Читать книгу Schlehenbusch - Helmut Freiherr von Scheurl-Defersdorf - Страница 4
Schlehen I Samstagnachmittag, 11. September 2010
Оглавление„Hey Bernd, der Schlehenbusch ….!“, tönt es, als Bernd Breunecke nach mehrmaligem Klingeln den grünen Knopf am Handy drückt und sich meldet, weil Kalle dran ist. „Willst du noch mal selbst gemachten Schlehenwein“, fragt Bernd, oder gibt’s Wichtigeres?“. – „Ja, dein Schlehen-Likör ist mir damals mächtig in die Beine gegangen. Und lecker war der, lecker…..“, schwärmt Kalle, „aber darum geht es nicht. - Wo hast du denn die Schlehen gesammelt. Vielleicht oben beim Golfplatz am Waldrand, wo im Frühjahr …..?“
„Ja, Kalle“, stöhnt Bernd, „beim Golfplatz. Vorletztes Jahr im November. An der Schlehenhecke, unter der im Frühjahr das Hundegerippe entdeckt wurde. Aber ist das denn so wichtig? Ich bin beim Packen. Ich muss auch noch alle Einkäufe für die Abschiedsparty zum Managerhaus in Nussdorf schleppen. Ute Eberle und Hilde Schneider warten schon. Wir wollen die Vorspeisen für das kalte Büffet kochen. Meine Familie ist wohl schon aus St. Gallen in Nussdorf eingetroffen. Wir müssen vorbereiten und alles Mögliche heute noch im Dorfgemeinschaftshaus Nussdorf aufbauen. – Oder willst du morgen nichts essen und trinken?“
„Ein bisschen Zeit musst du schon haben“, empört sich Kalle, „beim Schlehenbusch ist heute der Stock wieder aufgetaucht, der Wanderstock vom Unruh Franz. Und dann gibt’s noch Fragen zum Chuck. Schließlich hast du mir den Typen als Klienten aufgehängt damals beim TÜV. Da ist was zu klären, sonst kann ich mein Detektiv-Büro gleich wieder zumachen.“
„Mea culpa, mea maxima culpa, Kalle, dass ich dir den Chuck angehängt habe“, unterbricht ihn Bernd, „mein Vorschlag ist: wir treffen uns in einer Stunde in der Managerschule Nussdorf. Egon Schneider ist wohl schon da. Dem kannst du die Story erzählen. Er muss Hilde nämlich dort hinbringen und langweilt sich. Ich habe erst Zeit, wenn wir im Saal aufbauen.“
„Aber die Sache mit den Schlehen kennt Schneider doch gar nicht“, protestiert Kalle.
„Die mit dem Hundegerippe schon, Kalle! Aber die Angelegenheit mit Chuck klären wir morgen am Rande der Party“, seufzt Bernd, „ich muss jetzt los. Bis gleich, Kalle!“
Bevor eine Antwort kommen kann, drückt Bernd die rote Taste und schaltet danach das Handy ganz aus.
„Sch…ande“, denkt er, „Schneider und ich hätten ihn unbedingt davon abhalten sollen, das Detektivbüro in der Rauensteinstraße aufzumachen. Bis der Kalle sich freischwimmt, hängen wir immer wieder mit drin. Und den Chuck hätte ich ihm auch nicht vermitteln sollen! – Jeder noch so nett oder weniger nett gemeinte Gefallen rächt sich!“
Kurz nach dem Einbiegen von der Kreuzstraße in die Landstraße Richtung Andelshofener Weiher sieht Bernd rechts vor der Kurve einen Polizeiwagen in der kleinen Ackerzufahrt stehen. Rückwärts eingeparkt. Zwei Beamte stiefeln zu dem großen, von Haselsträuchern, Schlehenbüschen, Weiden und Holunder umwucherten Krater im Acker. Dort wurde vor Jahrzehnten eine Kiesblase ausgeräumt. Und der Kies war sicher im Fundament des Hauses auf der anderen Straßenseite gelandet. Damals hatte sich noch kein Gewerbeamt darum gekümmert, was ein Bauer oder Sägewerksbesitzer aus seinem Acker grub. Und um ein Loch, was dabei entstand, schon gar nicht. Die aufgelassene Kiesgrube war also seitdem allmählich mit Holunder und Schlehen zugewuchert. Davor standen am unteren Rand die Brennnesseln meterhoch, wie Bernd vom Pflücken von Holunderblüten erinnerlich ist, die er für Judith nach einem alten Rezept in Schmalz ausbuk.
Am oberen Rande des Kraters hatte Bernd beim Schlehensammeln im vergangenen Herbst zwischen den mittelhohen Eschen einen Hochsitz entdeckt, der von der Straße aus nicht zu sehen gewesen war.
Wie der Storch im Salat steigen die Beamten über die groben Maisstoppeln vom Feldweg zu dem großen Loch im Acker rüber. Daneben steht ein Mais-Vollernter. Ein Mann im blauen Overall davor winkt. Es ist wohl der Fahrer.
„Was dem nur geklaut wurde?“, denkt Bernd, „heutzutage sind wohl nicht mal mehr die Erntemaschinen sicher!“