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10. Schwarze Romantik

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Ich schrieb ein Buch – also musste ich dranbleiben. Ich würde aber nicht den Fehler von Rowling wiederholen und mir dermaßen viel Arbeit beim Ausdenken machen. Mein Weg zum Erfolg würde Pilchers Pfaden folgen, aber natürlich feministisch gewendet.

Als ich Albert abends die Tür aufschließen hörte, stand der komplette Plot meines Liebesromans. Es ist die Geschichte der griechischen Studentin Gala und des englischen Managers Ron Steward, die sich an einem Kultkinoabend bei »Pretty Woman« kennenlernen. Ron erklärt Gala die Welt. Sein Geschöpf soll sie werden und so denken, wie er es will. Und sie findet das super, bis sie begreift, dass er sie entmündigt und bevormundet. Doch Gala hat einen eigenen Kopf und benutzt ihn. Als sie von Ron um ihrer selbst willen geliebt werden will, nimmt das Elend seinen Lauf, der alte Kampf beginnt …

Mit der Story würde ich meinem Lieblingsschriftsteller George Bernard Shaw ein Denkmal setzen, denn meine Geschichte war natürlich eine Adaption seines »Pygmalion«! Der wiederum die Adaption einer Erzählung aus Ovids »Metamorphosen« war: Bildhauer Pygmalion hat eine so genial weibliche Statue erschaffen, dass er sich in sie verliebt und sie dadurch zum Leben erweckt: Galathea – die antike Gala eben, Vorbild so vieler Traumfrauen, deren Existenz seither von Männern diktiert wurde … Bei Shaw hieß sie Eliza Doolittle und war eine Londoner Blumenverkäuferin. Ein Professor Henry Higgins, Sprachwissenschaftler, wettete, dass sie als Herzogin durchginge, wenn er ihr nur gutes Englisch und gutes Benehmen beibrächte. Wie wir auch aus »My fair Lady«, der Musical-Inszenierung des Stoffes wissen, gelingt das Experiment – doch als Eliza merkt, dass Higgins sie als Frau und Mensch nicht respektiert, verlässt sie ihn.

Ich aber würde die Geschichte nicht so enden lassen! Meine Gala würde nicht wie Eliza einfach nur gehen, sondern sie würde ihren eigenen Weg gehen! Meine Gala würde nicht wie Vivian Ward in »Pretty Woman« zusehen, wie Edward auf ihre Feuerleiter steigt, sondern sie würde ihrem Ron aufs Dach steigen! Ich würde Galatheas Geschichte endlich zu Ende schreiben!

Die ersten drei Kapitel meines Romans standen bereits. Ich hatte sie vor ein paar Jahren runtergetippt, beim Wiederlesen fand ich sie ganz passabel. Jetzt musste ich nur der Handlung eine neue Wendung geben, denn: Das neue Ende sollte ein Happyend sein!

Diese Entscheidung hatte mich viel Hirnschmalz gekostet. Happyend heißt ja im Allgemeinen Unterwerfung der Frau. Kuss, Hochzeit und Schluss. Seid glücklich und mehret euch. Das Glück der Frau geht dann stracks Richtung Entzauberung, seines auch, aber um das Glück des Mannes schert sich sowieso niemand, nicht mal er selbst. Er funktioniert ganz klassisch, und das reicht, denn er ist Funktionsträger. Hinter dem ehelichen Glücksversprechen verbirgt sich das Interesse des Staats. Als idealer Gesamtkapitalist will er Nachwuchs, also die Kontrolle über die Reproduktionsfähigkeit der Frau, das wussten schon Marx und Engels, hatte mir Gottfried Schachtschnabel damals erklärt.

Einer Ideologie, die dazu dient, nackte Staatsinteressen zu versüßen und Frauen wie Männer unglücklich zu machen, sollte meine Heldin auf gar keinen Fall auf den Honigleim gehen. Es reichte, dass ich selbst sie dreißig Jahre lang mit Albert praktiziert hatte. Unsere Ehe gab der Marxschen Theorie recht und der Liebe eine schallende Ohrfeige. Wobei die Heiraterei Alberts Idee gewesen war. Was schlüssig ist, schließlich leben wir im Patriarchat.

Bisher hatte ich für meinen Roman einen offenen Ausgang geplant, um dem Geschlechterkampf Raum zu verschaffen. Jetzt aber wollte ich nicht mehr nur ein Buch schreiben, sondern ich schrieb einen Bestseller. Ich musste mir eine Existenz aufbauen! Der Bestseller an sich ist nicht das Problem, als Buchhändlerin weißt du, wie Bestseller gehen. Aber ein Bestseller braucht ein Happyend, auch mit Blick auf die spätere Verfilmung! Was wäre »Pretty Woman« ohne die Szene mit Julia und Richard auf der Leiter? Ein Flop, so viel stand fest.

