Читать книгу Auf zum Nullarbor - Hermine Stampa-Rabe - Страница 25

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Verfahren, ich Kamel!

27.01.2013: Mildura – Ouyen: 104 km

In den sanitären Anlagen zwitschert ein Vögelein und flattert herum. Ich öffne ihm die Tür ganz weit. Aber es will nicht hinausfliegen. Es hängt festgekrallt mir gegenüber an dem Fliegengitter und guckt mich an. Als ich es anspreche, fliegt es nach hinten und ist weg. Ich sehe nach, wo es geblieben sein kann. Da erblicke ich ein zum Teil geöffnetes Querfensterchen. Das ist also sein Ein- und Ausflugloch. Eine lustige Begrüßung.

Da ich trotz des neuen Schlafsacks wie gehabt gegen 4.00 Uhr vor Kälte aufwache und nicht ausgeschlafen habe, wie die ganzen Nächte vorher auch, sitze ich wie ein trostloses Häuflein Unglück in meinem Zelt und weiss nicht, wie ich das ändern kann. Nach dem Duschen lege ich mich noch etwas schlafen. Auf diese Weise starte ich heute erst um 9.00 Uhr.

Es radelt sich ganz gut. Da wir heute nicht nur Sonntag, sondern auch einen australischen Feiertag haben, überholt mich den ganzen Tag nur ein einziger Road Train. Und die wenigen Autos, die mich auf der 100 km langen Strecke überholen, hätte ich zählen können. Beidseitig des Highways stehen die hier üblichen Mallee Trees. Ich staune, als ich sehe, dass sie zu blühen beginnen und fertigte ein Foto an.

Gerade stecke ich meinen Fotoapparat wieder in seine Tasche und wende mich meinem Rad zu, da hält gerade vor mir ein weißer Pkw. Heraus springt eine junge Frau, die auf mich zuläuft und mich fragt: „Brauchen sie Hilfe?"

„Nein“, antworte ich dankend und lächle. „Ich habe eben nur ein Foto geschossen. Vielen Dank für ihre angebotene Hilfe.“ Sie strahlt, kann sie doch gleich wieder in ihren Wagen steigen und weiterfahren.

So radle ich hier zur Zeit der Mallee Tree Blüte. Bis zu 50 km bleibt auch die Luft sauber, danach stinkt es wieder von Zeit zu Zeit von den überfahrenen Kängurus, bis beiderseits das Land bestellt ist, bzw. Stoppelfelder liegen. Es geschieht nichts Außergewöhnliches. Wenn eine Raststelle angeboten wird, gehe ich hinein, trinke und ruhe mich aus, setze mich aber nie hin. Ich habe Angst, dass unter der Sitzfläche eine „Schwarze Witwe“, die giftigste Spinne Australiens, hängt und auf Nahrung lauert. Ich möchte nicht dazu gehören.

Am Nachmittag gegen 13.30 Uhr erreiche ich wieder ein Roadhouse. Meine Beine und mein Popöchen schreien nach einer Erholungspause. Ich also nichts wie hinein. Außer mir ist kein Gast zu sehen.

Und während ich in dieser großen Pause unter dem Terrassendach am Holztisch sitze und esse – mein Fahrrad steht auf der anderen Seite des Tisches – kommen fünf Menschen, davon ein Junge von wohl zwölf Jahren, neugierig und freundlich zu mir und möchten wissen, was es mit dem bepackten Rad auf sich hat. Während mir die ältere Frau und ihr Mann Fragen zu meiner Tour stellen, hören der jüngere Mann, seine Frau und ihr Sohn interessiert zu. Als ich vom Nullarbor und dem Road Train erzähle, beginnt der Mann, mir von den Fahrradtouren so einiger Australier durch das Nullarbor zu erzählen. „Sie fahren alle mit Gepäckbegleitung und radeln auf ihren Rennrädern. Allein mit schweren Packtaschen hat es noch niemand gemacht. Das tut hier keiner. Und einmal, als eine größere Gruppe auf ihren Rennrädern das Nullarbor entlang fahren wollte, passierte das Unglück, so dass von dem Sog eines Road Trains die Rennradfahrer ins Schleudern und einer unter die Räder kam – tot.“

Der Mann guckt mich so an, als wollte ich auf den Road Train schimpfen. Aber ich habe gar keine Zeit, dem Mann zu erzählen, dass der Eyre Highway nur zweispurig ohne Seitenstreifen ist und diese Spuren nicht breit sind. Sobald also ein Road Train oder großer Truck ankam, hätten sie alle anhalten und von der Straße gehen müssen. Hatten sie aber nicht getan. Ich wollte dieses nicht mit dem Mann diskutieren. Ich weiss es nun aus meiner Erfahrung besser.

Und seine Frau erzählt mir: „Die Straße von Mildura nach Melbourne ist schon von vielen Fahrradfahrern und Fahrradfahrerinnen gefahren worden.“

„Aber mit Gepäckbegleitung?“

„Ja, mit Gepäckbegleitung.“

„Das war dann einfach und nicht mit meiner Leistung zu vergleichen.“

Die Frau meint: „Ich hätte große Lust, sie mit meinem Auto zu begleiten. Aber die näheren Umstände zu Hause lassen es leider nicht zu. Mein Mann und ich sind mit dem Auto unterwegs, das einen Trailer samt kleinem, auf dem Kopf liegendem Motorboot hinter sich herzieht. Wir sind unterwegs zum Murray River.“ Gemeinsam verabschieden sie sich von mir und wünschen mir eine sichere Weiterfahrt.

