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3. Der Entschluss ist gefallen

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Mein Ziel stand fest: Ich würde eine unabhängige Frau sein. Ich würde mich ab sofort an meinen eigenen Interessen orientieren. Ich würde, was Männer angeht, mir Sahneschnitten gönnen und nicht länger die Zähne an vertrocknetem Altbrot ausbeißen. Wenn Sahneschnitten aus waren, würde ich lieber ganz verzichten, das tat der Gradlinigkeit und der Linie gut.

Nun musste ich nur noch überlegen, wie ich den Entschluss in die Tat umsetzen konnte. Meine Trennung von Albert Auerbach sollte ein echter Kracher sein: endgültig, dabei stilvoll und souverän. Ich würde mir Albert amputieren – ein sauberer Schnitt wie mit dem Skalpell. Hoppla!, würde ich sagen, wenn er abfiele. Wer geliebt hat, muss loslassen können.

Ich griff nach Alberts Post-it-Block und notierte die Möglichkeiten, meinen künftigen Exmann in brutalstmöglicher Härte mit meinem Entschluss zu konfrontieren:

•Ausziehen und ALLES MITNEHMEN (auch seine Uhren!)

•Ausziehen und ALLES DALASSEN (außer meinen Bildern!)

Beide Zettelchen zerknüllte ich, es waren natürlich reine Rachefantasien, die bewiesen, wie sehr ich noch auf Albert fokussiert war.

•Was will ICH?, fragte ich mich schriftlich und unterstrich das Ich doppelt.

•Ich will das Maximum für MICH, schrieb ich als Antwort. Natürlich wäre ich nie so dumm, Alberts ganzen Mist mitzuschleppen, bloß um ihn zu ärgern. Oder gar auf meine Sachen zu verzichten, bloß um ihn zu ärgern! Ich kaute am Kugelschreiber, bis ich die Lösung hatte. Ich würde:

•GAR NICHT AUSZIEHEN! Dafür aber:

•Albert NIE WIEDER IN DIE WOHNUNG LASSEN! Und:

•Sein Zeug AUS DEM FENSTER SCHMEISSEN (zuallererst die Uhren!)

Auch diese Zettelchen zerknüllte ich und schnipste die Knäuel vom Tisch. Die Idee war witzig, aber unrealistisch. Ich überlegte, was realistisch war. Dann schrieb ich:

•Mir eine EIGENE EXISTENZ aufbauen!!!

•Einen Mann kennenlernen (gern Villenbesitzer), der mich wertschätzt! Sogar mithilfe seines Portemonnaies!!!

Um mich der historischen Tragweite meines Entschlusses zu vergewissern, ging ich gucken, was für ein Datum war.

Frankfurt, den 13. Januar 2018, schrieb ich auf den letzten Zettel und unterzeichnete ihn schwungvoll.

Weil mich meine neuen Lebensaussichten mächtig unter Strom gesetzt hatten, ging ich zur Beruhigung zu Yolanda ins Yoga. Als ich nach zwei Stunden zurückkehrte, brauchte ich einen doppelten Espresso, um wieder Kreislauf zu kriegen. Nach so viel Entspannung war ich völlig neben der Spur.

Kaum hatte ich ihn getrunken, flog die Tür auf und ein Wirbelsturm brauste durch die Küche.

»Hei Mom! Ich brauch mal eben ‘n paar frische Slips.«

Seit sie im Studierendenwohnheim wohnte, kehrte Rosa gelegentlich spontan in den Schoß der Familie zurück. Sie wusch da auch gleich ihre schmutzige Wäsche. Ich war stolz auf mich, jedes Gluckentum überwunden und darauf bestanden zu haben, dass sie für sich selbst sorgt.

Hinter dem flammendpinken Haarschopf meiner Tochter erschien der kahle Schädel von Achilles. Die beiden hatten sich als Dreijährige in der Kita kennengelernt und vor ein paar Monaten zufällig im Unicafé wiedergetroffen. Da hatte Achilles noch wallendes griechisches Haupthaar, aber das war im letzten Monat verrutscht und hing ihm nun am Kinn. Achilles studierte Kulturanthropologie, Rosa war angehende Soziologin. Die beiden wohnten inzwischen zusammen in einer WG.

»Hallo, Frau Doktor Wechselburger-Auerbach.« So begrüßte mich der Freund meiner Tochter immer. Für mich schwang da ein doppelter Boden mit. Vermutlich fand er Doppelnamen affig und verachtete akademische Titel, die angeheiratet waren. Seine Mama hieß einfach nur Parapopoulos und führte einen kleinen Malerbetrieb, sein Papa war ihr einziger Angestellter.

Alles in allem mochte ich Achilles aber.

»Na, ihr beiden Turteltäubchen? Alles fein?« Bei der Jugend kam es drauf an, den richtigen Ton zu treffen. Ich stupste Rosa mit dem Ellenbogen. »Wie läuft’s an der Uni?«

Was das Intellektuelle anging, brauchte ich mich nun wirklich nicht zu verstecken. Als Filmwissenschaftlerin konnte ich da voll mithalten. Als ich so alt war wie Rosa, hatte ich schon das Vordiplom in der Tasche und saß an den Vorbereitungen für meinen Abschlussfilm! Leider ist er nie fertig geworden, weil mein Dozent Gottfried Schachtschnabel es an Förderung fehlen ließ. Der Mann schenkte seine Aufmerksamkeit nicht etwa mir als seiner begabtesten Studentin, sondern anderen Frauen, ja sogar der eigenen Ehegattin, die mit ihm in Trennung lebte! Kurz verlor ich mich in Erinnerungen. Gottfried Schachtschnabels Augen waren wunderbar jeansblau, genauso wie sein Benz, in dem ich gelegentlich mitfahren durfte. Aber das ist eine andere Geschichte … Man muss die Vergangenheit loslassen, sie gehört uns nicht, sagt Laotse. Wenn sie uns als Bumerang um die Ohren fliegt, gehört sie uns vielleicht doch, oder so ähnlich.

