hand frei gehabt!

Dafür hatte mir Albert, altmodisch wie er war, eine SMS geschickt: »Danke für die Blumen :o))«

Nicht zu fassen. Er bedankte sich für meinen Scheidungsantrag! Das war ja wohl der Gipfel emotionaler Blockiertheit! Oder die Spitze eines Eisbergs an Fiesheiten, die mir das Blut in den Adern gefrieren lassen würden, sobald ich heimkäme …

Ich grübelte die ganze Heimfahrt, was mich wohl erwartete, und überfuhr an der Wittelsbacher eine rote Ampel. Wildes Hupen rief mich zur Besinnung. Und da begriff ich: Was auch immer Professor Auerbach sich ausgedacht haben mochte – es konnte mir egal sein. Ich war von ihm getrennt!

Hoppla!, sagte ich, als Albert von mir abfiel.

Die Wohnung sah so aus, wie ich sie verlassen hatte. Alles wirkte ganz normal. Lächerlich normal. Als sei überhaupt nichts geschehen! Kein zerschlagenes Geschirr, keine verschlossenen Türen, keine gepackten Koffer. Nichts. Die schwarzen Rosen standen voll aufgeblüht in der Küche. Nur das Kärtchen mit meinem Scheidungsantrag fehlte. Und die Post-its waren weg.

Ich schmiss die Tüte mit dem Croissant in die Ecke und kochte mir erst mal einen starken Kaffee. Dann saß ich wie benommen mit der dampfenden Tasse im Museum meiner Vergangenheit.

Etwas tropfte auf meine Hand.

Ich zog die Nase hoch und wischte mir über die Augen.

Weil Kreativität das beste Mittel gegen Trübsal ist, trottete ich durch den langen Jammer in das Zimmer, das ich als Atelier nutze, und machte mich an die Skizze eines neuen Werkes. Auf diese Weise würde ich aktiv meine Trennung verarbeiten.

Den Arbeitstitel hatte ich in null Komma nichts: »Selbst ist die Frau!« Auf meinem neuen Bild bohrt eine Heimwerkerin mit einem Schlagbohrer herzförmige Löcher in die Luft.

Irgendwie fand ich den Entwurf noch nicht ausgereift. Erschwerend kam hinzu, dass Constanze-Wechselburger-Auerbach-Werke bisher in keiner Galerie hingen, sondern nur im Frauenzentrum, als es das noch gab. Ich schuf Politisches, nicht l’art pour l’art. Die Frage war, wie ich meine Kunst zu Kohle machen konnte. Wie man Bücher verkauft, wusste ich – aber Bilder? Dazu braucht man Ausstellungen und Kunstmäzene und Sparkassenstiftungen und … all das rief nach einer Denkpause.

Kurz darauf lag ich in der Wanne und nahm ein Entspannungsbad, als Rosa anrief und mich mit ihrer Orgagruppe und dem Sommercamp vollquasselte. Erst hörte ich nur mit halbem Ohr hin, dann gar nicht mehr.

»Krass, oder? – Mama?!«

Ich nickte.

»Ist irgendwas? Ey, hörst du mir überhaupt zu?«

»Klar, mein Schatz. Alles supi!«

Für einen Moment schwang Skepsis im Äther, dann erklang wieder Rosas Stimme. »Na dann … Ciao-ciao und danke! Du bist einfach die beste Mama der Welt!«

Während ich mich einschäumte, staunte ich, seit wann meine Tochter so euphorisch reagierte, nur weil ich ihr mein mütterliches Ohr lieh. Wahrscheinlich hatten sie an der Uni gerade das Matriarchat oder nahmen Hannah Arendts Prinzip der Gebürtigkeit durch. Dass wir alle so auf die Welt kommen: aus Müttern heraus. Von Müttern niedergekommen werden. Gepressweht. Ins Leben gedonnert. Flutsch! Genau genommen ist das ja auch wirklich ein Hammer! Was für ein unbeschreibliches Gebären auf dieser Welt in endlosem Wehengewoge …!

Vor meinem inneren Auge glitschten blutverschmierte Babys aus geblähten Weiberleibern, Frauenschreie gellten an mein Ohr. Das Wasser verfärbte sich rot. Ich stieg eilig aus der Wanne und ließ es ab. Gurgelnd verschwand die Brühe aus Fruchtwasser und Blut im Siffon.

Zwei Minuten später saß ich in frischen Klamotten am Schreibtisch und fuhr mein Notebook hoch. Ich würde diese ganze brutale Schaffenskraft der mütterlichen Ursuppe jetzt sublimieren und endlich meine eigene Lebenskraft daraus schöpfen!

Beim nächsten Mann bleib ich solo

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