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11. Arbeit am Lebensglück

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Am Samstag Vormittag war Albert noch nicht wieder zurück.

Bestimmt hatte er die Nacht bei einer seiner OP-Schwestern verbracht, die ihn immer schon so toll und so süß fanden wegen seiner dunklen Locken. Nun gut, das war inzwischen zwanzig Jahre her und durch Alberts weißgrauen Haarschopf schimmert längst das Knie. Er ist eben älter geworden.

Seine Schwestern dagegen sind nach wie vor meist junge Hühner. Ich habe zwar keine Ahnung, welche ihm gerade nachrennt, Albert erzählt ja nie etwas. Aber, Pflegekräftemangel hin oder her, für ihn gab es immer genug Schwestern, das war klar. Ich sah sie im Pulk hinter Albert über die blanken Flure wetzen. Dicke, dünne, vollbusige, blonde, blauäugige, brünette, rehäugige … Herr Professor Doktor Auerbach, Herr Professor Doktor Auerbach!

Um die Szene loszuwerden, stieg ich unter die Dusche.

Nach dem Duschen ließ ich die Tropfennasen am Glas, meine Haare im Siffon und das Duschhandtuch auf dem Boden liegen. Außerdem quetschte ich einen Strang Zahncreme ins Waschbecken, und zwar schön mitten aus der Tube. Die legte ich unverschlossen auf den Beckenrand. Albert würde ausflippen. Wenn ihn eines noch fuchsiger machte als Verschwendung, dann Unordnung und Hygienemangel, wie er es nennt. Wie schade, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte, wenn er mein Post-it an der Badezimmertür entdeckte: »Sorry. War in Eile.«

Es stimmte. Ich hatte es wirklich eilig, hier wegzukommen!

Vor der Haustür fiel mir wieder ein, dass ich ja getrennt war. Der Herr Professor Auerbach konnte mir schnurzpiepegal sein. Mit diesem Gedanken schaffte ich es, Albert und seine Schwestern endlich an mir vorüberziehen zu lassen wie eine große weiße, nach Desinfektionsmittel riechende Chloroform-Wolke.

Der Himmel über der Wolke war blau.

Die Sonne schien. Ich setzte die Sonnenbrille auf und radelte in die Stadt, um an meiner neuen Existenz zu arbeiten.

Als Erstes schaute ich im Buchladen AnnaBella vorbei. Dort schließen sie Samstags schon um zwei Uhr, und ich musste dringend die Lage sondieren. Außerdem wollte ich ungern mit diesen sperrigen Einkaufstüten vom Second Chance da rein. Die Kundschaft fällt leicht drüber, und Buchhändlerinnen verdienen ja sehr wenig, sie sehen in vollen Tüten schnell eine Provokation, selbst in solchen aus dem Secondhand-Shop.

Diesmal stand wieder eine andere an der Kasse. Ich besah mir die Frau näher. Jung, aber mit Blümchenmuster wie von Oma. Vor mir standen noch zwei Kundinnen an, die zahlen wollten, eine dritte hielt einen Zettel in der Hand. Während ich wartete, vibrierte mein Handy. Ich warf einen kurzen Blick darauf.

Mira hatte mir ein albernes Filmchen geschickt. Schnäbelnde Flamingos. Vor einer Stunde hatte sie mir schmusende Einhörner gesendet, gestern kopulierende Pandabären. Seit Freitag versuchte ich sie anzurufen, sie ging aber nicht ran. Offenbar hatte die Clubnacht ihr nicht nur den Verstand geraubt, sondern auch die Sprache verschlagen.

Ich klickte die Flamingos weg und besah mir das Angebot an der Ladentheke. Lesezeichen, Schlüsselanhänger, alberner Non-Book-Schnickschnack. Genau dort würde eines Tages mein Bestseller liegen. »Wo habt ihr die Wechselburger? Ich brauch sie unbedingt zum Verschenken!« – »Ich auch!«, »Ich auch!« – »Hier bitte!« Lässiger Griff der Buchhändlerin zum sprichwörtlichen Platz an der Kasse. Wenn mein Werk erst einmal draußen war, hatte dieser Billigkram da nichts mehr verloren!

Die mit dem Zettel drängelte sich vor.

