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Darf man in mehrmaligen Frage- & Antwort-E-Mails alle Floskeln weglassen?

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Die Frage ist klug, so wie die Fragestellerin selbst, die, obgleich blond, immer wieder für Überraschungen sorgt. In diesem Fall zeigte sie einen wachen Sinn für Historie.

Im frühen 16. Jahrhundert, zur Zeit des Seefahrers Christoph Kolumbus, als jeder Brief Monate brauchte, um den Adressaten zu erreichen, wäre diese Frage gar nicht verstanden worden. Man schrieb damals mit der Feder auch nur zehn Worte, ehe man sie wieder in die Tinte tauchte. Ein guter Brief brauchte den ganzen Vormittag. Auf eine beglückende Anrede und eine unvergessliche Abschiedsformel zu verzichten, hätte keinen Zeitgewinn gebracht, den Adressaten aber tief verletzt.

Nun aber ist die Rede von der schnellsten Post, die es jemals gab, der sogenannten E-Mail, wo zwei PC- & Phone- & Pad-affine Briefpartner einander oft sieben Briefe in fünf Minuten schreiben, sieben hin und sieben her. Hier stellt sich die Frage, ob man Anrede und Ausklang wirklich immer dazuschreiben muss. Sonst wird nämlich, wie Bäuerinnen sagen, die Suppe teurer als das Fleisch. Das heißt: Man braucht mehr Zeit für Anrede und Abspann als für die Briefe selbst.

Man sollte dennoch streng mit sich sein. Nur in zwei Fällen darf man grundsätzlich auf die Höflichkeit der Anrede und Abrede verzichten.

Fall 1:

Zwei Freundinnen unterhalten sich per E-Mail über aktuell untreue Männer und betreuen einander. Hier sorgt schon der schriftliche Tonfall sizilianischer Klageweiber dafür, dass jede weiß, von welcher der Brief kommt. Anreden sind überflüssig. Und ein Abspann voll Trost erübrigt sich, weil Trost nicht wirklich gewünscht wird. Würde er von der Freundin dennoch gewagt werden, liefe er in das Messer folgender Retour-E-Mail:

„Du erfrechst Dich, mir Trost zu spenden? Obwohl Du weißt, dass diese Liebe die höchste seit Titanic war? Eine Liebe, die mich für immer trostlos zurücklässt? Wie willst Du Dich in meine Lage versetzen? Du, die doch immer nur seichte Lieben kanntest. Wie beneide ich Dich! Du darfst glücklich sein, dass Dich dieser pickelige Pykniker mit dem lächerlich-unpassenden Namen Herakles verließ. Ich aber bin ins Nichts geworfen. Mein Orpheus entwich. Er singt jetzt für eine fünfzehn Jahre ältere Schlampe, Dein Jahrgang übrigens. Kein Wunder, dass Du glaubtest, für einen Verlust dieser Art gebe es Trost. Lauf meinetwegen Deinem letztklassigen Herakles nach. Richte ihm meine Kondolenz aus, dass er es so lange mit Dir aushalten musste. Aber erfreche Dich nie wieder, mich als Liebste Freundin anzusprechen und mir am Ende gar Trost in einem Liebesleid zu spenden, dessen Tiefe Du nie verstehen wirst.“

Fall 2:

Der hoffärtige, bärtige Sekretär Cyril Ostenhof-Orgovany des hoffärtigen City-Park-Golf-Clubs schreibt dir per E-Mail steif, der Club sei seit Jahrzehnten geschlossen und bumm-zu, aber man wolle für dich gern eine Ausnahme machen. Man wünsche dich als erstes neues Mitglied seit Tschernobyl. Man setze dein Einverständnis voraus, da alle Männer der Stadt von dieser Mitgliedschaft träumten.

Da Ausnahme-Genehmigungen aller Art eine lebenslängliche Verbindlichkeit bedeuten, praktisch eine Erpressung und daher eine kriminelle Zumutung sind, antwortet man umstandslos wie folgt:

„Teilen Sie Ihren Brotherren mit, dass ich ungern mit Sekretärinnen verkehre. Und wenn doch, dann per Separee, nicht per E-Mail. Und dass ich es mit meinem verwichenen Freund Oscar Wilde halte: Ich verachte jeden Club, der meine Mitgliedschaft akzeptiert. Eine Bestätigung meines Mails ist unerwünscht und landet im SPAM-Ordner.“

Im engen Freundeskreis kann man sich Anreden und Abspänne in der E-Mail (nicht aber in Papierbriefen) logisch sparen. Man kennt ihre sprachlichen Eigenheiten. Einer meiner Einser-Freunde ist ein Erzengel, spielt aber gern den Liliom von Molnar und beginnt jede E-Mail mit dem Imperativ: „Huach zua!“ (für unsere deutschen und schweizerischen Leser: Hör zu!). Mein alter Deutsch-Professor, der den Sound meiner Vorträge liebt, grüßt per E-Mail immer mit Ave Cicero. Ein Dritter verabschiedet sich, seit es E-Mail gibt, mit den Sätzen: Adieu, mein Schatz. Das war’s. Wir sehen uns wieder auf Wolke 7. Ich weiß, dass er sich davon das ewige Leben verspricht.

Das aber sind intime Spielereien, die ein jeder kennt und die keinen was angehen.

Darf man sich`s urgut gehen lassen?

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