Gottfried gehörte jedenfalls zu dem, was ich seit langem losgelassen hatte. Und nun würde ihm Albert folgen …

Es wurde dann noch ein netter Nachmittag. Rosa erzählte von ihrem Seminar bei Prof. Dr. Dr. Sabine Maier-Rubinski, der Feminismuslegende am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften. Thema ihres Seminars sei die heteronormative Matrix.

»Kennst du, oder?«

Ich nickte. Klar kannte ich Sabine! Wir hatten zusammen studiert! Damals war sie aber noch die Bini Maier. Den Doppelnamen legte sie sich erst mit Beginn der Karriere zu. Das fand ich witzig, weil Frauen, die heiraten, oft ja gar keine Karriere machen. Andersrum, erklärte mir Bini: Verheiratete Frauen fänden im Beruf mehr Respekt. Das leuchtete mir irgendwie ein. Die Frau wird dann nicht für Freiwild gehalten, sondern gehört einem festen Halter. Da ließen andere Männer sie eher in Ruhe. So fiel ihr die Karriere leichter.

Da Bini einen Doppelnamen wollte, aber keinen Mann, hängte sie sich den Mädchennamen ihrer Mutter an und verlängerte so gleich noch die matriarchale Linie. Das fand ich gut, aber unnachahmbar. Ich hatte hinter meine Mutter längst einen Schlusspunkt gesetzt – ein Bindestrich kam da gar nicht infrage! Außerdem war meine Mutter eine geborene Würgassel.

Rosa erzählte dann genauer von ihrem Seminar bei Sabine: Der gesellschaftliche Knackpunkt sei Gender.

»Das soziale Geschlecht«, bestätigte ich, um zu zeigen, dass ich auf dem Feld der Theorie Schritt hielt.

»Ob du nun cis bist oder genderunkonform«, dozierte Rosa, »das Wichtigste ist: Geschlecht darf nicht binär gedacht werden. Sonst landest du auf der heteronormativen Matrix, und schwups, bist du mitten in der Zwangsheterosexualität.«

Achilles nickte. Sein Bart nickte auch.

Da ich das Cis bisher der Musik zugeordnet hatte und mir diese Norma Trix nichts sagte, hörte ich aufmerksam zu. Die Geschlechterverhältnisse hatten mich immer schon bewegt, aber wie heute darüber gedacht wurde, klang in meinen Ohren ziemlich verquer. Da gab es L-G-B-T-Q, und wenn überhaupt noch von Frauen und Männern die Rede war, trugen sie Sternchen und performten ihr Geschlecht nur. Nun haben die Verhältnisse zwischen Frau und Mann ja nie einfach gelegen. Allerdings war für uns damals in der Frauenbewegung alles eine Frage der Erziehung. Wie schon Simone de Beauvoir sagte, werden wir nicht als Mädels geboren, sondern dazu gemacht. Aus diesen Mädels machten wir Feministinnen dann Frauen – das meint nicht etwa Eierstockträgerinnen, sondern politische Wesen! Und die konnten so einiges bewegen! Das bot auch mir lange Trost: Powerfrauen konnten sogar Männer zurechtbiegen oder aber sie durch Lesbischsein strategisch umschiffen.

Ich hatte zu der feministischen Fraktion gehört, die mit Männern schlief und sogar mit ihnen redete, weil ich dachte, dass selbst dieser Spezies mit Vernunft beizukommen sei. Im Laufe meiner vielen Ehejahre war ich aber zu der Überzeugung gelangt, dass die Geisteskraft des Mannes oder aber die Erziehungsfähigkeit der Frau oder sogar beides historisch überbewertet wurde. (Zugegeben, ich hätte schneller zu dieser Erkenntnis kommen können.) Jedenfalls hatte ich schon vor Jahren aufgegeben, mit Albert zu reden. Er auch mit mir. Ihm reicht ein Post-it, viel zu sagen hat er sowieso nicht. Albert ist kulturell und politisch desinteressiert, liest nur Medizinisches, hält Feminismus für gaga und Geiz für geil. Für mich war er noch nie ein echter Gesprächspartner. Inzwischen ist er nicht mal mehr mein Partner.

Ich ließ mir von Rosa und Achilles noch ein paar steile Gender-Thesen erläutern, dann war der Trockner fertig und die Wäsche wurde in zwei karierten Riesenplastiktragetaschen verstaut.

»Heut Abend ist Orgatreffen im Café Buntpunkt. Da bereiten wir das Programm für unser Sommercamp vor!«, informierte mich Rosa, die dabei die Öffentlichkeitsarbeit übernommen hatte. »Ich freu mich schon voll drauf!«

Achilles hängte sich bereitwillig rechts und links eine von Rosas Riesenplastiktragetaschen über die Schultern und dann zogen sie wieder los. Sinnend blickte ich ihnen nach.

Ich mag Männer, die aus freien Stücken und nach Kräften ihre patriarchale Dividende zurückerstatten.

Beim nächsten Mann bleib ich solo

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