»Sagen Sie, ich such ein Buch. Soll ziemlich gut sein, von einer Julia. Nachnamen weiß ich leider nicht, aber was mit C.«

»Sachbuch oder Roman? Wissen Sie vielleicht den Titel?« Die Neue kassierte weiter, ohne aufzusehen. Auch auf ihrem Unterarm saßen grüne und gelbe und rote Blümchen. Früher waren Buchhändlerinnen nie tätowiert.

»Irgendwas mit Vögeln«, murmelte die Kundin und setzte entschuldigend hinzu: »Ich soll’s jemand mitbringen.«

Haha! ›Irgendwas mit Vögeln‹ war ja mal ein origineller Titel!

Die Buchhändlerin händigte der nächsten Kundin das Wechselgeld aus, in ihrem Hirn lief dabei schon die Suchabfrage. Ich wartete gespannt. Fragen an eine Buchhändlerin sind wie Ich-sehe-was-das-du-nicht-siehst. Die Antwort fiel denkbar enttäuschend aus: »Schauen Sie sich schon mal um. Ich bin gleich bei Ihnen, nur noch die Dame hier.«

Die Dame hier war ich. Die Augen der Buchhändlerin richteten sich auf mich. Im Blick las ich ein: Mach schon. »Was kann ich für Sie tun?«

»Also ich wollte fragen – vielleicht hätten Sie da ja was für mich«, begann ich und brach ab. Ich klang selbst schon wie eine, die weder Titel noch Autor kennt. »Wissen Sie, ich bin früher mal hier im Laden gewesen und darum dachte ich, ob Sie eventuell –«

Das Telefon klingelte. Die Buchhändlerin ging ran.

»Sachbuch oder Roman? Titel? – Ach so ja, das grüne. – Ja. – Haben wir da, stell ich Ihnen gern zurück.«

Als sie aufgelegt hatte, war ihr Blick leer. Ich verdrückte mich mit einem »Hab’s-eilig«-Lächeln. Gerade konnte ich mich jobmäßig nicht sehr gut rüberbringen.

Draußen vor der Tür blieb ich stehen und atmete durch. Bis zum nächsten Mal würde ich meinen Auftritt vorm Spiegel üben. Ich betrachtete mich im Schaufensterglas: Frau zwischen Büchern. Kein Zweifel, ich sah aus wie genau die Buchhändlerin, die in diesem Laden fehlte! Das musste ich ihnen bloß noch klarmachen. In der Auslage alles Romane. Einer stach mir besonders ins Auge.

Ich machte kehrt, riss die Ladentür auf und schrie Richtung Kasse: »Hey, von wegen Vögeln! Sie meint Juli Zeh! Unterleuten! Das mit dem Wiedehopf drauf! Liegt im Fenster!«

Die Buchhändlerin hob den Kopf. »Der Vogel auf dem Cover von Unterleuten ist ein Kampfläufer.«

Und der Vogel an der Kasse war eine Schnepfe! Aber das schluckte ich runter und rief lieber: »Hey, ich kenne mich mit Büchern aus! Hab früher hier mitgearbeitet! Ich bin die Conny! Bestimmt erinnert sich eine noch an mich. Constanze Wechselburger. Ihr könnt mich jederzeit anrufen, wenn ihr im Laden Hilfe braucht.« Ich wuselte ins Geschäft, kramte eine Visitenkarte aus der Tasche und warf sie auf den Tresen.

Die Schnepfe sah mich an, als wollte ich ihr einen Wiedehopf aufbinden. »Das alte Kollektiv gibt’s längst nicht mehr.« Aus ihrem Munde klang das so, als sei es kollektiv auf den Friedhof übergesiedelt. Egal. Ich hatte den Wiedehopf am Schopf gepackt und eine Spontanbewerbung hingelegt.

Dafür hatte ich mir jetzt eine Belohnung verdient.

Auch wenn ich nichts suche, im Second Chance werde ich immer fündig. Leider haben sie dort nicht Männer im Angebot. Aber die Auswahl an Vintageklamotten ist riesig, sodass man der ein oder anderen Versuchung erliegt. Meistens gleich beiden und mehr. Beim Eingang nahm ich mir einen großen blauen Plastikeinkaufswagen und zog los. Männer nehmen den Aufzug, Frauen nehmen sich einen Wagen. Anfangs hatte ich solche Rieseneinkaufswagen albern gefunden. Die Frauen sehen damit so seltsam entschlossen aus. Als ginge es um was. Als zögen sie in die Schlacht, um möglichst viel an sich zu raffen. Kampfkäuferinnen. Aber inzwischen wusste ich aus bitterer Erfahrung, dass spätestens nach drei Gängen die Arme schwer werden unter der Last der Kleider, die du anprobieren willst, und die Bügel hinterlassen Striemen auf der Haut.

