Читать книгу Berichte von der Reichstagstribüne - Helmut H. Schulz - Страница 13

11. März 1921

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Wenn man sich vom Reichstag erholen will, muß man in den Zoologischen Garten gehen; der Zoologische Garten ist die Übergangsstufe vom Parlamentarismus zur vollkommenen Gesittung. Dort gibt es nämlich für gewisse Gelüste Hemmungen, Gitter und ähnliches, die im Parlament für dieselben Gelüste fehlen. Gebrüllt wird hier wie dort. Mit einer Stimme, um die ein ausgewachsenes Nilpferd ihn beneiden könnte, nimmt der Kommunist Höllein aus Jena Stellung zur Reedereiabfindung. Wie vor ihm schon der Unabhängige Henke aus Bremen, lehnt er jede Beihilfe zum Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte ab, womit sich die Werftarbeiter an der Küste und sonstige Interessierte im Binnenland wohl kaum einverstanden erklären werden. Das hätte er freilich in fünf Minuten sagen und erledigen können. Aber ihm genügte nicht einmal das offizielle Kontingent von 45 Minuten Redezeit, sondern er spricht eine Stunde, anderthalb Stunden, zwei Stunden. Er muß brüllen ... »Das Brrroletariat hat im letzten Krieg sein letztes Hemd verkaufen müssen, um nicht zu verhungern, während die Stinnesleute hinter dem warmen Ofen ihre Milliarden verzehrten!« Schade, daß Höllein nichts von den Munitionskavalieren unter den Arbeitern erzählt, von diesen ungezählten Reklamierten, denen es nicht am schlechtesten ging, und deren Damen unsere Rauchwarenindustrie in dieser Zeit in Lohn und Brot gesetzt haben.

Berichte von der Reichstagstribüne

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