Читать книгу 1 PUNKT - Helmut Ecklkofer - Страница 15

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TACT

Als ich zum ersten Mal diese Bar betrat, faszinierten mich die unzähligen Flaschen. Ich staunte über die Behändigkeit des Mannes hinter dem Tresen und seine ruhige Art. Ich war erstaunt über seine stoische Ruhe, seine Übersicht und sein Lächeln. Scheinbar blind griff er nach den wunderschönen bauchigen Flaschen, deren Farbigkeit sich im fahlen Licht deutlich abhob. Wie ein Magier entlockte er jeder einzelnen Flasche jene Einzigartigkeit. Er mixte vor meinen Augen mit einer mir unvorstellbaren Leichtigkeit. Die überschwänglichen, geradezu provozierenden Namen der Cocktails spürte ich auf meiner Zunge. Er beherrschte den Rhythmus, den Takt wie ein Dirigent, setzte an den richtigen Stellen Pausen, wechselte von piano zu mezzoforte. Er spielte gekonnt mit den Flaschen und deren Inhalt wie auch mit den illustren Gästen.

ES PRICKELT AUF MEINER HAUT

Eine eigene Welt, in der er sich wohlfühlte, tat sich vor mir auf. Eine Art Unterwelt. Es prickelt auf meiner Haut. Ich fühle Nähe, Verlust, Einsamkeit und Begehren in einer Sekunde, wenn der Alkohol sich durch den Mundraub in die Kehle und weiter in meiner Speiseröhre einätzt. Ein warmes Gefühl der Freiheit zerrt an meinen Lippen, die ausgetrocknet sich nach Liebe sehnen. Ich befeuchte die Haut mit Speichel. Meine Zunge spürt die zerrissene Oberfläche, die wie eine Mondlandschaft daliegt. Meine Nase versucht, einen Geruch wahrzunehmen. Vergeblich. Ich verirre mich im Schattenreich der Sucht. Dann tauche ich nochmals ein in die geheime Welt der Drogen. In ein Meer von Pillen und Tabletten. So überlebensgroß ist der Hauptpreis. Wie ein farbenfrohes Bilderbuch umgibt mich die Welt. Meine kleine Welt, die ich mir selbst erschaffen habe aus Perfektionismus, aus Idealismus, aus Harmonie, aus Ängsten und Träumen. Ich investiere in ein Magic Life voller Sweet Love. Eine Slide Show läuft unbemerkt im Hintergrund. Ich werfe meinen Körper in die Bilderflut. Die Wellen der Erkenntnis überspülen mich. Ich versuche, darauf zu surfen. Die Brandung der Ziellosigkeit wird vor mir sichtbar. In der Gischt der Liebe tauche ich wieder auf. Ebbe und Flut ziehen mich an, stoßen mich ab. Wie ein Apnoe-Taucher versuche ich, immer tiefer in die seelenschwarze Ungewissheit vorzudringen.

ICH FLIEGE IN DIE FERNE GALAXIE

Ich warte ungeduldig auf die Happy Hour. Mein Geschmackssinn verlässt mich nicht. Ich schmecke die Klarheit des Getränkes, mein Tastsinn erfühlt die schlanke Flasche mit der filigranen Prägung am Flaschenhals. Die Kombination aus Schmecken und Tasten, aus Riechen und Hören setzt die Grenzen eng. Erstaunlicherweise konnte ich die Zukunft antizipieren. Und ist alles auch Lichtjahre entfernt, der Mut, die Lügen, die Verzweiflung, die Ungewissheit, ich fliege in die ferne Galaxie. Es gibt kein Tabu, kein unvergesslich, ich nehme die Spur der Lügen auf. Doch was bleibt? Die flüchtigen Stoffe, die meine Nase berühren, eine Mischung aus ganz besonderen Düften. Freizügig präsentiert der Mann hinter der Bar seine neuesten Kreationen. Mit einem Monolog gespickt, erinnert mich die Szene an die unzähligen YouTube Videos, die all die Selbstdarsteller tagtäglich posten, uploaden in der Hoffnung auf Likes, Klicks der Bewunderung. Die hell ausgeleuchtete Realität steht gegen die abgrundtiefe Finsternis in den Herzen der Protagonisten. Die fragile Position des erzählenden Ichs steht im Mittelpunkt der Selbstverständlichkeit. Die omnipräsente Zurschaustellung der Intimität, der Individualität – klärt sie uns auf oder verschließt sie unsere Sicht? Geradezu harmlos stehe ich da mit meiner Weltanschauung. Ich verschränke die Arme, doch die bieten mir keinen Schutz. Es ist eine Grenzerfahrung ohne sichtbare Grenzen. Alles scheint im Fluss. Ich blicke nochmal zurück zum Barmann. Er schenkt mir sein schönstes Lächeln zum Abschied. In meinem Körper explodieren kleine Feuerwerke. Ich falle, suche Halt, alles scheint sinnlos. Bis jemand den Knopf an der PlayStation drückt. Game over.

1 PUNKT

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