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9 Namensgebung

Frühling 2013

Meinrad und Pia Meier in Gesellschaft von Ziehsohn Albino trafen sich mit den Migrationsbehörden. Der Junge hatte sich weiter überaus positiv entwickelt, er machte Freude. Dabei war die geistige Entwicklung mit der körperlichen einher gegangen. Er sah nun sehr erwachsen aus und gab sich auch so.

Bei dieser Sitzung ging es um ein wichtiges Thema: Albino Sahel hiess in Wahrheit nicht Albino Sahel. Dies war allseits bekannt. Er sollte nun aber von Amtes wegen mit einem offiziellen Namen versehen werden. Es ging unter anderem auch darum, dass er mit Papieren ausgestattet werden sollte. Zum Beispiel mit einem Flüchtlingspass.

Der Chef der Behörde fuhr schon zu Beginn des Gesprächs mit schwer verdaulichem Geschütz auf. «Sie, liebe Frau und Herr Meier, machen mit Albino einen Super-Job mit einzigartigem Vorbildcharakter. Nie je konnte ein Flüchtling schneller, perfekter unter schwierigen Bedingungen integriert werden. Wir sollten ihm nun auch eine korrekte Identität geben, was das Leben für den Jungen vereinfachen täte, aber auch für die Behörden einen klaren Status beinhalten würde. Bis jetzt hatten wir noch nie je einen Asylanten, der keinen Namen, keine Vergangenheit, keine Nationalität hatte. So wie das mit Albino aufgrund seiner vorhergehenden Beeinträchtigung der Fall ist. Wir betreten Neuland. Ich habe mich mit meinen Kollegen beraten und nach unserer Ansicht wäre eine Adoption für alle Beteiligten die einfachste Lösung. Dann würde er ihren Namen tragen, würde Meier heissten! - Könnten sie sich dies vorstellen?»

Meinrad und Pia waren sprachlos, genau wie Albino auch. Aber dann fing sich Meinrad Meier schnell und meinte: «Ich bin der Ansicht, dass ein solcher Anstoss nicht von den Behörden aus erfolgen sollte, nur weil man eine schnelle Lösung auf dem Tisch haben möchte. Eine Adoption ist ein Vorgang, der sehr grosse Konsequenzen mit sich bringt, sowohl für die Eltern wie auch für den Adoptierten. Immerhin haben wir zwei leibliche Kinder, die auch erheblich betroffen wären. In zwei oder drei Jahren ist Albino volljährig. Dann braucht er ohnehin keine Adoptionseltern mehr. Dann wird er seinen selbständigen Weg als mündiger Erwachsener gehen. Ich habe nichts gegen Albino, aber ich möchte keine Adoption!»

Pia teilte die Meinung ihres Ehemannes nicht, sie widersprach: «Die Idee der Adoption gefällt mir gut. Ich würde gerne seine Adoptionsmutter sein! Doch was sagt unser Albino dazu, er ist immerhin die Hauptperson?»

Der Junge zeigte sich verunsichert. Schliesslich meinte er zögerlich: «Ich liebe meine Eltern Meinrad und Pia. Nicht umsonst nenne ich sie in selbstverständlicher Weise Mama und Papa, nicht anders als dies Selina und Ladina tun! Sie haben mir ein neues Leben geschenkt und ich bin ihnen dankbar. Aber ich verstehe Meinrad, dass er keine Adoption möchte. Ich denke auch, dass wir eine andere Lösung finden sollten! – Die Frage ist: Weshalb kann ich mich nicht einfach auch künftig und offiziell Albino Sahel nennen. Ich habe mich an diesen Namen gewöhnt. Er ist seit ich hören kann in mein Gehör gelangt und somit in meinem Bewusstsein verankert. Er gefällt mir! Man kennt mich inzwischen unter diesem Namen!»

Der Beamte hüstelte. «Ist eben nicht so einfach, mein Junge! Doch wenn dies eure demokratische Entscheidung ist, müssen wir wohl oder übel eine andere Lösung finden. Okay, ich werde mich dafür einsetzen, dass Albino Sahel offiziell diesen Namen bekommen kann. Ich hoffe, dass es gelingen wird!»

In der Folge machte das Amt Nägel mit Köpfen. Innerhalb weniger Wochen passierte, was so schwierig schien: Albino bekam einen offiziellen Namen, eine Identität. Und ein Geburtsdatum: 30. Juni 1995. Geburtsort unbekannt. Das Migrationsamt vermerkte ausserdem, dass Albino Sahel in wenigen Jahren berechtigt sei, einen Antrag auf die Schweizer Staatsbürgerschaft zu stellen.

Ein Migrant ohne Namen

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