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1.2 Unser beschleunigtes Leben

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Blicken wir ein paar Hundert Jahre zurück und versuchen wir uns ein Leben ohne all die technischen Neuerungen der letzten 250 Jahre vorzustellen. Viele Menschen arbeiteten in der Landwirtschaft. Sie lebten in und von der Natur: Sie mussten sich dem Lauf der Jahreszeiten anpassen und beobachteten das Wetter, um ihren Tagesablauf danach auszurichten. Ohne elektrische Beleuchtung folgten sie dem Tageslicht. Der Rhythmus der Erde prägte den Rhythmus der Menschen.

Natürlich erlebten die Menschen damals viele Nöte, Gewalt und Hunger. Die Frage ist auch keinesfalls, ob das Leben damals besser war, sondern es geht darum, sich den damaligen Lebensrhythmus vorzustellen, um wahrzunehmen, wie sehr wir unser Leben beschleunigt haben. Nahezu unbeeinflusst von den Jahreszeiten und dem Tageslicht absolvieren wir unser Tagesprogramm. Statt nach dem Wetter richten wir uns nach dem Zugfahrplan oder den Staumeldungen. Statt nach dem Sonnenlicht richten wir uns nach der Uhrzeit, mit deren Hilfe wir unseren Tagesablauf strukturieren. Dabei binden wir uns an einen vorgegeben Plan, den wir selbst, der Arbeitgeber, der Kindergarten oder die Schule festgelegt haben.

Die für uns so selbstverständliche Messung der Zeit führt zum ständigen Vergleich unserer aktuellen Aktivität mit einem vorher festgelegten Plan. Dies erzeugt das Gefühl, keine Zeit zu haben und zu spät zu sein – oder auf der anderen Seite zu früh zu sein, zu warten, sich zu langweilen oder gar die Zeit totzuschlagen. Oftmals ist es ein eng geknüpftes Planungsnetz, dem wir folgen. Die Kinder müssen zu einer bestimmten Zeit in der Schule sein, die Arbeit beginnt, Besprechungen, Sitzungen, Fertigstellung eines Projekts zu einer bestimmten Zeit, Verabredungen … Eine unrealistische Planung, unerwartete Zwischenfälle oder Verzögerungen führen dazu, dass wir uns hetzen, um unseren Plan so gut es geht doch noch zu erfüllen.

Neben dem Takt der Uhr ist es vor allem die Überflutung unserer Sinne, die unser heutiges Leben bestimmt und es so sehr vom Leben in früheren Zeiten unterscheidet. Sowohl unsere Mobilität als auch die Medien erzeugen eine solche Menge an Reizen, vor allem für Augen und Ohren, dass wir entweder angestrengt und zielfixiert wie mit Scheuklappen unseren Tagesplan verfolgen oder uns von der Flut des Angebots zerstreuen lassen.

Eine typische Episode aus einem derart beschleunigten und übervollen Leben mag etwa folgendermaßen aussehen: Wir eilen zum Bahnhof, werden von Musik und Reklamebildern überschwemmt, reisen im Zug mit 200 km/h, ohne die Landschaft wahrzunehmen, arbeiten stattdessen auf dem Notebook, hören vielleicht sogar Musik dabei – dazwischen klingelt das Handy, wir telefonieren und wenden uns danach wieder unserem Bildschirm zu, während unser Nachbar einen Anruf erhält. Er spricht 20 Minuten, wir werden nervös, weil wir uns nicht mehr konzentrieren können. Plötzlich sind wir am Zielort, wir steigen aus, eilen zu einer Verabredung, denn der Zug hatte 15 Minuten Verspätung …

In der geschilderten Situation erinnert nichts mehr an die eingangs beschriebenen einfachen Lebensumstände. Ein Leben nach der Uhr, eine rasante unnatürliche Fortbewegung im Sitzen, begleitet von dem Bemühen, sich auf seine Computerarbeit zu konzentrieren, ständige Beschallung durch Musik oder Lautsprecherdurchsagen, künstliches Licht und eine Klimaanlage schaffen eine künstliche Welt, die kaum noch Bezug zu unseren natürlichen Ursprüngen hat.

In unserem Inneren dreht sich unterdessen ein Gedankenkarussell. Die äußere Unruhe entspricht einer inneren. Ohne Pause tauchen Gedanken, Planungen, Erinnerungen und Ängste auf. Oft bemerken wir diese erst, wenn es ruhig um uns herum wird und wir ausruhen möchten. Dann lassen uns die kreisenden Gedanken keine Ruhe. Vom übervollen Tagesgeschehen angetrieben, drehen sich die Gedanken wie ein Schwungrad immer weiter. Wenn wir nicht wie Süchtige jeden ruhigen Moment mit Beschäftigung oder Gesprächen überdecken, so lassen uns die unruhigen Gedanken eine Ablenkung suchen und verführen dazu, uns weiterhin der Sinnesüberflutung durch die Medien auszusetzen.

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