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31.01.2013: Echuca – Elmore: 52 km

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Die weißen Kakadus waren gestern Abend und sind heute früh eifrig am Erzählen und Herumfliegen. Vorher beschwerten sich die Leute über die rosa Kakadus, weil sie sich so laut unterhalten. Aber gegen die weiße Sorte sind die anderen noch harmlos.

Heute früh kann ich mein Zelt trocken zusammenrollen. Auf diesem Campingplatz in Echuca zeltet ein sehr nettes Pärchen. Sie ist Italienerin und er Australier. Sie trafen sich mal zufällig in London. Nun wohnen sie schon viele Jahre in Italien und machen aber regelmäßig in Australien Urlaub, seit beide in Rente gegangen sind. Ihr Auto steht in Australien bei Freunden – Autoschlossern - in der Garage. Auf diese Weise sind sie hier immer unabhängig und möchten heute in Richtung Port Augusta und danach gen Süden nach Adelaide weiterfahren. Sie verbringen in Australien jedes Jahr eine Zeitspanne von sechs Monaten per Caravan-Parks.

Heute fährt es sich so gut wie gestern: total plattes Gelände und so gut wie überhaupt kein Wind, keine Trucks und nur drei Road Trains, die alle um mich einen großen Bogen schlagen. Ich winke ihnen jedes Mal ein Dankeschön hinterher. Ich glaube, das haben sie sich alle schon per Telefon erzählt.

Die Landschaft um mich herum zeigt wie gestern Stoppelfelder und zwei große Rinderherden: eine aus nur schwarzen und eine aus der Holsteiner Schwarzbunten Rasse. Komme mir vor wie in Deutschland.

In Rochester fällt mein Blick linkerhand auf eine große Plastik aus gegossenem Metall: Oppi, der berühmteste Rennradfahrer Australiens! Na, da halte ich an, schiebe mein Rad in die Nähe und lese mir seine großen Rennradtaten durch: Er war nicht nur Paris-Brest-Paris und die Tour de France gefahren, sondern noch viele andere sehr große Rennen. Daraufhin wurde er von der englischen Königin zum „Sir“ geadelt. Ich hoffe, Während ich sein metallenes Bein tätschele, dass von seiner Energie wenigstens ein klein wenig in mich übergeht.

Während ich dort so stehe und staune, tritt ein junges Ehepaar auf mich zu und grüßt sehr neugierig. Es handelt sich um einen Michael und seine französische junge Frau Carroll. Sie möchten unbedingt wissen, woher ich bin und wohin ich möchte. Sie fotografieren mich mit dieser Statue.

Auf meiner Weiterfahrt sehe ich mal wieder ein weibliches, totes Känguru auf dem Rücken liegen. Das sieht so aus, als ob das Baby aus der Muttertasche noch klettern wollte, es aber nicht mehr schaffte. Traurig.

Der Caravan-Park Heathcote ist noch 71 km entfernt. Eigentlich habe ich vor, noch bis dahin zu kommen. Aber als das Ortseingangsschild Elmore erscheint, entscheide ich mich dazu, hier zu übernachten. Es handelt sich um einen kleinen Ort. Demzufolge kann der Caravan-Park nicht so teuer sein.

So setze ich mich erst in ein Café und esse Obstsalat. Die nette Dame hinter der Theke erzählt mir, dass ihr Vater aus Holland und ihre Mutter aus Wiesbaden, Deutschland, kamen. Ihr Vater war erst 15 Jahre, als er einfach von zu Hause ausriß und nach Australien ging. Das war kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Hier in diesem fremden Land passte er sich gut an, lernte die englische Sprache und packte bei jeder Arbeit an. Durch Zufall lernte er seine deutsche Frau hier kennen. Sie heirateten. Leider ist der Mann nun schon verstorben. Aber die Tochter ist sehr stolz auf ihn, weil er so fleißig war und sich im fremden Land durchgebissen hatte.

Auf meine Frage: „Wieso ist er denn als Junge von zu Hause ausgerissen?“ – antwortet sie:

„Seine Mutter war zu streng mit ihm. Auf diese Weise konnte er ihr aus dem Weg gehen. Er hielt es zu Hause nicht mehr aus.“

Und dann werde ich noch von einem Mann, der hier arbeitet, auf Deutsch angesprochen.

„Sind sie aus Deutschland?“

„Nein, ich stamme aus der Schweiz. Mein Vater besaß dort einen großen Fuhrpark. Damit wurden Geschäfte von der Schweiz bis weit nach Deutschland hinein abgewickelt. Deutschland ist sehr schön.“

Bevor ich mich auf dem Caravan Park in Elmore eintrage, möchte ich den Übernachtungspreis wissen. Ist der Preis hoch, fahre ich nach Heathcote weiter. Von der sympathischen Deutsch-Holländerin erhalte ich die Telefonnummer des hiesigen Caravan-Parks und rufe an. Da ich die Frau am anderen Ende so schlecht verstehen kann, überreiche ich den Hörer der Frau hinter dem Tresen. Sie fragt nach dem Übernachtungspreis und teilt ihr mit, dass ich nur mit dem Push-Bike und einem kleinen Zelt unterwegs sei. Deshalb brauche ich nur $10 pro Nacht zu bezahlen. Da lasse ich durchsagen, dass ich für drei Nächte buche und gleich komme.

