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»Den Chef des Bankhauses müssen wir auf jeden Fall einladen«, erklärte Dagmar Pohl. »Und natürlich Frau Brombacher. Sie hat ja letztendlich die ganze Finanzierung des Umbaus und der Sicherheitssysteme gemanagt.«

»Ja, ja, Sie machen das schon«, murmelte Johannes Werning ohne aufzublicken. Er konnte kaum noch gerade auf seinem Stuhl sitzen, weil es am ganzen Körper keinen Muskel gab, der nicht höllisch wehtat.

Sie legte ihm eine Liste auf den Schreibtisch.

»Ihren Mann ebenfalls. Ich denke, das gehört sich so.«

»Ihren Mann? Wieso das?«

»Wäre Frau Brombacher ein Mann, würden wir ganz selbstverständlich die Ehefrau einladen, also gehört es sich genauso selbstverständlich, dass ihr Ehemann mit eingeladen wird!«

Werning blickte irritiert auf. Es war ungewöhnlich, dass Frau Pohl so bestimmt auftrat. Frau Pohl, die graue Maus - aber irgendwie sah sie heute anders aus. Nicht mehr ganz so grau. Hatte sie etwa Lippenstift aufgetragen? Tatsächlich! Er hatte die Pohl vorher noch nie mit Lippenstift gesehen! Nicht nur das, sie musste auch beim Friseur gewesen sein. Ihr normalerweise formlos angeklatschtes Haar wellte sich jetzt zu einer überraschend modischen Frisur.

»Machen Sie das, wie Sie denken!«, erwiderte er und war froh, dass er sich nicht selbst um den ganzen Kram kümmern musste.

Als Dagmar Pohl zu ihrem eigenen Schreibtisch zurückging, dachte er bei sich: Die wird doch mit ihren knapp 40 Jahren nicht plötzlich einen Verehrer haben? Frau Pohl, die personifizierte alte Jungfer? Aber warum auch nicht. Wie heißt es doch so schön: ›Zu jedem Topf passt ein Deckel‹. Warum sollte sich nicht ein einsamer älterer Herr für sie erwärmt haben.

»Die alten Urkunden sind übrigens alle digitalisiert. Ich gebe Ihnen die Links, dann können Sie alle Texte und Gemälde jederzeit abrufen!«

Das war eindeutig Frau Pohls Stimme, aber sie klang anders als sonst. Nicht so gehemmt und verklemmt.

»Oh, Frau Pohl, das ist ja ganz reizend von Ihnen!«

»Wenn ich Ihnen bei Ihrer Arbeit behilflich sein kann, ist das doch selbstverständlich!«, flötete jetzt die graue Maus in einer völlig ungewohnten Tonlage.

»Trotzdem, die Zusammenhänge kannte ich bisher nicht. Wie gut, dass ich Sie gefragt habe«.

Von plötzlicher Neugier gepackt, ignorierte Werning den brennenden Schmerz in Bauch und Oberschenkeln. Er hievte sich vom Stuhl in die Höhe und folgte dem Klang der Stimmen. Unbemerkt blieb er im Blickbereich zum Saal 3 stehen.

Das ist doch ... Ja, das ist dieser Historiker, der sich schon seit ein paar Tagen im Museum herumtreibt. Die Historiker, die er bisher kennengelernt hatte, wirkten ja meist wie ein wenig aus der Zeit gefallen. Als wenn sich der Staub der Jahrhunderte auf ihnen abgesetzt hätte. Wohingegen dieser Typ eher aussah wie ein Filmstar. Wie ein halber George Clooney - oder auch ein wenig wie die Gangsterbosse aus den alten Filmen über die Chicagoer Prohibition. Der Typ war gut und gerne eins-neunzig groß und muskulös, das sah man selbst unter dem teuren Anzug. Und nun stand dieses Prachtexemplar von einem Mann vor den Kästen mit den Urkunden und flirtete auf Teufel komm raus mit der Pohl.

Na, ich weiß nicht so recht, dachte Werning, ob da wirklich der Topf zum Deckel passt? Am Ende ist der Kerl gar ein Heiratsschwindler? Er beschloss, ihn im Auge zu behalten.

Obwohl - im Grunde konnte es ihm egal sein. Bei der Pohl gab es unter Garantie nichts zu holen. Sie hatte auf ein Studium verzichten müssen und sich stattdessen um ihren kranken und bedürftigen Vater gekümmert. Außerdem verdiente die Pohl nicht viel - ohne Titel und ohne akademische Abschlüsse zählten weder ihre Tüchtigkeit, noch das umfangreiche Wissen, das sie sich angeeignet hatte.

Werning war froh, dass er Dagmar Pohl hatte, eine Frau, die alles wusste und sich um alles kümmerte. Außerhalb des Museums schien sie kein eigenes Leben zu haben. Sonst hätte sie sich längst eine andere Wohnung gesucht, anstatt noch immer in dem finsteren Hinterhofloch zu hausen. Dort hatte sie schon mit ihren Eltern und später alleine mit ihrem kranken Vater gelebt. Nicht einmal die altmodischen, abgenutzten Möbel und das durchgesessene Sofa hatte sie erneuert.

Es war vor einem halben Jahr gewesen. Die Pohl war ausnahmsweise mal krankgeschrieben, weshalb er ihr einen Stapel Unterlagen zum Durcharbeiten vorbeigebracht hatte. Er erinnerte sich noch gut daran, wie sehr ihn die schäbige, deprimierende Wohnung entsetzt hatte.

Gönn ihr ein wenig Vergnügen, befahl er sich selbst. Außerdem fand er, dass es an der Zeit war, sich selbst auch ein wenig Vergnügen zu gönnen. Er hatte jetzt keine Lust mehr, bis zum Ende der Öffnungszeit auszuharren. Nina wartete auf ihn. Vielleicht konnte die anspruchsvolle Nina ausnahmsweise einmal ihn verwöhnen und seine schmerzenden Muskeln massieren. Bei Frau Pohl war das Museum in guten Händen.

Highway ins Verderben

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