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Dehnbare Grenzen

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Der einsame Bungalow schrie verzweifelt um Hille. Ein Teil der Mannschaft versuchte fieberhaft, die Alarmanlage auszuschalten. Der Rest der Gruppe stopfte hastig alles Wertvolle in mitgebrachte Leinensäcke. Der Countdown begann zu laufen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass man spätesten nach fünf Minuten mit einer unliebsamen Überraschung rechnen musste.

Und tatsächlich: Als das Sirenengeheul eines Polizeiautos sämtliche Mitglieder zu Eis erstarren ließ, wachte Nicole schweißgebadet aus diesem Alptraum auf. Bisher hatte sie noch auf keinem dieser Diebstouren mitgemacht, da Frauen im Allgemeinen unerwünscht waren. Trotzdem schien sie ihre Vergangenheit nicht loszulassen.

"Mama, hat mich Papa denn nicht mehr lieb?"

"Wie kommst du denn darauf, Manuel?"

Nicole putzte notdürftig die schmutzigen Sandhände ihres fünfjährigen Sohnes.

"Warum kommt er mich dann nicht mehr besuchen?"

"Ich habe dir doch schon gesagt, dass Papa im Himmel ist!"

Nicole war sich nicht sicher, ob man bei einem Selbstmord, ausgelöst durch eine Überdosis Heroin, den Himmel verdient hatte.

Aber was sollte sie sonst einem Kind erzählen? Sie war sein ungefähr zwei Jahren clean - von gelegentlichen Rückfällen abgesehen - , worauf sie mit Recht stolz sein konnte.

"Entschuldigung, ich gehe wohl recht in der Annahme, dass Sie die Mutter von Manuel sind. Meine kleine Tochter hat mir viel von ihm erzählt!"

Als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre, setzte sich ein etwa dreißigjähriger, gepflegter Mann neben Nicole, um mit ihr gemeinsam die beiden Dreikäsehochs am Spielplatz unter Kontrolle zu halten.

Nicole sehnte sich nach einer neuen Partnerschaft, wusste aber, dass ihre eben erst begonnene Freundschaft wahrscheinlich beendet sein würde, wenn Robert die Wahrheit erfuhr. Sie lebte ohnehin in ständiger Angst, sich nonverbal zu verraten, da sie als bleibendes "Andenken" an ihre seinerzeitige Drogenabhängigkeit ein eingeschränktes Gesichtsfeld akzeptieren musste. Andererseits wollte sie einen neuen Lebensabschnitt nicht mit einer Lüge beginnen.

Eines Tages erzählte ihr Robert, dass seine geschiedene Frau ihn deshalb verlassen hatte, weil sie dieses biedere Familienleben gehasst hatte und unbedingt ein Abenteuer erleben wollte.

Nun war der Augenblick gekommen, da Nicole bereit war, ihr Geheimnis preiszugeben. Sie setzte alles auf eine Karte. Jede Faser ihrer Nerven war zum Zerreißen gespannt. Wie erstaunt war sie, als ihr neuer Freund vollstes Verständnis zeigte. Und nicht nur das. Er bewunderte ihren Entschluss, gänzlich von ihrer zerstörerischen Leidenschaft loszukommen.

Nicole hatte jetzt wesentlich mehr zu tun. Trotzdem war sie dankbar, nicht allein für die Kindererziehung verantwortlich zu sein. Sie konnte es noch immer nicht fassen, dass ihre Traumphantasie wahr wurde. Um ihr Glück vollkommen zu machen, begann zum zweiten Mal neues Leben in ihr zu keimen.

Ihre junge Liebe wurde jedoch schon bald auf eine harte Probe gestellt. Die ersten dunklen Schatten zeichneten sich ab, als Robert einen Verkehrsunfall hatte. Die Ärzte ließen keinen Zweifel aufkommen, dass er in Zukunft an den Rollstuhl gefesselt sein würde. Nicht nur für Robert war es ein Schock, sondern auch für Nicole, da bald danach ihr erstes gemeinsames Kind als Abortus im Klos landete. Doch beide nahmen tapfer die Herausforderung des Schicksals an.

Nicole musste vorerst allein mit ihrem Verlust fertig werden.

Während sie sich langsam an die geänderten Alltagspflichten gewöhnte, trainierte Robert mit zäher Verbissenheit seine verbliebenen Muskeln, bis er nicht nur fähig war, wieder zu gehen, sondern auch hundertfünfzig Kilometer in einem durchzulaufen.

Erst jetzt war die Zeit reif, neues Land zu betreten. Zaghaft setzten sie ihre ersten Schritte auf den unbekannten Kontinent. Doch schon bald beleuchtete die aufgehende Sonne den Weg in ein spannendes Abenteuer.

Mond küsst Sonne

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