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Bibel, Predigt und Hermeneutik aus exegetischer Sicht

Wenn ein Prediger oder eine Predigerin auf die Kanzel steigen, können sie weihnachtlich gestimmt reden: »Siehe, ich verkündige euch große Freude!« Wenn Exegeten zum Katheder treten, sagen sie meist: »Siehe, ich verkündige euch große Probleme.«1

Dies ist natürlich ein Klischee, hat aber einen Wahrheitskern. Exegese hat es mit Problemen und Problemstellungen zu tun, die weitab von der Predigt zu liegen scheinen. Exegeten bilden Hypothesen, die sich von denen der Zunftkollegen unterscheiden. Exegeten verlieren sich nicht selten in der Freude an Detailbeobachtungen und enden manchmal beim berühmt-berüchtigten Fliegenbein-Zählen, wobei dieses Bild ja nahelegt, dass das, was ohnehin jeder aus Erfahrung weiß, nämlich dass eine Fliege sechs Beine hat, noch einmal unnötig verkompliziert und möglicherweise mit dem Begriff »Hexapoda« fachsprachlich, also unkommunikativ, klassifiziert wird – ohne wirklichen Erkenntnisgewinn. Um die Metapher zu variieren: Wenn es um die Beine eines Tausendfüßers ginge, wäre die Aufgabe nicht so leicht und eindeutig; man müsste zudem als Exeget vorgängig kritisch gegenüber der dogmatischen Vorgabe »1000« sein und würde doch überhaupt nicht zum eigentlichen Thema oder zur eigentlich wichtigen Fragestellung kommen, wenn man bloß die Dogmatik entlarvt hätte, indem man den Begriff »Myriapoda« als zwar im Gebrauch befindlich, aber doch untauglich bezeichnen würde, weil es schließlich – kritisch und genau gezählt nie mehr als 750 Beine sind.

Die klassische historisch-kritische Exegese, die wir auch heute im Proseminar vermitteln, hat infolge ihrer Herkunft aus der Dogmenkritik von Aufklärung, Rationalismus und Historismus eine enorm kritische Stoßrichtung, aber sie ist, wie schon bekanntlich Karl Barth im Vorwort der zweiten Auflage seines Römerbriefes meinte feststellen zu können, häufig eben nicht kritisch genug; das war, nota bene, von ihm wahrscheinlich ebenso polemisch gemeint wie der im gleichen Kontext, aber etwas später auftauchende Hinweis auf die »sanften Auen« der Praktischen Theologie.2 Sowohl die gegenwärtige exegetische wie die Praktische Theologie werden diesen Vorwürfen widersprechen, aber sie bleiben wichtige Stachel, damit es uns nicht zu behaglich wird.

Die Exegese kann ihren Widerspruch durch zwei prinzipielle Hinweise begründen: durch ihre hermeneutische Tradition und durch den inzwischen erfolgten Methodenpluralismus. Ich werde hier in durchaus subjektiver, aber auch exemplarischer Auswahl hermeneutische und methodische Ansätze vorstellen und sie auf ihre praktisch-theologische und homiletische Relevanz befragen. Dabei werde ich vor allem deren Stärken hervorheben, um an und mit ihnen zu lernen. Professoralexegetische Nörgeleien an vermeintlichen Schwächen verkneife ich mir weitgehend, um Ihre und meine Zeit nicht zwischen Sechs- und Tausendfüßlern zu vergeuden.

Gottes Menschenfreundlichkeit und das Fest des Lebens

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