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Realität/Fehler bei der Beurteilung der Vergangenheit
ОглавлениеZur Analyse der Vergangenheit stehen uns große Mengen an Daten zur Verfügung: Geschäftsvorgänge, Absatzzahlen, Herstellungskosten, Auftragseingänge usw. Diese Datenmengen gilt es zu analysieren und aus den verwertbaren Daten die gesuchten Rückschlüsse zu ziehen.
Wir gehen bei der Untersuchung der Vergangenheit in gleicher Weise vor wie bei der Analyse der Gegenwart. Wir selektieren aus einer unermesslich großen Menge an Daten die heraus, von denen wir glauben, dass sie möglicherweise für die Berechnung der Gewinnprognose von Bedeutung sein könnten.
In einer stark eingegrenzten Datenmenge suchen wir innerhalb einer eingeschränkten Auswahl an Entscheidungskriterien nach Spielregeln, die das Verhalten der Zielgruppe erklären können. Auf einer derart reduzierten Basis erstellen wir ein stark vereinfachtes Modell mit einfachen Spielregeln.
Im Gegensatz zur Betrachtung der Gegenwart müssen wir bei der Betrachtung der Vergangenheit zusätzliche Fehlerquellen in Betracht ziehen.
Selbst dann, wenn wir eine riesige Datenmenge zur Verfügung haben, müssen wir bedenken, dass diese Datenmenge niemals ein vollständiges Abbild der Realität sein kann. Es kann manchmal wesentlich einfacher sein, die Zukunft vorherzusagen, als den Vorgang rückwärtsgerichtet zu beurteilen. Legt man einen Eisklumpen auf ein Tablett in die Sonne, bedarf es geringer Fantasie, das Ergebnis vorherzusehen: eine Wasserpfütze auf dem Tablett. Es fällt in diesem Fall deutlich schwerer, in die Vergangenheit zu schauen. Mit etwas Aufwand könnte man zwar ziemlich genau die Ausdehnung und das Volumen des Eisklumpens berechnen. Aber selbst, wenn man weiß, dass geschmolzenes Eis für die Pfütze verantwortlich ist, stellt die Rekonstruktion des Eisklumpens ein nicht lösbares Problem dar!
Die Vergangenheit wird oft nicht als reine Datenansammlung dokumentiert, sondern es werden die als verstanden geglaubten kausalen Zusammenhänge dokumentiert. Das geschieht aus dem einfachen Grund, weil die Zusammenhänge zum Zeitpunkt der Dokumentation als wahrscheinlich erachtet wurden und eine gute Erklärung abgaben. Viele Menschen glauben, dass es wesentlich einfacher ist, den Grund für etwas herauszufinden, als in die Zukunft zu schauen. Das ist deshalb so, weil wir das Ergebnis kennen, wenn wir nach dem Grund fragen. Ob wir z. B. eine Gefahr in der Vergangenheit richtig analysiert haben, ist für unser Leben nicht mehr von Bedeutung. Weitaus wichtiger ist es, eine zukünftige Gefahr richtig zu erkennen. An Dingen, die unser Leben nicht mehr beeinflussen, haben wir naturgemäß viel weniger Interesse als an der Zukunft. Wir sind auf Überleben programmiert. Grübeleien über die Vergangenheit und die Korrektur vergangener Analysen sind in diesem Sinne Zeit- und Energieverschwendung. Der Mensch neigt dazu, Gründe, auch wenn sie falsch sind, einfach und schnell zu akzeptieren. Damit haben wir den Kopf frei für das Kommende.
Wenn wir versuchen, ein Ergebnis in der Zukunft zu prognostizieren, werden wir durch die Realität gnadenlos korrigiert. Weil wir bei Prognosen häufig scheitern, empfinden wir es als schwieriger, die Zukunft vorherzusagen, als die Vorgänge aus der Vergangenheit zu rekonstruieren.
Es sind oft die gleichen Probleme, die Analysen und Prognosen erschweren.
Unsere Begründungen sind genauso falsch wie unsere Prognosen.
Unsere Begründungen werden aber viel seltener korrigiert.
In die von Menschen gesammelten Daten fließen alle möglichen Begründungen und Bewertungen der Sachverhalte mit ein. Erfolge werden besonders genau dokumentiert. Unerfreuliche, peinliche, unprofitable mit Fehlentscheidungen verbundene Entwicklungen werden gerne unter den Teppich gekehrt. Man sollte in jedem Fall damit rechnen, dass Menschen ihre eigenen Interessen einfließen lassen, wenn sie einen Vorgang dokumentieren. Es ist in der Regel viel schwieriger, in den Daten einen Fehler zu entdecken als einen Erfolg. Erfolge sind viel besser dokumentiert, weil daran ein wesentlich größeres Interesse besteht als an der Dokumentation von Misserfolgen. Die vorhandenen Daten unter diesen Umständen wie Fakten zu behandeln, wäre leichtsinnig.
Wir müssen auch beachten, dass es nicht nur Menschen sind, die Daten sammeln. Es sind auch Menschen, die Daten auswerten. Eine gezielte Suche nach bestimmten Daten kann von vornherein das Ergebnis verfälschen. Der Mensch neigt dazu, erwartete Zusammenhänge zu entdecken und unerwartete Zusammenhänge zu übersehen. Wenn wir in einer großen Datenmenge nach Zusammenhängen suchen, die unseren Zwecken dienlich sind, ist es nahezu unmöglich, dies nicht zielgerichtet und unvoreingenommen zu tun. Natürlich ist es nicht nur das Unvermögen des Analysten, das das Ergebnis seiner Arbeit negativ beeinflussen kann. Der Analyst hat bei fast jedem Schritt seiner Analyse die Möglichkeit, Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen. Es besteht die große Gefahr, dass nicht nur Erwartungen, sondern auch die Interessen des Analysten oder die Interessen des Auftraggebers das Ergebnis in gewünschter Weise beeinflussen. Das gilt für die Prognose in gleicher Weise.
Bei der Analyse der Gegenwart ist noch alles da, bei der Analyse der Vergangenheit sind wir auf eine unvollständige, verfälschte Dokumentation der Realität angewiesen.