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Realität/Das Leben ist kein Spiel

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Spiele und Spielregeln werden von Menschen erfunden, um eine künstliche, exakt definierte Umgebung/Realität zu schaffen. In dieser künstlichen Umgebung kann der Einfluss des Zufalls ausgeschlossen sein oder er kann überwiegen. Der Einfluss der Spieler mit ihrem Können und Wissen kann entscheidend sein oder irrelevant. Das Ergebnis kann vorhersagbar oder völlig ungewiss sein. Die Spieler handeln im Spiel nur so, wie es die Spielzüge innerhalb der Spielregeln zulassen - nicht als frei entscheidende, unberechen-bare, emotionale Wesen. Das Spiel soll schließlich seinen Zweck erfüllen. Die Spielregeln sind einfach und für alle Spieler verständlich. Kein Spieler wird durch die Regeln benachteiligt.

Ein Spiel ist also immer eine künstliche, vereinfachte, idealisierte Umgebung.

Die Realität unseres täglichen Lebens wird zu jedem Zeitpunkt durch unser Können, unser Wissen, den Zufall, die Handlungen unserer Mitmenschen und alles, was sonst noch im Universum passiert, beeinflusst, ohne dass wir wissen können, wie groß die Einflüsse der vielen Faktoren gerade sein könnten. Viele Faktoren beeinflussen sich ständig gleichzeitig in diesem komplexen System. Was unser Leben beeinflusst, hat keinen Zweck, der einfach zu verstehen ist. Um es mit Herbert Grönemeyer zu sagen: „Das Leben ist nicht fair.“

Wenn ich einen Eimer Wasser in den Tank Ihres Autos schütte, dann weiß ich sehr genau, was passiert, wenn Sie damit losfahren. Ich weiß das nur, weil Ihr Auto eine Maschine ist.

Wenn Sie einem Profiboxer heftig vors Schienbein treten, dann kann das böse enden oder der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. Es kann auch noch viele andere Folgen haben. Niemand kann das vorher wissen. Was im Kopf des Boxers vorgeht, ist komplex. Niemand kann seine Reaktion vorher-sagen.

Technische Probleme sind meist kompliziert. Probleme, die den Menschen betreffen, sind komplex. Die meisten Menschen unterscheiden kompliziert und komplex nicht. Weil beides schwierig zu verstehen ist, denken sie, es sei das Gleiche. Es ist nicht schlau, das Komplexe wie etwas Kompliziertes zu behandeln.

Wenn Sie dem Boxer nicht vor das Schienbein treten, sondern Billard mit ihm spielen, kann er nur innerhalb der sehr begrenzten Möglichkeiten handeln, die die Spielregeln zulassen. Er kann entweder einen guten oder einen schlechten Spielzug machen. Im Gegensatz zu der Realität des täglichen Lebens tritt der Mensch, mit all seinen völlig unvorhersehbaren Reaktionsmöglichkeiten, in einem Spiel überhaupt nicht in Erscheinung. In der Realität unseres täglichen Lebens existieren selbstverständlich auch Regeln. Abgesehen davon, ob wir uns an diese Regeln halten oder nicht, begrenzen sie unseren Handlungsspielraum nur an den äußeren Rändern, in der Regel dort, wo wir anderen Menschen Schaden zufügen. Das Spielfeld unseres täglichen Lebens und unser Handlungsspielraum sind nahezu unendlich groß und viele Menschen mit all ihren Handlungsmöglichkeiten nehmen Einfluss darauf. Je nachdem, was wir tun, haben unser Können, der Zufall, Planung und Berechnung sowie eine Vielzahl von „Mitspielern“ gleichzeitig und in unbekanntem Umfang und unbekannter Qualität Einfluss auf das Ergebnis, das wir erzielen können.

Das Leben ist kein Spiel!

Spiele und Spielregeln kommen der Natur des Menschen sehr entgegen. Spiele lehren uns etwas über den Einfluss von Können, Wissen, Zufall und nicht zuletzt über die Einhaltung von Regeln. Unser Geist ist grundsätzlich nicht in der Lage, Vorgänge in ihren komplexen Details zu erfassen. Unser Gehirn ist so entwickelt, dass alle Zusammenhänge nur so weit erfasst werden, wie es unser Überleben erfordert. Unser Geist wäre hilflos überfordert, wenn er nicht ständig einfache Antworten auf komplizierte Fragen generieren und akzeptieren würde. In unseren Köpfen existieren unzählige Schablonen einfacher Spiele und Wirkungsketten, die wir in unserer Vergangenheit glauben, „verstanden“ zu haben. Wenn wir planen, begegnen wir Problemen oft damit, der Situation unsere schablonenhaften Vorstellungen von den Zusammenhängen überzu-stülpen. Nach einem unvollständigen fehlerhaften Einblick in eine komplexe Realität glauben wir, die Spielregeln erkannt zu haben. Auf Basis dieser einfachen Spielregeln planen wir dann eine Maschine, die uns die gewünschten Ergebnisse liefern soll. Wenn das gewünschte Ergebnis eintritt, glauben wir dann, dass unsere Maschine funktioniert. Tatsächlich ist es in einer komplexen Realität vollkommen egal, welche Regeln wir erkannt haben wollen. Das Planen einer Maschine ist nur in Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten bei komplizierten Problemen möglich und ansonsten ebenso wie „Funktion“ eine Fiktion.

Wir sind nur in der Lage, den wichtigsten Bezugspunkt in unserem Leben unvollständig und vereinfacht wahrzunehmen. Ein realitätsnahes Bild erhalten wir nur, wenn wir unsere Vorstellung von der Realität permanent mithilfe unserer Wahrnehmungen anpassen. Die Vorstellung, Spielregeln und Funktionen verstanden zu haben, wirkt dieser Anpassung entgegen. Wenn wir überleben wollen, müssen wir akzeptieren, dass die Realität immer recht hat. Wir müssen auch die logischste, schönste Vorstellung von der Realität ständig infrage stellen. Wir müssen jederzeit bereit sein, sie über Bord zu werfen, wenn wir merken, dass etwas nicht stimmt.

überleben erfolgreich (in genau dieser Reihenfolge)

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