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1.3 LUKAS-Lernprozessmodell – eine erste Uferhilfe[8] auf ­lernpsychologischer Grundlage

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In einem kompetenzfördernden Unterricht sind unterschiedliche Aufgabentypen relevant, die entlang instruktionspsychologischer Ansätze geordnet werden können (vgl. Luthiger, 2014, S. 63–65): Es sind Aufgaben bereitzustellen,

1.die der Lernunterstützung dienen und einen Lernprozess zum Erwerb und/oder zur Veränderung von Kompetenzen auslösen;

2.die auf Basis der Ergebnisse von vorher bearbeiteten Aufgaben eine zielgerichtete Vertiefung oder Festigung der erworbenen Kompetenzen ermöglichen;

3.die eine möglichst angemessene Überprüfung und Diagnose des Kompetenzstandes ermöglichen;

4.die standardisiertes Überprüfen ermöglichen.

Für diese vier Aspekte sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Typen von Aufgaben notwendig (vgl. Senn, 2009, S. 90):

•Für den ersten und zweiten Aspekt ist ein Aufgabentyp erforderlich, der einerseits dem Aufbau und der Entwicklung von Kompetenzen dient und andererseits Übungszwecke erfüllt.

•Für den dritten und vierten Aspekt wird ein Aufgabentyp zur Überprüfung und Diagnose von Kompetenzen benötigt.

Hier zeichnet sich eine Trennung zwischen Aufgaben für den Kompetenz­erwerb (Lernaufgaben) und Aufgaben für die Kompetenzüberprüfung ab, mit denen der Grad der Ausprägung einer Kompetenz festgestellt werden soll (Beurteilungsaufgaben).[9]

Die Unterscheidung zwischen Lern- und Beurteilungsaufgaben ist deshalb sinnvoll, weil der Erwerb von Kompetenzen anderen psychologischen Gesetzmäßigkeiten folgt als deren Nachweis (vgl. z. B. Köster, 2008, S. 4; Luthiger, 2014, S. 82–83): In Lernsituationen soll eine breite Palette von Lernaufgaben dafür sorgen, Schülerinnen und Schüler in ein Thema einzuführen und fachliche und überfachliche Kompetenzen verständnisbezogen aufzubauen. Die Aufgaben sind deshalb darauf angelegt, dass produktive Fragen gestellt, Begriffe gebildet, Sachverhalte tief verstanden und Lücken geschlossen werden. Fehler werden dabei als Gelegenheiten genutzt, um Klippen zu erkennen, unklar Gebliebenes besser zu verstehen, Wissenslücken zu schließen, oder aber auch, um zu lernen, wie man Hilfe nutzen und aus Sackgassen herauskommen kann. In Beurteilungssituationen hingegen werden die Tiefe des Verstehens, die Fähigkeit, mögliche Klippen zu erkennen usw., überprüft. Beurteilungsaufgaben sollen in der Regel selbstständig, das heißt ohne Lernunterstützung und möglichst ohne Fehler gelöst werden. Beurteilungsaufgaben sind idealerweise auf ein bestimmtes Kompetenzniveau eingestellt, haben diagnostisches Potenzial und erlauben eine möglichst eindeutige Unterscheidung zwischen richtigen und falschen Lösungen.

Auf einer zweiten Differenzierungsstufe können Aufgaben nach ihrer Funktion unterschieden werden, die sie in der jeweiligen Unterrichtssituation zu übernehmen haben. Das LUKAS-Modell greift auf eine Variante von PADUA, das KAFKA-Modell (Reusser, 1999), zurück, weil dieses deutlicher als jenes auf die Nutzungsseite der Angebot-Nutzungs-Struktur fokussiert. Das LUKAS-Modell unterscheidet verschiedene Aufgabentypen (Abbildung 1.5) und bettet diese in das Gesamt eines kompetenzfördernden Unterrichtsgeschehens ein. Damit kann verhindert werden, dass man »drauflosunterrichtet«, ohne sich das Ziel des Lernprozesses und die Ausrichtung der Aufgaben auf dieses Ziel hin zu vergegenwärtigen.