Aber langsam schmerzen meine Hände. So rolle ich unter Schmerzen nach Ouyen hinein, suche mir den Caravan-Park und stelle gleich mein Zelt auf, obgleich ich todmüde bin.

Ich nehme mir zum ersten Mal meine zu Hause ausgearbeitete Streckenführung hervor und prüfe nach, welche Orte ich von hier bis Melbourne vorgesehen habe. Da stelle ich zu meinem Schrecken fest, dass ich mich verfahren habe. Eigentlich wollte ich am Murray River weiter gen Osten radeln. Das tut mir nun sehr leid. Deshalb werde ich morgen anstatt in Richtung Melbourne, gen Osten an den Fluss fahren. Dann bin ich wieder auf Spur.

Heute Nachmittag findet hinter diesem Platz ein Pferderennen mit Sulky statt. Ich höre lautstark den Sprecher, kann aber nichts sehen. Die Pferdebesitzer verlassen hinterher mit ihren Tieren den Platz. Ich denke, dass nun Ruhe herrschen wird. Dem ist aber absolut nicht so. Total lautstark spielt in der Nähe auf der Wiese eine Kapelle alte Schlager. Da hier ja ein australisches Volksfest gefeiert wird, kann es sein, dass das so die ganze Nacht hindurch geht.

Währenddessen esse ich mein Pumpernickel-Brot mit ganz dick Butter und einer Knoblauchzehe pro Stulle. Hinterher zieht es mich in die Dusche. Falls ich diese Nacht nicht friere, würde ich wegen der lauten Musik nicht schlafen können. Aber ich bin so sehr müde, dass mich die Musik auch nicht mehr stört.

Dazu trägt sicher auch die viele Garderobe bei, die ich mir einfach übereinander ziehe. Der dünne Pyjama liegt zum eventuellen Gebrauch neben dem Schlafsack. Ein riesiger Vollmond steht tief am Himmel.

28.01.2013: Ouyen – Tooleybuc: 104 km

Ich schlafe tatsächlich bis 6.00 Uhr durch. Die morgendliche Dusche weckte mich vollends auf. Bei aufgehender Sonne schiebe ich auf dem groben Weg des Caravan-Parks zur Straße, 200 m zurück und ich biege in die B12 ein, die mich ganz bis zum Murray River nach Tooleybuc bringen soll. Der geringe Autoverkehr ist wohl darauf zurückzuführen, dass heute ein australischer Feiertag ist.

Die gestrigen Schmerzen meiner Hände sind über Nacht verschwunden. Werden sie heute auf dieser langen Strecke noch einmal durchhalten?

Die Landschaft gleicht der gestrigen mit den beidseitig stehenden Mallee-Trees. Auf der Hälfte finde ich den Ort Manangatang. Im dortigen Supermarkt esse und trinke ich. Glücklich nehme ich die Straße gen Osten nach Tooleybuc wieder unter die Räder.

Nach 104 km erreiche ich meinen in der völlig ruhigen Natur am Murray-River gelegenen Caravan-Park. Der Inhaber fährt sein Auto gleich von seinem Rasenparkplatz und stellt ihn mir zum Zelten zur Verfügung. Darüber hängen große Tücher, die Schatten bieten. Diese Art des Schattengebens gibt es auch bei großen Kaufhäusern für die Autos ihrer Käufer.

Ich skype mit Gudrun in Spanien. Wir verabreden uns für das nächste Video-Telefonieren auf Sonntag. Ich freue mich jetzt schon darauf. Sie hat dann Zeit. Auch kann ich dann mit meiner kleinen Enkeltochter Anna-Lena sprechen.

In der Dusche – es sind nur zwei vorhanden und die eine ist besetzt – erblicke zu meinem Entsetzen auf den weißen Fliesen ein schwarzes Ungeziefer mit länglichem, dickem Bauch und mit Beinen nach allen Seiten. Da denke ich, dass es sich um die Schwarze Witwe handelt und möchte absolut nicht darin duschen. Aber anfassen möchte ich es auch nicht, auch nicht mit meinen Flip-Flops darauf treten. So stehe ich fassungslos mit meiner Waschtüte davor und hypnotisiere es, um aufzupassen, wohin es läuft. Aber es bleibt brav sitzen. Da erscheint eine junge Koreanerin, der ich dieses Tier zeige. Sie meint: „Lebt es noch?“

„Ich glaube, ja. Ist es die Schwarze Witwe?“

„Ich glaube nicht.“ Sie holt den Aufwischmob und will das Tier damit fangen. Es läuft weg. Da merke ich, dass es ein schwarzer, dicker Käfer, eine Kakerlake, ist. Auf jeden Fall befördert sie das Tier nach draußen. Unser Gespräch hört der Inhaber des Caravan-Parks und kommt heraus. Er tötet das eklige Tier. Na, die Ureinwohner hätten es bestimmt gern verspeist. Ich nicht. Auf diese Weise kann ich dann doch duschen, aber nicht in dieser, sondern in der anderen Dusche, aus der die Freundin der jungen Koreanerin tritt.

Wieder in meinem Zelt gelandet, telefoniere ich noch mit meinem Klaus-Otto. Mir wird richtig warm ums Herz.

Auf zum Nullarbor

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