Читать книгу Auf zum Nullarbor - Hermine Stampa-Rabe - Страница 31
Über die Wasserscheide gen Südwesten 03.02.2013: Elmore – Castlemaine: 88 km
ОглавлениеIn der Nacht träumte ich, dass ich hier in Australien mit Gerd Hausotto an einem Kanal stehe, der beidseitig hoch mit Schilf bewachsen ist. Und während wir uns unterhalten, fährt ein großes Containerschiff an uns vorbei. Wir drehen uns um und schauen ihm hinterher. Aber was steht da in ganz großen Lettern quer am Hinterschiff?
HERMINE VON STAMPA
IN AUSTRALIEN
Ich schaue Gerd Hausotto ganz perplex an. Er schmunzelt. Das große Schiff fährt auf dem Kanal weiter und verschwindet hinter dem Schilf.
Als ich um 4.00 Uhr morgens aus meinem Zelt krabble, mir die Flip-Flops an die Füße stecke und meinen Blick zum Himmel richte, steht ganz klar und deutlich das Kreuz des Südens über mir. Und der Vollmond ist jetzt zum Halbmond geschrumpft. Gestern stand er noch senkrecht am Himmel, heute in der Nacht liegt er wie eine Schale quer am Firmament.
Ich schlief wunderbar. Kein kalter Wind sauste durch mein Zelt. Ich war auch sehr warm angezogen. Um 6.15 Uhr schiebe ich bei Morgengrauen – nein, Morgenröte – mein bepacktes Fahrrad vom Caravan Park. Die beiden netten Frauen, die mich eigentlich verabschieden wollten, schlafen noch. Habe es ihnen nicht angetan, sie zu so früher Stunde aus dem Schlaf zu reißen.
Windstille. Der Himmel färbt sich langsam aber sicher immer intensiver orange. Es radelt sich sehr gut. Kann ordentlich viel Geschwindigkeit machen. Hin und wieder fährt ein Auto an mir vorbei. Als die Sonne den Horizont erklimmt, fotografiere ich sie und radle weiter.
Um 8.00 Uhr erwacht der Wind. Die Wärme der Sonnenstrahlen und die Kühle der Nacht kämpfen miteinander ums Vorrecht. Das schaukelt sich heute langsam hoch. Nun beginnen auch die Vögel – sagen wir, die australischen Elstern – an, zu jubilieren. Diese schwarz-weißen Vögel bewundere ich sehr. Sie können so melodisch flöten, schnalzen, wie zweistimmig jodeln – sagenhaft angenehm zu hören.
Mit diesen Gedankengängen verrinnt die Zeit. Ich sehe beidseitig Stoppelfelder, grasende Schafe und Weinplantagen.
Als ich nach Bendigo einradle, finde ich in der ganzen Stadt auf meiner Durchfahrt einen Fahrradweg. Rennradfahrer fahren in Gruppen oder allein im Sonnenschein auf ihren wertvollen Rädern und in ihren bunten Trikots dahin. Ja, mit so einem leichten Rad könnte ich auch mehr Geschwindigkeit aufnehmen. Aber ich bin mit meinem Dauertempo ganz zufrieden.
Bendigo ist eine hübsche und größere Stadt. Aber ab jetzt geht es „zur Sache“, was das Gelände anbelangt. Jetzt wird es bergig. Zum Glück hatte mir Malte Wiedemann aus Hamburg empfohlen, das ganz kleine Zahnrad vom Hardo-Wagner-Rad an mein altes verkapptes Rennrad von 1985 bauen zu lassen. Damit kann ich nun die sich vor mir auftürmenden Berge gut bewältigen. „Vielen Dank, lieber Malte! Ich nehme an, bei dir hat es von meinen positiven Gedanken in deinen Ohren geklingelt.“
8 km vor Castlemaine werde ich auf eine andere Straße gelenkt. Im nächsten Ort, Harcourt, steige ich vor einem kleinen Geschäft ab, in dem man alles erhalten kann. Ich muss mich erst einmal nach diesen Bergen mit Essen trösten. Hier gibt zu meiner hellen Freude Kartoffelpuffer. Dazu lasse ich mir noch Spiegeleier braten. Und was ich nie tat, aber auf dieser Tour doch, ist, dass ich mir eine CocaCola zum Trinken kaufe.
Die Frau, die das Essen in der Küche herstellt, fängt an, sich mit mir zu unterhalten. Sie ist von meiner Fahrradtour ganz begeistert und erzählt mir, dass ihr Sohn eine Rundfahrt per Fahrrad um Europa gemacht hatte – in drei Monaten. Ich lobe ihn sehr. Das hat er auch verdient. Und als ich diese mich anlächelnde Frau frage, woher ihre Vorfahren nach Australien kamen, erzählt sie mir, dass ihr Vater aus Schottland stammt. Und als ich ihr erzähle, dass ich mit dem Fahrrad in England von Land’s End bis zu Schottlands letztem Haus in John O’Groats geradelt war und dass Schottland so sehr schön sei, ist sie ganz begeistert. Sie nennt mir ihren Vornamen Amanda und bittet um meine Email-Adresse, um sich weiterhin mit mir unterhalten zu können. Und als ich ihr erzähle, dass ich über diese Fahrradtour ein Buch schreibe und sie nun auch darin vorkommt, möchte sie das Buch unbedingt später auch kaufen.
So verlasse ich ganz glücklich und etwas erholt das Geschäft, schwinge mich wieder auf mein schweres Rad und rolle die nächsten acht Kilometer bis nach Castlemaine.
In der Zwischenzeit habe ich auf dem Caravan-Park schon mein Zelt aufgestellt, möchte jetzt in die Dusche gehen und im Zelt meine Brötchen mit dicker Butter und mit Knoblauchzehen belegen, Salz darauf streuen und mit Heißhunger aufessen.
Aber von meiner Butter ist nur noch die Hälfte vorhanden. Trotz des Kältebehälters ist sie darin geschmolzen. Aber es reicht noch für beide mitgebrachten Brötchen. Nun muss ich den Kältebehälter, in dem ich meine Nahrungsschätze transportiere und aufbewahrte, reinigen.
Als ich zu meinem Zelt komme, streunt dort eine junge Katze herum und möchte unbedingt mit in mein Zelt. Das will ich aber nicht und verscheuche sie. Sie kommt wieder. Ich jage sie davon. Als ich dann so richtig schön warm im Schlafsack eingekuschelt in der Dunkelheit liege, wundere ich mich über ein plötzliches, helles Geräusch. Und was ist das? Plötzlich steht die kleine Katze in meinem Vorzelt und schlägt die Krallen ihrer Vorderpfötchen unter lautem Miauen in das Fliegengitter meines Zeltes. Na, da packt mich aber die Wut und schlage mit der flachen Hand dagegen. Darüber erschreckt sie sich so sehr, dass sie tatsächlich ganz verschwindet.