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05.02.2013: Ballarat – Warnambool: 21 km

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Während ich splitterfasernackt im Waschraum vor den Duschen stehe, geht plötzlich die Tür auf und ein tätowierter, mitteljunger Mann möchte herein.

„Huch!“, sage ich, „uno momento. Sie können gleich hereinkommen.“

Die Tür geht zu. Ich schlüpfe ganz flott in meinen Pyjama und lasse den Mann eintreten.

„Sorry“, meint er ganz verschämt.

„Ach, das ist schon ganz okay so“, erwidere ich.

Kurz darauf ist er wieder verschwunden und ich bald danach auch, um mich anzuziehen. Dabei fällt mir meine gestern getragene Fahrradgarderobe in die Hände. Nun weiß ich auch, weshalb ich gestern so fror. Meine wärmere Fahrradhose und die wärmeren Fahrradshorts sind noch schweißnass. Darum muss ich heute die ganz dünne lange Fahrradhose samt der ganz dünnen kleinen Fahrradunterhose tragen.

Bald trage ich meine Taschen nach draußen in den Hof zu meinem dort abgeschlossenen Fahrrad. Es sind nur 12°C. Aber die stören mich heute nicht, vielleicht nur an den Händen aufgrund meiner dünnen Sommerhandschuhe.

Um 6.15 Uhr rolle ich vom Hof und auf die mir von meinem Wirt aufgemalte Straße, die mich zum Glenelg-Highway bringt, auf dem ich heute nach Skipton radle, um dort die Nacht wild zeltend in deren Park zu verbringen. Es ist diesig und kühl. Zu dieser Zeit fahren nur ganz wenige Autos auf der Straße entlang.

Es dauert eine ganze Zeit, bis ich auf diesen Highway stoße. Dann geht es gen Westen. Hier rollen schon allerhand Trucks und Road Trains entlang. Aber für mich steht ein Seitenstreifen mit einer sehr glatten Oberfläche zur Verfügung. Es rollt sich gut. Die Autos fahren noch alle mit Licht. Ist es nun neblig oder diesig? Ich weiss es nicht. Meine Hände frieren. Zum Glück besitze ich ja die neue rosa Jacke. Darin ist mir pudelwarm.

Als ich so dahinradle, hupt von hinten ein Truck. Huch, denke ich. Was will der denn? Ich radle doch artig auf dem Seitenstreifen. Aber der Truck hupt nicht nur dreimal, sondern fährt langsam neben mir her und rechts auf einen freien Platz. Heraus steigt der Truckerfahrer, der heute früh in den Waschraum kam, als ich dort gerade stand.

Er fragt mich lächelnd: „Darf ich dich bis nach Warnambool mitnehmen? Unser Wirt erzählte mir von dir und dass du auf dem Weg nach Warnambool bist.“

Ich bin glücklich und platt. Na, da sage ich natürlich nicht „nein“. Dieser Mann ist so stark, dass er mein bepacktes Rad - bis auf die Lenkertasche und die beiden kleinen Lowrider-Taschen, die ich vorher abnahm - hoch auf seinen Anhänger heben kann. Das hätte ich nie für möglich gehalten! Ich lobe ihn. Er lächelt. Dann hilft er mir mit meinen beiden kleinen Lowrider-Taschen und meiner Lenkertasche vorn auf den Beifahrersitz und fährt mit mir durch die frühen Morgenstunden. Bald hebt sich der Nebel. Die Sonne kommt durch. Das Gelände wird langsam flacher.

Wir beide unterhalten uns prima. Auf diese Weise lerne ich. wie es kommt, dass die australischen Bäume nach einem Waldbrand wieder wachsen. Hin und wieder stehen beidseitig verkohlte Eukalyptusbäume, die aber alle ein dichtes Blätterdach aufweisen. Ich frage ihn: „Wie kommt das? Wenn bei uns in Europa die Baumrinde verbrannt oder rundherum beschädigt ist, stirbt der Baum unweigerlich, weil zwischen der Rinde und dem Holz die Säfte von den Wurzeln bis in die Blattspitzen transportiert werden. Wenn dieser Weg unterbrochen wird, stirbt er.“

„Ja“, antwortet mein männlicher Engel. „Bei diesen Bäumen hier wird der Saft von den Wurzeln bis zu den Blattspitzen in der Mitte des Baumstammes befördert. Deshalb überleben sie die Hitze und das Feuer.“

Ich bin sprachlos. „Das habe ich noch nie gehört. Hier hat der liebe Gott eine ganz andere Sorte Bäume wachsen lassen.“

„Jason, bei Euch in Australien sind alle Preise so schrecklich hoch. Wie könnt ihr das eigentlich bezahlen? Oder seid ihr alle so reich?“

„Man sollte keine Urlaubsreisen oder Fahrradtouren unternehmen, immer zu Hause bleiben, sein Essen selbst kochen, möglichst einen eigenen Garten für Gemüse haben und wenn es geht, seine Garderobe selbst nähen und stricken.“

Das ist wie: Zurück in die Vergangenheit, Jason.“ - „Ja.“

Wir sehen vor uns kleine Berge, auf denen vereinzelt Bäumen stehen. Jason erzählt: „Eigentlich waren die Berge kahl. Aber die Vögel verteilten mit ihrem Dung die unverdauten Samenkörner überall wie auch auf diesen Bergen. Deshalb wachsen dort Bäume. Die Vögel ersetzen die Gärtner. – Und wo willst du nun ab morgen entlangfahren? Du solltest unbedingt die Möglichkeit in Geelong nutzen und mit der Fähre nach Tasmanien fahren. Dort kannst du dir diese einmalig wunderschöne Insel ansehen. Später würde es dir leid tun, es nicht getan zu haben.“