Um das LUKAS-Lernprozessmodell zu verstehen, hilft die Analogie zum Hausbau: Bei der Planung zum Beispiel eines Wohnhauses werden den verschiedenen Räumen unterschiedliche Funktionen zugedacht – Küche, Bad, Wohnzimmer, Esszimmer und Schlafzimmer. Ihre Größe und Anordnung kann jedoch spezifischen Wünschen angepasst werden. Vielleicht lässt sich die Küche räumlich zum Ess- und Wohnbereich öffnen, oder eine Tür kann die gewünschte Abtrennung herstellen. Die leitende Idee, dass es sich beim Haus um ein Wohnhaus handelt, geht dabei nicht verloren. So auch hier: Jede Aufgabe übernimmt im Unterricht eine bestimmte Funktion und soll durch ihre didaktisch intelligente Inszenierung jene geistigen Prozesse auslösen, die zum Aufbau einer Zielkompetenz beitragen. Das LUKAS-Lernprozessmodell bindet somit die verschiedenen Aufgabentypen in die leitende Idee des kompetenzfördernden Unterrichts ein. Dabei sind die Verbindungslinien zwischen den verschiedenen Aufgaben von großer Bedeutung, das heißt, im Bild gesprochen: Im Unterricht muss – immer mit dem Ziel verbunden, den Kompetenzaufbau wirksam zu unterstützen – sowohl deutlich werden, in welchem Raum sich die Lernenden gerade befinden, als auch, welcher Funktionsbereich als nächster aufgesucht werden soll. Damit ist auch ausgesagt, dass dem LUKAS-Lernprozessmodell kein lineares Verständnis von Kompetenzentwicklung zugrunde liegt, sondern ein dynamisches und individuell gestaltetes Verständnis.

Mit dem LUKAS-Lernprozessmodell (Abbildung 1.6) wird eine Zuordnung verschiedener Aufgabentypen zu fachlichen und überfachlichen Kompetenzen vorgenommen, die einen kumulierenden Kompetenzaufbau ermöglichen. Als explizit auf Aufgaben bezogenes Lernprozessmodell dient es durch die Fokussierung auf die funktionale Qualität von Aufgaben dazu, die Unterrichtsplanung auf den Outcome auszurichten und die Zielsetzungen von Aufgaben bewusst zu machen. Gleichzeitig erlaubt es, den Schülerinnen und Schülern Ziel und Zweck einer Unterrichtseinheit transparent zu kommunizieren. Das LUKAS-Lernprozessmodell unterscheidet folgende acht Aufgabentypen:

•Konfrontationsaufgaben (→ Ka) stellen den Kontakt zwischen einem kognitiv aktivierenden Problem, Phänomen, Ereignis und den Schülerinnen und Schülern her.

•Erarbeitungsaufgaben (→ Ea) dienen dem Aufbau von Wissen und Fertigkeiten, dem Entdecken von Zusammenhängen, der Auseinandersetzung mit Haltungen (Kompetenzaspekte).

•Vertiefungsaufgaben (→ Va) dienen zur Vertiefung, Ausdifferenzierung, Variantenbildung und zum Herstellen von Verknüpfungen.

•Übungsaufgaben (→ Üa) zielen auf das Konsolidieren und Automatisieren.

•In Syntheseaufgaben (→ Sa) werden die Kompetenzaspekte zusammengeführt.

•Mittels Transferaufgaben (→ Ta) werden erworbene Kompetenzen mit Neuem verknüpft.

•Mit formativen Beurteilungsaufgaben (→ FBa) ohne festgelegte Stellung im Lernprozess lassen sich diagnostische Informationen hinsichtlich der Lernvoraussetzungen und des Lernstandes erheben.

•Summative Beurteilungsaufgaben (→ SBa) dienen der bilanzierenden Beurteilung und Bewertung am Ende des Lernprozesses.


Im Folgenden werden zuerst die sechs Typen von Lernaufgaben charakterisiert. Dabei wird zwischen der epistemologischen Funktion (Bedeutung für den Erkenntnisprozess) und der didaktischen Funktion (Bedeutung innerhalb des vollständigen Lernprozesses) von Aufgaben unterschieden (vgl. auch Prediger et al., 2014). Anschließend werden die beiden Typen von Beurteilungsaufgaben erläutert, bei denen die epistemologische Funktion keine Bedeutung hat.

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