Nach einer halben Stunde hatte ich mich mit meinem vollen Wagen in die mittlere Etage vorgearbeitet, wo immer so nette Oberteile hängen. Hier waren alle Umkleidekabinen besetzt, aber ganz oben gab es bestimmt freie. Außerdem findet man dort voll geile Siebzigermode. Man kann da auch eigenes Zeug abgeben, das man loswerden will. Praktischerweise klingelte in diesem Moment direkt neben mir der Aufzug. Die Metalltüren gingen auf und entließen eine runde, bunt gekleidete afrikanische Mutter mit zwei süßen Kleinen. Stimmt, Kinderklamotten gibt es auf dieser Etage. Eilig manövrierte ich meinen Traktor in den Lift. Er war leer bis auf einen älteren Mann. Sicher fuhr der auch hoch, jedenfalls brauchte er dringend neue Klamotten und Schuhe und Herrensachen sind oben. In seinem Zeug sah er aus wie eine Kreuzung aus Klabautermann und Kapitän Blaubär. Er trug eine Windjacke, am Hals leuchtete ein roter Rollkragen. Der Schirm seiner Cap ragte über eine Sonnenbrille, den unteren Teil des Gesichts verhüllte ein weißer Vollbart.

Ruckend setzte sich der Aufzug in Bewegung.

»Fährt ja gar nicht runter«, brummte der Seemann.

Scharfsinnig bemerkt.

Er hatte noch mehr zu sagen: »Dachte eigentlich, ich hätt auf null gedrückt.«

Ich zuckte mit den Achseln. »Tja. Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.«

Mein gehobenes Niveau ließ Kapitän Blaubär verstummen. Verblüfft löste er sich von der Wand, hakte einen Finger hinter den Steg seiner Sonnenbrille und zog sie auf die Nasenspitze. Augen wurden sichtbar, die mir den Atem stocken ließen. Sie waren … honigfarben, mit einem Kranz weißer Wimpern!

»Constanze?«, fragte der Seemann.

Zehn Minuten später saßen Björn und ich im Café am Zoo. Den Kleiderwagen hatte ich mir bis abends zurückstellen lassen. Wenn ich nicht mehr zum Anprobieren käme, war es auch egal. Mit meinem ehemaligen Kommilitonen einen Latte zu trinken ging vor.

Wir schwelgten bald in alten Zeiten. Wie wir in Berlin zusammen auf die Straße gegangen waren! Wie wir zusammen in die Kneipe gegangen waren! Wie wir zusammen ins Kino gegangen waren! Wie wir zusammen ins Bett gegangen waren!

»Und jetzt so? Wohnst du etwa in Frankfurt?«, fragte ich weiter.

Er schüttelte den Kopf und schenkte mir einen seiner Honigblicke. »Ich bin nur kurz hier, die Bude meiner Eltern auflösen. Sind beide gestorben, da bleibt jetzt alles an mir hängen.«

Ich nickte heftig. Da blieb wohl einiges an Björn hängen! Er war, wie ich wusste, Einzelkind und die Bude ein riesiger Edel-bungalow in Kronstein, im Frankfurter Speckgürtel. Das Haus besaß einen Innenpool, den ich von einer Party her kannte, weil ich nach Mitternacht übermütig hineingesprungen war. Björns Vater hatte jahrzehntelang als Stararchitekt den Taunus mit Villen im Edward-Hopper-Stil bebaut, die Mutter die Bauherren und -damen dazu mit edlen Häppchen bewirtet. Sohn Björn hatte für das Leben seiner reichen Erzeuger nichts als Spott und Häme übrig und lieber Häuser besetzt. Jetzt war er millionenschwerer Immobilienerbe. Das fand ich witzig.

