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6. Mamma Mia

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Im Mamma Mia winkte mir meine beste Freundin Mira zu, als sei ich in Seenot und sie Sea-Watch-Kapitänin. Das war nett von ihr, aber unnötig. Die Schlafcouch, die sie mir großzügig für eine Nacht angeboten hatte, reichte vollkommen. Vorher würden wir zusammen essen und ausgehen, damit ich nicht vom Fleisch fiel und mich von dem Ärger mit Albert ablenken konnte. Analytische Gespräche über meine Trennung würde ich heute Abend nicht führen. Mira brachte für das Schicksal anderer Leute Empathie auf, aber höchstens für fünf Minuten. Dann richtete sich ihre innere Kompassnadel wieder auf sie selbst.

Im Mamma Mia war es voll, und das seit Jahren. Sobald Luigi aufschloss, stürmten die Leute den Laden. Die Pizzeria war die Arche im kulinarischen Untergang Bornheims und Luigi der Noah. Auf Archen retten sich gewöhnlich Paare; ich war und bin da die Ausnahme. Als Studentin zog ich allein durch Kneipen, seit meiner Heirat gehe ich allein in Restaurants. Albert arbeitet ja entweder, oder er spart. Bei Luigi esse ich, seit er vor zweiundzwanzig Jahren zum ersten Mal seine Pforten öffnete. Wenn ich ins Restaurant komme, stürzt er gleich auf mich zu, haucht mir einen Kuss auf die Hand und geleitet mich an einen freien Platz. Für mich hat er immer einen.

Ich schob mich durch die engen Reihen in den hinteren Teil des Raumes. »Konnte gerade noch den letzten Tisch für uns ergattern«, versicherte Mira in strahlendem Unwissen. »Gut siehst du aus!« Dabei glitt ihr Blick über mein Outfit.

Das sagt sie immer. Schwer vorstellbar, dass ihr meine Kleidung wirklich gefiel. Ich trage gern Farben. Möglicherweise brachte mein Stil in ihrem tiefsten Innern eine ungekannte Saite zum Klingen. Sie selbst kleidet sich passend zu ihrem blassen Teint. Wenn sie einem Farbrausch verfällt, schmeißt sie sich in dunkelblau. Heute trug sie ein Twinset, darüber ein Perlenkettchen mit Kreuz. Sie kam direkt aus dem Büro.

»Und jetzt erzähl!« Mit dieser Aufforderung tarnt Mira immer den Beginn eines ihrer Monologe. Einen Sepia mit Gemüse später wusste ich alles über ihren neuen Job. Wer wen mag, wer sein Büro neben wem hat, wer wessen Boss ist und wer wessen Bitch. Ihre neue Vorgesetzte glich der alten bis aufs Haar, was Mira nicht davon abhielt, mir auch die neue Vorgesetzte haarklein zu beschreiben. Ich kannte keine von beiden, hätte sie aber sicher auf der Straße erkannt.

»Sie also so: Das und das gehört dann auch zu Ihrem Tätigkeitsfeld. Sie machen das ja wohl nicht zum ersten Mal, oder? Und dann schaut sie mich an, weißt du. Genau so, wie mich früher die Schmitter immer angeschaut hat. Mit diesem Blick, bei dem ich nie wusste, will die mich jetzt provozieren, damit ich was sage, worauf sie dann sagen kann: Aber Frau Birger, das versteht sich doch wohl von selbst – bei Ihrem Portfolio! Wie das die Schmitter halt gemacht hat, du weißt ja.«

Ich wusste es, als hätten wir all die Jahre im selben Büro gesessen. »Was macht die neue Firma nochmal?«

»Financial Outsourcing.«

»Aha. Also dasselbe wie die alte.«

Mira sah mich groß an. »Nee, was ganz anderes! HCPT war ja der Shareholder für den Megadeal mit Forcythe Geografics!«

Wie hatte ich das vergessen können! Ich bestellte mir noch einen Rotwein. Falls es zum Härtesten käme und ich mir einen Job suchen musste, würde ich das Finanzwesen meiden.

Während Mira mir der Reihe nach ihre neuen Chefs vorstellte und einen ausführlichen Überblick über die Aufgaben in ihrem neuen Job gab, dachte ich über den Sinn des Lebens und der Liebe nach.

Wenn man solo lebt wie zum Beispiel Mira, sucht die Libido nach Ersatzbefriedigung und wirft sich schamlos aufs Feld der Arbeit. Das hatte schon der alte Sigmund durchschaut und Triebsublimierung genannt. Geiz ist geil, fand dagegen Albert, und in der Tat war es seit Jahren das einzige, was ihn noch geil machte. Seine protestantische Ethik blies ins selbe Horn. Mir erschien das alles zu lustfeindlich. Warum soll Geld mehr Spaß machen als Sex?

Mira sah mich erwartungsvoll an. Hatte ich laut gedacht? Ich schaute erwartungsvoll zurück.

»Wie auch immer«, gab sie sich selbst die Antwort. »Letzten Endes habt ihr nie wirklich zusammengepasst. Jedenfalls herzlich willkommen im Club! Let’s go!«

Ich nickte, obwohl ich mir nur schwer vorstellen konnte, mit Mira in ein und denselben Club zu gehen. Zuletzt war das vor rund einem Jahrzehnt vorgekommen.

Wir tranken die Grappini, die Luigi uns spendierte, und machten uns auf den Weg.

Beim nächsten Mann bleib ich solo

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