Ich befinde mich gerade in den sanitären Anlagen, um auf meinem Computer zu schreiben. Unter dem Waschbecken liegt eine Kakerlake auf dem Rücken. Ich weiss nicht, ob sie noch lebt. Vorsichtshalber puste ich sie nicht an. Vielleicht fängt sie dann an, mit ihren vielen schwarzen Beinen zu zappeln. Nein, das kann ich nicht sehen. Hoffentlich ist sie heute Abend weg. Gleich stelle ich mein Zelt auf, weil die Sonne weiter gewandert ist und mein Platz nun im Schatten liegt.

Kaum bin ich damit fertig, da fängt es draußen an zu stürmen! Ich lege mich lang auf den Rücken und halte mit beiden Händen, Armen, Füßen und Knien die dem Sturm zugewandte Zelt-Wand stabil. Der Sturm hält fast zwei Stunden an. Der Himmel zieht zu. Was für ein Glück, dass ich schon hier auf dem Caravan Park bin und das Zelt steht.

Als ich abends mein Pumpernickel-Brot dick mit Butter, Knoblauchzwiebel und Salz essen möchte, läuft mir schon allein vom Gedanken daran die Spucke im Mund zusammen. Und als ich meine Schätze im Zelt ausbreite, stelle ich fest, dass ich vor zwei Tagen auf dem Campingplatz meine Butter im Kühlschrank liegen ließ. Was soll ich machen? Im Gefängnis lebten die Gefangenen von trockenem Brot mit Salz und Wasser. Warum soll ich davon nicht auch leben können? Die Gefängnisinsassen hätten sich über den Knoblauch bestimmt riesig gefreut, bekamen ihn aber nicht. Aber ich! So lebe ich mit trockenem Brot, Salz und Wasser und der „Delikatesse“ Knoblauch. Ich bin ein Knoblauchmonster geworden. Mir kommt sicher niemand zu nahe.

Während ich in den sanitären Räumen für die Ladies an einem Bord stehe und schreibe, sehen mich die Damen, die mal „müssen“. Dabei befindet sich eine ganz besonders nette, ältere, die sagt: „Sie sind großartig!“

Ich erkläre ihr: „Mich halten alle für verrückt.“

„Nein“, meint sie, „das sind sie nicht. Ich wünsche ihnen von Herzen, dass ihnen auf ihrer großen Fahrradtour nichts passieren möge.“

Komisch, mir fällt gerade ein, dass ich ja unendlich schrecklich nach Knobi stank. Und sie hat nichts gesagt, und auch nicht die Unterhaltung von ihrer Seite aus kurzfristig abgebrochen. Alle Achtung!

Während ich mich dusche, hoffe ich, dass der Sturm, falls er wieder zuschlägt, mein Zelt nicht wegpustet. Ansonsten müsste ich hinterherlaufen und es wieder einfangen. Was für ein schrecklicher Gedanke!

Als ich die sanitären Anlagen verlasse, ist es dunkel. Mein Zelt steht noch treu und brav. Die darin stehenden Packtaschen wären auch zu schwer zum Wegpusten gewesen. Aber beim Aufziehen des Reißverschlusses werden meine Hände nass. Es hat in der Zwischenzeit geregnet. Was für ein Glück, dass es jetzt draußen wenigstens trocken ist.

Aber kalter Wind pfeift von rechts unten in mein Zelt. Das muss ich unbedingt abändern. So kann ich doch nicht schlafen! Was soll ich machen? Linkerhand stehen schön aneinander aufgereiht meine Packtaschen. Dort kann er nicht durchpfeifen. So entschliesse ich mich dazu, die beiden kleineren Packtaschen rechts neben meine Lenkertasche zu stellen. Außerdem besitze ich ja noch hier meine große Waschtüte und die große Tüte mit meiner Garderobe. Diese beiden Teile stelle ich hinter die zweite kleine Packtasche. Meine Frühstücksunterlage befindet sich quer und senkrecht hinter meiner Lenkertasche.

Mir ist klar, dass dies eine sehr kalte Nacht wird. Das muss ich abändern. Kurzentschlossen hole ich alle meine Fahrradgarderobe aus meinen Packtaschen und ziehe sie übereinander an. Ich besitze nur ein Paar Socken, das etwas wärmer als die dünnen aus Baumwolle ist. Aber die Füße stecken ja mit dem Schlafsackhinterende in der Cool-Tasche, damit der Wind da nicht zugreift. Auf den Kopf stülpe ich mir die gelbe Pudelmütze, die ich von Reni mit der gelben Fleece-Jacke geschenkt bekam. Diese ziehe ich als letzte Schicht über alles. Nur hat der Reißverschluss der Jacke seinen Geist aufgegeben. Kann sie vorn nicht zuziehen. Aber besser so als gar nicht.

So krabble ich vorsichtig in meinen Schlafsack, schiebe meine Füße mitsamt Schlafsackhinterende in die Tasche, decke noch über alles von unten bis oben mit dem Badetuch ab und ziehe mir den Schlafsack bis über beide Ohren. Der Wind ist ausgesperrt. Die Zeltpflöcke schlug ich vorher auch noch alle einzeln tiefer in die Erde. Die Sturmabspannung steht gut und fest. Also: Gute Nacht!

Auf zum Nullarbor

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