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1.3 Außer sich sein

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In der oben beschriebenen Weise verlieren wir uns im Außen, man könnte sagen, „wir geraten außer uns“. Statt in uns zu ruhen und den gegenwärtigen Augenblick zu erleben, eilen wir voraus: zu all den Dingen, die erledigt sein wollen, zu den Problemen, die wir erwarten, aber auch zu freudigen Ereignissen, von denen wir uns Erfüllung und Glück erhoffen. So wie unsere Gedanken, eilen wir uns selbst voraus und sind der Zukunft, statt der Gegenwart zugewandt. Statt zu gehen, streben wir vorwärts, statt einzukaufen, erledigen wir den Einkauf, beim Kochen möchten wir bereits essen und beim Essen schnell satt werden. Dies führt uns ständig weg von der Wahrnehmung dessen, was ist, hin zu unseren Gedanken, Vorstellungen und Wünschen. Wir treiben uns voran und sind gleichzeitig die Getriebenen.

In unserer Gesellschaft, die auf Wettbewerb und Konkurrenz ausgerichtet ist, erfreuen sich Sportereignisse großer Beliebtheit. Besonders attraktiv sind die Sportarten, in denen es um Geschwindigkeit geht. Dabei erleben viele Menschen den Sport vor allen Dingen als Zuschauer: Ohne im eigenen Körper anwesend zu sein, hängt sich die Aufmerksamkeit an ein Idol. Der passive Zuschauer vergisst sich selbst, statt seiner selbst agiert der Sportler. In ähnlicher Weise verliert sich der Kinobesucher und Fernsehzuschauer in der Filmgeschichte. Wir sind viel mehr bei dem Sportler bzw. der Geschichte als bei uns selbst. In dieser Weise vergessen wir uns selbst und die Gegenwart – ein oftmals durchaus gewünschter Effekt. Der schnellen Szenenfolge der flimmernden Bilder entspricht eine unruhige Grundverfassung des Zuschauers, der Ablenkung und Unterhaltung sucht.

Wie sehr Kino und Fernsehen unseren Daseinszustand verändern, kann man besonders gut bei kleinen Kindern beobachten, die gebannt und selbstvergessen auf den Bildschirm starren. Es hat fast den Anschein, als hätte ihr Geist den Körper verlassen und wäre in das Fernsehgerät hineingerutscht, so ausschließlich und vollständig sind sie beim Filmgeschehen, während ihr Körper schlaff und leblos dasitzt. Auch dieser Zustand lässt sich als „außer sich sein“ beschreiben, denn die Kinder nehmen weder ihre Umgebung noch sich selber wahr.

Unser Nicht-Präsent-Sein nimmt häufig träumerische Formen an. Wir verlieren uns in Reflexionen, sind in einem traumähnlichen Zustand, nicht ganz wach, nicht wirklich anwesend. Wir sind dabei zwar mit der Aufmerksamkeit sozusagen noch in uns, jedoch nicht präsent in unserem Körper, sondern in Gedanken und Träumen versunken. Unsere Gedanken und Tagträume tragen uns davon, entfernen uns von der Gegenwart und führen uns aus einer körperlichen Präsenz heraus. Da in einem solchen Zustand kein wacher Beobachter das Hier und Jetzt belebt und erlebt, könnte man auch diesen träumerischen Zustand als „nicht da“ und damit als „außer sich sein“ bezeichnen.

Ein solches „außer sich sein“ bedeutet nicht nur, in Wut und Aufregung zu geraten, sondern beinhaltet jede Form von geistiger Abwesenheit: nicht „zu Hause“ bei sich selbst und im Hier und Jetzt zu sein. Offensichtlich kann dies auf zweierlei Arten geschehen:

• Indem wir einem Ziel zustreben und, getrieben von dem drängenden Wunsch, es zu erreichen, dem gegenwärtigen Moment und damit uns selbst enteilen.

• Indem wir in einen träumerischen Zustand versinken und Gedanken und Gefühlen nachgehen, die keinen oder nur einen schwachen Bezug zur gegenwärtigen Situation haben.

Dass wir in diesem erweiterten Sinne meistens „außer uns sind“, darauf verweist schon ein berühmtes Wort Meister Eckharts, nach dem Gott immer in uns ist, doch wir nur selten zu Hause sind.

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