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HEIKLES UND EXOTISCHES
Gutes Benehmen in Randgebieten Darf man als Autor das Binnen-i verweigern?

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JA.

Mag sein, dass man erklären sollte, worum es dabei geht. Jeder kennt zwar das sogenannte Binnen-i, aber nicht jeder muss wissen, dass es so heißt.

Binnen-i bezeichnet ein großes „I“ mitten in einem Benennungswort, wie beispielsweise in SchaupielerInnen, SchriftstellerInnen oder AutofahrerInnen.

Früher schrieb man einfach die männliche Form (zum Beispiel Schauspieler). Die Leser dachten sich automatisch die weiblichen Formen dazu (Einzahl: Schauspielerin, Mehrzahl: Schauspielerinnen).

Irgendwann protestierten bewegte Frauen. Sie geißelten dies als Relikt männlichen Herrschaftswahns. Im Sinne der Emanzipation und Geschlechter-Fairness erfanden und verlangten sie das Binnen-i und drohten Boykott aller Zeitungen und Buch-Verlage an, die nicht gehorchten.

Weicheier gaben unverzüglich nach, darunter viele Journalisten, Schriftsteller-Freunde und ich. Zwar begriffen sie das Binnen-i als unschön, sogar als brutale, ästhetische Entstellung des gewohnten Schriftbilds, wollten aber ihren Beitrag zum Geschlechterfrieden leisten. Sie hatten aber die Rechnung ohne die LeserInnen gemacht. Diese, vor allem auch Frauen, protestierten gegen „die hässliche Hürde“ und „Lesefreude-Bremse“. Sodass die meisten Autoren und Medien erleichtert zur alten Form zurückkehrten.

Eine kluge, besänftigende und schöne Erklärung dafür setzte Markus Hengstschläger an den Anfang seines Bestsellers „Die Durchschnittsfalle“ (Untertitel: Gene – Talente – Chancen, 2012). Er schrieb: „Um die Lesbarkeit des Buches zu verbessern, wurde darauf verzichtet, neben der männlichen auch die weibliche Form anzuführen, die gedanklich selbstverständlich immer mit einzubeziehen ist.“

Erst als der tapfere Genforscher und Freund Hengstschläger vorangegangen war, wagte auch ich die Rückkehr zur klassischen, männlichen Schreibweise. Sollte in diesem Buch noch irgendwo das Binnen-i auftauchen, ist es als Echo meiner Angst vor Emanzen zu lesen.

Politiker sagen in Wahlreden, wo sie weder Platzprobleme noch optische Probleme kennen, in jedem zweiten Satz zur Sicherheit „Liebe Wählerinnen und Wähler“. Nur Bundespräsident Thomas Klestil selig war auch als Redner auf halbem Weg zu einer Art Binnen-i beziehungsweise Binnen-R. Er entzückte Kabarettisten mit seiner Anrede „Liebe Österreicher und Rinnen“.

Darf man sich`s urgut gehen lassen?

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