»Bin bei dem Secondhand-Laden gerade einen Haufen Hutschi-Gucchi von Muttern losgeworden. Ist ja irre voll da drin! Warum die Leute nur so viel Klamotten kaufen müssen!«

Ich nickte und sagte, dass ich dort immer hingehe, um meine alten Sachen abzugeben, weil mir ökologische Nachhaltigkeit am Herzen liegt. Dass ich jedes Mal einen Haufen Zeug von dort heimschleppe, verschwieg ich ebenso wie die Tatsache, dass ich den gepackten Altkleiderkram meist zu Hause vergaß.

»Und wie lange bleibst du noch?«

Er schaute so traurig wie ein verlassener Hund. »Morgen geht’s leider schon zurück nach Lissabon.«

»Du lebst in Portugal?!« Das wurde ja immer besser!

»Mal hier, mal dort. Die letzten Monate bin ich die Algarve entlanggesegelt, das war supertoll«, versicherte er, sah dabei aber gar nicht glücklich aus. Sein Handy brummte, er überflog eine Nachricht. »Du, ich muss los. War echt toll, dich wiedergetroffen zu haben!«

Er winkte den Kellner herbei, zahlte für uns beide und lieh sich einen Kugelschreiber. Als er meine Hand ergriff, sie umdrehte und mir seine Nummer hineinschrieb, lief mir ein Trupp Tausendfüßler über den Rücken. Wie romantisch!

Ich war die Julia Roberts in einem neuen Film.

Der Titel des Filmes lautete »Second Chance«!

Am Sonntagnachmittag saß ich allein in der Wohnung und war in mein Romanprojekt vertieft. Der Manager Ron hatte die wunderschöne dunkelhaarige Gala nach dem Kino noch in eine Bar eingeladen, da riss mich das iPhone aus meiner schöpferischen Arbeit. Es krähte nicht, also kein Albert. Das war schon mal gut. Ich sprang vom Schreibtisch auf und rannte ins Klo, wo ich es liegen lassen hatte.

Auch kein Björn. Seine Nummer hatte ich natürlich gleich unter den Kontakten gespeichert. Das hier war eine unbekannte Nummer. Zögernd ging ich ran.

Es war Sieglinde. Sie sagte, sie riefe nur an, um mir zu sagen, dass Albert sie angerufen hätte. »Um ein Essen abzusagen, zu dem ich ihn eingeladen hatte. Das fand ich schon seltsam. Natürlich habe ich gleich gefragt, ob es ihm gut geht. Und da hat er mir alles erzählt.« Sie fände es einen Hammer, dass Albert sich von mir getrennt habe! »Er sich von dir! Und da frage ich dich gestern noch, ob du dich von ihm trennen willst!« Sie lachte köstlich über ihre Dusseligkeit. Ach, was lachte ich mit.

Dann hörte sie auf zu lachen und ergänzte mit Grabesstimme: »Wenn du mich fragst: Das ist ein Hilfeschrei. Der Mann braucht dringend therapeutische Zuwendung.« Sieglindes Diagnose ging dahin, dass Albert an Burn-out litt. »Oder an einer Wechseljahresdepression. Männer haben das auch, man merkt es bei ihnen oft bloß nicht«, wusste Sieglinde. Albert sei jedenfalls völlig am Ende. O-Ton Sieglinde: »Ein gebrochener Mann! Ich will dir nur gesagt haben, ich halte Albert für suizidgefährdet.«

Das ließ mich aufhorchen.

»Wie kommst du denn darauf?«

»Er hat gesagt, dass er sich verkleinern will.«

»Na und? Er will doch sonst auch immer sparen!«

»Er hat gesagt, er will in einen Bauwagen ziehen! Als Klinikdirektor und Medizinprofessor!«

Mir gefiel Alberts Idee. Hauptsache, er zog aus. »Und? Soll er doch!«

»Wir haben ihm angeboten, dass er seine Kuckucksuhrensammlung gern bei uns in der Villa aufhängen kann, wir sind gut versichert und das ganze Grundstück ist videoüberwacht.«

»Was hat er dazu gesagt?« Meine Laune schlug Purzelbäume auf geweihbefreitem Flur, aber Sieglindes nächste Worte fuhren schneidend dazwischen.