Mit dieser neuen Möglichkeit im Kopf, meine Fahrradtour in Australien zu bereichern, sitze ich träumend neben ihm. Er reicht mir seinen Auto-Straßenatlas von Tasmanien. „Sieh dir das mal genau an und mache es auch!“

Wir unterhalten uns prima. Unterwegs wird abgeladen und weitergefahren. Mittags erreichen wir bei strahlendem Sonnenschein und einem Blick hinüber auf den blauen Indischen Ozean Warnambool. Bei der Hauptstraße hält mein Engel und holt mir mein Rad herunter. „Das ist ja ganz schön schwer“, meint er anerkennend.

„Ja, ich weiß. Vielen Dank, dass du mich bis hierher mitgenommen hast. Als Dank erhältst du dann ein Buch, das ich über diese Fahrradtour schreibe und ins Englische übersetzt habe. Denn schließlich wirst du nun auch darin verewigt.“

Darüber freut er sich sehr und reicht mir seine Visitenkarte. Er erhält auch eine von mir, falls eine von beiden verloren gehen sollte. Und plötzlich rollt hupend „mein Truckerfahrer“ weiter. Habe ihm noch lange nachgewinkt und er zweimal gehupt.

Ich habe Hunger, kaufe mir Sushi und Obst und esse. Das nächste Problem steht an: Wo kann ich heute mein Zelt aufbauen oder schlafen? Die Jugendherberge von vor zwei Jahren gibt es nicht mehr. Beim Backpacker Hotel nimmt niemand den Hörer ab. Ich soll mal gleich dahin gehen. Es sei nicht weit. Aber ich finde es nicht und frage eine andere freundliche Frau. Sie verweist mich an den Caravan-Park an der Küste. Der steht auf meinem Stadtplan samt Telefonnummer. Weil ich die Frau am anderen Ende dort nicht verstehe, bitte ich diese freundliche Frau, doch das Gespräch zu führen. Das übernimmt sie und zeigt mir ganz genau, wie ich dorthin komme; denn ich befinde mich ja schon am Lake Pertobe.

Es ist nicht mehr weit. So rolle ich dort hin und erhalte einen Stellplatz für mich. Ein Angestellter, der für Sauberkeit sorgen soll, sieht mich auf diesem Platz stehen und wundert sich, warum ich immer nur auf die Erde blicke. Er kommt mit seinem kleinen Fahrzeug angefahren und erkundigt sich bei mir: „Warum willst du dein Zelt denn nicht aufstellen?“

Da zeige ich ihm die unebenen großen Sandflächen und das unebene Gelände. „Nein, hier kann ich mein Zelt nicht aufstellen.“

Er möchte mir helfen; denn er ist von mir begeistert, weil ich mit dem bepackten Fahrrad hier fahre. Er radelt auch mit Begeisterung. Und als er hört, dass ich aus Deutschland bin, erzählt er mir stolz, dass er dort zwei Fahrradfreunde besitzt, die sogar an der Tour de France teilgenommen hatten.

Dann besinnt er sich meines Problems und verspricht mir, mit mir gemeinsam auf diesem großen Caravan-Park für eine Nacht einen richtig guten Grasplatz auszusuchen. Und den finden wir auch. Es geht mit dem kleinen Fahrzeug zurück zu meinem Rad. Mein Gepäck wird aufgeladen und ich darf vor ihm zu dem neuen kleinen Domizil fahren. Dort bedanke ich mich bei ihm. Er will bei der Rezeption meinen neuen Standplatz bekannt geben. Und dann verschwindet er winkend.

Da ich vorgestern zu spät meine Garderobe gewaschen und aufgebummelt hatte, wurde sie bis zum Morgen nicht trocken, weshalb ich die dünnen Sachen anziehen musste. Das soll mir nicht noch einmal passieren. Ab heute wird der Nachmittag anders verbracht: Zelt aufbauen, alle Sachen hineinstellem, duschen, Wäsche waschen, sie aufhängen, essen, dann am PC alle meine Emails beantworten und mein Tagebuch schreiben.

Aber bevor ich meinen kleinen Laptop in Aktion setze, gehe ich zuerst an den Indischen Ozean und fotografiere ihn. Da liegt er vor mir in seiner ganzen Schönheit mit hellblauem Wasser und mit Schaumkronen bestückten Wellen, die ans Ufer rollen. Surfer liegen in der Brandung auf ihrem Surfbrett und reiten die Wellen ab. Ein traumhafter Anblick, dieser Ozean!

So, nun endlich mache ich mich ans Schreiben. Fast zwei Stunden sitze ich daran. Muss noch für meine Freunde ein Foto von meinem Zelt auf diesem Campingplatz anfertigen. Sie denken sonst, dass das überhaupt nicht stimmt, was ich geschrieben und gesagt habe.

Ich bin nun satt und müde und lege mich schlafen. Die Brandung rauscht bis hierher. Der Wind wird wohl wieder durch mein Zelt pfeifen. Muss mir vorsichtshalber alle meine dicken Sachen übereinander anziehen, um in der Nacht nicht zu frieren, wenn dann die antarktische Luft hier Einzug hält.

Auf zum Nullarbor

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