Mein Happyend wäre allerdings weit weniger kitschig. Dafür schüfe ich ein emanzipatorisches Vorbild, das kein Herz kalt und kein Auge trocken ließe. Mein Happyend stellte ich mir so vor, dass Gala und Ron sich harmonisch trennten! Ein Triumph für die Geschlechterdemokratie! Schon deshalb und wegen des gigantischen Honorars, das auf eine Bestsellerautorin wartet, konnte ich mit dem geänderten Ende sehr gut leben.

Ich schwelgte noch in dem neuen Schluss, als plötzlich das Licht ausging. Um mich her tiefstes Schwarz. Irritiert tastete ich mich zur Zimmertür. Draußen auf dem Flur war es auch finster. Ich tappte den stockdunklen Jammer entlang. Aua! Etwas Spitzes hatte sich in meinen Oberarm gebohrt, das Geweih einer blöden Kuckucksuhr. Schnell drückte ich das Ding zurück an die Wand. Die ganze Wohnung lag nachtschwarz. Nur hinten in der Wohnküche glomm ein zittriges Licht.

Dort saß Albert vor einer Kerze.

»Irgendwas kaputt? Sicherung rausgeflogen?«, erkundigte ich mich und hielt Ausschau nach durchgeschmorten Küchengeräten.

»Dir auch einen schönen Abend, Zuckerlämmchen«, gab Albert zurück. »Ja, es ist was kaputt. Offenbar unsere Ehe. Sicherungen sind auch rausgeflogen. Und zwar bei dir …«

Das war mal wieder typisch Albert! Den Krug einfach so lange zum Brunnen schleppen, bis er zerbricht und es aus ist, aber dann plötzlich beleidigt rumdüstern.

Ich nahm ihm gegenüber am Küchentisch Platz. Die Kerze flackerte vor seiner Nase und malte ihm ein bizarres Schattenspiel aufs Gesicht.

»Sehr witzig! Ich nehme an, du willst Strom sparen?« Mir kam eine neue Idee. »Wenn das hier ein romantischer Abend werden soll, kann ich nur sagen: Sei nicht albern, Albert.«

»Schwarze Romantik, Constanze! Passend zu deinen Rosen«, murmelte er grimmig.

»Monsieur Auerbach … Lass uns wie vernünftige Menschen reden. Wir sind erwachsen und dreißig Jahre verheiratet.«

»Stimmt. Und für mich gab es bis gestern nicht den leisesten Hinweis, dass du daran etwas zu ändern gedenkst. Ich fand den Brief echt lustig! Die Sache mit der Scheidung hab ich für einen Scherz gehalten! Dass du es ernst meinst, begriff ich erst, als du nicht heimkamst! Scheidung, out of the Blue! Wie sollte ich das ahnen? Du redest doch schon ewig nicht mehr mit mir, Constanze! Du interessierst dich weder für mich noch für meine Arbeit!«

Ich rollte die Augen. Natürlich wollte mein Mann nichts davon mitbekommen haben, dass wir uns schleichend auseinandergelebt hatten. Auseinanderschleichend gelebt hatten. Obwohl das nun schon Jahre so ging. Ich hätte aus dem Stand tausend Belege für unsere eheliche Entfremdung aufzählen können. Aber Albert war nun mal emotional völlig blockiert und ein Weltmeister im Verdrängen. Ein Aldi der Vernunft und des Gefühls. Bloß nicht zu viel investieren! Weder Hirn noch Schmalz!

»Also Albert, jetzt werd mal bitte wieder rational und lass uns eine harmonische Lösung –«

Weiter kam ich nicht, denn da erhob Professor Doktor Auerbach sein Stimmorgan und brüllte, dass die Wände wackelten: »Ich bin rational, Constanze! Ich bin harmonisch und erfülle dir deinen offenbar sehnlichsten Wunsch. Bitte sehr! Ich gebe dich frei! Ich trenne mich von dir! Aber!« Sein Gesicht verzog sich zu einer Fratze. »Auf den Tag, an dem ich mich von dir scheiden lassen werde, kannst du warten, bis du so schwarz wirst wie deine Scheiß rosen! Punkt!«

Damit stürmte er aus der Küche. Im langen Jammer schepperte es, als der Schirmständer umfiel.

Kurz darauf krachte die Wohnungstür ins Schloss.

Beim nächsten Mann bleib ich solo

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