»Er hat wortwörtlich gesagt, die Uhren seien ihm scheißegal! Und Conny, wenn ein Albert Auerbach so etwas sagt, muss man mit allem rechnen!«

Ich konnte mich nicht bei Albert persönlich nach seinen Suizidplänen erkundigen, denn er kreuzte auch die nächsten Tage nicht zu Hause auf, und anrufen kam für mich nicht infrage. Ich rufe und laufe keinem Mann nach, schon gar nicht meinem eigenen.

Mittwochs dann ein Lebenszeichen per SMS: »Heute 19:00 Abholung Wäsche usw.«

Die nächsten Stunden über wappnete ich mich für den Auftritt Auerbach. Ich trank Magentee, nahm ein Beruhigungsbad und besprühte mein Ego mit Égoïste. Das roch eklig, aber Addicted hatte ich noch am Tag der Trennung in die Tonne geschmissen.

Dann setzte ich mich gesammelt an meinen Schriftstellerinnenschreibtisch und stellte fest, dass mir nichts einfiel, was ich hätte schreiben können. Mir fiel auch nichts Sozialkritisch-Feministisches ein, was ich hätte malen oder zeichnen können. Stattdessen kritzelte ich Strichmännchen aufs Blatt und murmelte dazu mein Mantra der Unabhängigkeit.

Zwischendurch blickte ich in die Abgründe meines Ex. Dass er selbst die Uhren seinem Geiz opferte! Mir kam ein schrecklicher Verdacht. Vielleicht hatte Albert sie gesammelt, um mich zu ärgern? Ich malte dem Strichmännchen ein Hirschgeweih und verwarf den Verdacht. Das wäre für Albert viel zu komplex.

Gegen neunzehn Uhr ließ mich die Türklingel zusammenfahren. Offenbar hatte der Herr Auerbach seinen Schlüssel vergessen. Oder wollte, dass ich für ihn das Hausmädchen gab. Da konnte er lange klingeln! Andererseits wollte ich, dass er sein Zeug einsammelte. Also erhob ich mich und ging öffnen.

Vor der Tür stand ein Engel.

»Guten Tag«, säuselte der Engel und strich sich eine klischeeblonde Haarwelle aus der Stirn. »Der Herr Professor Auerbach schickt mich. Ich soll ein paar Sachen für ihn holen und Ihnen ausrichten, dass er für die nächste Zeit weg ist. Machen Sie sich keine Mühe, ich bin bestens instruiert.« Ein eng bekritzeltes gelbes Zettelchen zwischen Zeige- und Mittelfinger reckend, verschwand die Erscheinung zielstrebig im langen Jammer. Ich folgte ihr durch den Gang ans andere Ende der Wohnung bis ins Frankfurter Bad, wo Albert schlief, seit er aus unserem Schlafzimmer ausgezogen war, schon wegen des Schnarchens. Sein Bett hatte genau an die Stelle der alten Badewanne gepasst. Genial!

Der Engel betrat die Abstellkammer, zog zielsicher Alberts Rollkoffer hervor und ließ Anzüge, Hemden, Unterhosen und Rasierzeug in den Koffer wandern.

»Stopp!«, rief ich, als der Engel den Deckel schließen wollte, riss die schwarzen Rosen aus dem Putzeimer, den ich in Alberts Schlafnische verpflanzt hatte, und schmiss sie oben drauf.

Um halb acht war ich wieder allein und kochte. Sein Gebrochensein hielt meinen künftigen Exmann offenbar nicht von blutjungen Schwesterschülerinnen ab!

Zehn Sekunden später war die SMS an Albert getippt und gesendet. »Wenn du mir die Adresse deines Schutzengels gibst, schick ich das restliche Zeug.«

»Mein Leben geht dich nichts mehr an«, kam es drei Sekunden später zurück.

Ich dachte darüber nach. Wenn Albert im Zuge seiner Wechseljahresbeschwerden oder seines Burn-outs oder seiner Suizidgefährdung unter Engelsfittichen Zuflucht nahm, konnte mir das nur recht sein. Lady Rauschegold würde ein Auge auf ihn haben und die Flügel ausbreiten. Und ich war ihn los.

Allerdings, dachte ich weiter, nur solange, bis sie die Lust am Schutzengeldasein verlor oder Albert wieder nach Hause ziehen wollte.

Mir kam eine Idee. Er sehne sich nach Verkleinerung, hatte Sieglinde gesagt. Nun, dabei konnte ich ihm behilflich sein!

Beim nächsten Mann bleib ich solo

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