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1 Aufgaben als Schlüssel zu einer kompetenzfördernden Lehr-Lern-Kultur
ОглавлениеHerbert Luthiger, Susanne Wildhirt (Pädagogische Hochschule Luzern)
Wer in 1980er- und 1990er-Jahren in schulpädagogisch und erziehungswissenschaftlich orientierten Fachzeitschriften und Fachpublikationen recherchierte, musste feststellen, dass das Thema »Aufgaben« sowohl in den Fachdidaktiken als auch in der Allgemeinen Didaktik kaum Beachtung fand, auch wenn seine Bedeutung für die unterrichtliche Praxis theoretisch oft hervorgehoben wurde (vgl. z. B. Grell & Grell, 1985; Meyer, 2007; Seel, 1981) und für die alltägliche Unterrichtsplanung der Lehrkräfte empirisch gut belegt werden konnte (Bromme, 1981; Haas, 1998).
Heute sprechen die Zeichen – wohlbegründet – für das Thema »Aufgaben«. Sie sind inzwischen zu einem wichtigen und prominenten Gegenstand der Unterrichtsentwicklung geworden. Denn, so interpretiert Reusser (2014) diese Fokussierung, mit dem kompetenzorientierten Unterricht »sind wir bei jenem Punkt angelangt, bei dem die Funktion und Qualität von Aufgaben und ihrer angeleiteten und selbstständigen Bearbeitung in Hinsicht auf den mit heterogenen Lerngruppen zu erreichenden Bildungsauftrag hervortreten: als Lernaufgaben im Dienste des Aufbaus und der Förderung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen in allen Inhaltsbereichen und als in Tests eingebettete Leistungsaufgaben, die der Überprüfung von Bildungsstandards bzw. der Evaluation der Zielerreichung dienen« (ebd., S. 79).
Warum ist das so? Prägnant bringt dies Reusser wie folgt zum Ausdruck: »Attraktive – inhaltlich und methodisch durchdachte – fachliche Probleme und Lernaufgaben, seien es Einstiegs-, Vertiefungs-, Übungs-, Transfer- oder Testaufgaben, bilden das Rückgrat eines schüleraktivierenden Unterrichts – als Quellen der Motivation und Ausgangspunkt für Schülerinnen und Schüler, sich auf Gegenstände einzulassen und dabei fachliche und überfachliche Kompetenzen auszubilden« (ebd., S. 81).
Auch die Lehr-Lern-Forschung hat das Thema »Aufgaben« (wieder) entdeckt, und zwar sowohl zur Erfassung der Aufgabenqualität unter fachdidaktischem (vgl. z. B. Jordan et al., 2006; Neubrand, 2002) als auch unter allgemeindidaktischem Aspekt (vgl. z. B. Blömeke et al., 2006; Kleinknecht, 2010; Maier et al., 2010).
In der Praxis sind Aufgaben seit jeher selbstverständlicher Bestandteil des Unterrichts. Nach einer Schätzung von Eikenbusch (2008, S. 6) erteilt eine Lehrkraft im Laufe ihres Berufslebens über 100 000 Aufgaben – und nicht selten bis zu einer Viertelmillion. Das bedeutet, dass sich ein Schülerinnen- und Schülerleben explizit entlang von Aufgaben vollzieht. So verbringen Schülerinnen und Schüler beispielsweise im Mathematikunterricht vier Fünftel ihrer Unterrichtszeit mit Aufgabenlösen (vgl. Reusser, 2013, S. 4). Damit kann man Unterrichten ohne Weiteres auch als »Arbeiten mit Aufgaben« (Bruder, 2003, S. 12) bezeichnen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Aufgaben als zentrale didaktische Werkzeuge fungieren und, sofern ihr Potenzial erkannt und im Unterricht richtig eingesetzt wird, sowohl Träger der Lerninhalte als auch Strukturgeber für Aktivitäten und Interaktionen von Lehrenden und Lernenden sind. Wohl deshalb bezeichnet Reusser (2013) Aufgaben als »das Substrat der Lerngelegenheit im Unterricht« (ebd., S. 4), Thonhauser (2008) sieht sie »als Katalysatoren von Lernprozessen« (ebd., S. 15), und Büchter und Leuders (2005) erheben sie zur »Steilvorlage für gelingendes, variantenreiches Lernen in einem guten Unterricht« (ebd., S. 14).