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Kapitel 9 1987 Frieder

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Frieder wurde ein hübscher Junge mit ausdruckstarken braunen Augen. Er lächelte zu jeder Zeit und war mit sich und der Welt in Einklang. Der strenge kurze Haarschnitt tat seiner liebenswürdigen Ausstrahlung keinen Abbruch.

Am liebsten strolchte er mit den anderen Jungs durch die Gänge des Klosters. Wie anders war die Welt des Internats, als in seinem Zuhause. Die Mönche und Lehrer hatten fast zu jeder Zeit ein Ohr für die kleinen und großen Probleme der Kinder.

Seine schulischen Leistungen gaben zu keiner Klage Anlass. Das junge Gehirn sog Wissen in sich auf und verarbeitete es erstaunlich geschickt. Der streng geregelte tägliche Ablauf des Internats- und Klosterlebens kam den Neigungen Frieders entgegen.

Er lernte, sein Leben Regeln zu unterwerfen. Hielt er sich strikt an die angesagten Normen, gab ihm das die Zeit, das zu tun, was er am liebsten tat. Nämlich Lernen.

Lesen übte Faszination auf ihn aus. Auch, wenn er den überwiegenden Teil der aneinander gereihten Buchstaben noch nicht verstand. Erst viel später wurde ihm klar, dass diese Sucht im jungen Alter, den künftigen Lebensweg prägte.

Frieder liebte die Geschichten aus der Bibel fast noch mehr, als das Lernen. Sein Lebensinhalt wurde der ‚Liebe Gott‘ und sein Sohn Jesus Christus. Mit dem Heiligen Geist konnte er noch nichts anfangen. Sein Vorstellungsvermögen reichte nicht. Er weinte bitterlich als der Sohn Gottes am Kreuz starb und lachte fröhlich, als er Ostersonntag wieder auferstand. Frieder wollte dem ‚Lieben Gott‘ auch ein guter Sohn sein.

Zum Leben im Kloster gehörte, die täglichen kleinen Sünden zu bestrafen… schließlich gab der ‚Liebe Gott‘ Sanktionen vor und achtete darauf, dass er ein guter Mensch wurde.

*

Frieder war keineswegs verwundert, als der Abgesandte des ‚Lieben Gottes‘ ihn zum ersten Mal holte.

Frieder lag auf dem Bett, in dem Zimmer, das er mit drei anderen Jungen teilte und ließ den Tag Revue passieren. Nochmals ging er im Geiste die Gesetze der Addition und Subtraktion durch. Morgen sollte eine Klassenarbeit erfolgen. Seine Mitbewohner atmeten ruhig. Sie schliefen.

Er hielt kurz inne, als die Türe leicht knarrte und entspannte gleich wieder. Manchmal kam Vater Benedict und strich ihm und den anderen Jungs über die Wange. Glücklich lächelnd drehte er sich zur Seite, um die Berührung willkommen zu heißen und voll zu genießen.

Doch die Hände, die ihn packten, streichelten nicht sondern verursachten Schmerzen. Eine große Hand lag auf seinem Mund, die andere zerrte ihn aus dem Bett. Hatte er etwas angestellt? Die Regeln missachtet? Sein Körper verkrampfte und wurde starr. Ein erschreckter Laut entfloh in die Handfläche auf seinem Mund.

„Keinen Ton“, flüsterte die barsche Stimme. „Und komm.“

Der Mann schleppte ihn mehr, als dass er ging. Nach endloser Zeit, wie ihm schien, schlug die Tür der Kammer zu, in die er gestoßen wurde. Die Hand presste weiterhin gegen seinen Mund und nahm ihm den Atem. Der Unbekannte presste seinen Kopf und Oberkörper über die Lehne eines Stuhls.

Furchtbarer Schmerz wütete durch seine Eingeweide und der kleine Verstand glitt weg. Als Frieder wach wurde, fühlte er Schmerz. Schmerz dort, wo der Darm sich auf der Toilette entleerte. Und tief im Innern wütendes Pochen. Er stand mit steifen Gliedern auf, weil er den Drang zur Toilette verspürte. Der Mann war nicht mehr da. Auf nackten Füßen tappte er den dunklen Flur entlang und gelangte zum Waschraum mit den angrenzenden Toiletten. Hier war auch die einzige Lampe, die während der Nacht eingeschaltet werden durfte.

Im Licht sah er die Blutfäden an seinen Oberschenkeln und die Tropfen, die an den Waden zu den Füßen sanken.

Was war geschehen? Er hatte absolut keine Ahnung, wusste jedoch, dass er zu niemandem ein Wort verlieren durfte.

„Du sagst niemanden, was geschehen ist“, drohte die schroffe Stimme. „Manchmal tut der ‚Liebe Gott‘ weh… wie seinem Sohn Christus. Kein Wort oder seine Strafe trifft dich.“ Frieder hatte die drohenden Worte im Ohr.

Schluchzend verrichtete er seine Notdurft und wusch gründlich das Blut von seinem Popo ab. Das kalte Wasser weckte ihn vollends aus dem benommenen Zustand, in dem er sich befand. Er schlich in die Schlafkammer und suchte die Flucht im Schlaf, der heute lange auf sich warten ließ.

Nach zwei Tagen erinnerten noch ein leichtes Brennen beim Stuhlgang und die Verstörung in seinem Geist an den Vorgang.

Doch der Mann kam wieder. „Egal, was geschieht, du darfst niemals den Blick heben. Der ‚Liebe Gott‘ wird dich sofort bestrafen“, sagte der Mann, wenn er ihn aus seinem Zimmer holte.

*

Vergeltung

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