Читать книгу Highway ins Verderben - Hildegard Grünthaler - Страница 11

4

Оглавление

»Oh, Verena!« Frau Schäfers Erstaunen, dass ihre Tochter plötzlich vor der Tür stand, war nicht zu übersehen. »Das ist aber schön, dass du uns mal wieder besuchen kommst.«

Daneben war auch das Misstrauen in der Stimme der Mutter nicht zu überhören. Sie hatte sich bei ihren Eltern schon lange nicht mehr blicken lassen. Noch dazu hatte sie beim letzten Mal vergeblich versucht, ihre Mutter anzupumpen.

»Dein Vater hat mir strikt verboten, dir noch einmal Geld zu leihen«, hatte die Mutter ihr damals erklärt. »Außerdem sind wir beide der Meinung, dass du endlich lernen musst, mit deinem Geld auszukommen.«

Verena versuchte, ihre Verlegenheit und Nervosität zu überspielen, und meinte leichthin:

»Ich habe ein paar schöne Chöre entdeckt und auf CD gebrannt, die wollte ich Euch gerne vorbeibringen«.

»Das ist nett. Aber dein Vater muss in ein paar Minuten weg. Du weißt doch, die Chorprobe!«

Natürlich wusste sie, dass ihr Vater donnerstags Chorprobe hatte. Aus keinem anderen Grund hatte sie sich diesen Abend ausgesucht.

»Das hatte ich total vergessen. Irgendwie war ich gedanklich noch bei Dienstag. Das war doch bisher so, oder nicht?«

»Stimmt. Aber vor sechs Monaten wurde der Chorabend auf Donnerstag verschoben.«

»Oh, Verena!« Ihr Vater kam aus dem Schlafzimmer, zog die Krawatte fest und schlüpfte in sein Sakko.

»Hallo Papa! Ich hab ein paar Chor-Anregungen auf CD dabei. Ist immer noch der ›Blue Moon of Kentucky‹ euer Eröffnungssong?« Sie wollte alle Moralpredigten im Vorfeld abschmettern und unverfänglich gleich auf den Punkt kommen.

»Nein, wir proben jetzt den Swanee River!«, und mit weit ausholender Geste begann er zu schmettern: »Waaay down upon the swaneeeee riveeeer, faaar, far awaaay ...«

Mist, wie schreibt man das?, schoss es Verena durch den Kopf und dann sagte sie so unverfänglich wie möglich:

»Oh, toll! Ich erinnere mich, dass wir das in der Schule auch gesungen haben.«

»Ja, ich weiß. Ich weiß auch, dass du eine gute Stimme hattest und immer noch hast. Du wärst eine Bereicherung für unseren Chor. Dann kämst du auch auf andere Gedanken und könntest vielleicht endlich deine unselige Kaufsucht kurieren!«

Natürlich, sie hatte gewusst, dass der Besuch nicht ohne Moralpredigt ablaufen würde.

»Keine Sorge, ich arbeite an mir. Ich hab schon lang nichts mehr gekauft!«, log sie und war froh, dass sich ihr Vater gleich darauf verabschiedete.

»Sag mal ehrlich«, begann Verenas Mutter, als ihr Mann die Tür hinter sich geschlossen hatte, »geht es dir nicht gut? Du siehst krank aus. Und deine Haare - was hast du mit deinen Haaren gemacht?«

»Abgeschnitten«, erklärte Verena kurz. »Das ständige Föhnen war mir morgens zu zeitraubend.«

»Na ja,«, meinte ihre Mutter, »ich bin ja modisch nicht so ganz auf der Höhe, - aber deine Frisur sieht aus, als wenn du da selbst dran rumgeschnippelt hättest!«

Verena schluckte. Am liebsten hätte sie losgeheult. Natürlich hatte sie selbst daran herumgeschnippelt. Aber erst, nachdem dieser schreckliche Typ brutal die eine Hälfte ihres hinten mit einer Spange zusammengefassten Haares abgeschnitten hatte. »Zur Warnung«, hatte er gesagt. Ihr war keine Zeit geblieben, zum Friseur zu gehen, und leisten konnte sie sich den ja ohnehin nicht.

»Weißt du, ich hab heute Nacht ganz einfach schlecht geschlafen. Da ist mein Haar meistens frisierunwillig.«

»Macht ja nichts. Ich freu mich jedenfalls, dass du endlich mal wieder den Weg zu uns gefunden hast«, erklärte Irma Schäfer. »Ich muss nur noch schnell die Küche fertigmachen und das Geschirr in die Maschine räumen. Wir haben heute sehr spät gegessen. Aber dann können wir uns ins Wohnzimmer setzen und ein wenig quatschen«.

Verena atmete innerlich auf. Sie hatte darauf gehofft, dass ihre pingelige Mutter noch in der Küche zu tun hatte. Bei den Schäfers wurde erst am Abend warm gegessen und ihre Mutter kochte prinzipiell sehr aufwendig.

»Oh das macht nichts. Ich müsste ohnehin noch ein paar Kleinigkeiten tippen. Mein Laptop hat den Geist aufgegeben. Diesen Monat kann ich mir aber leider keinen neuen mehr kaufen.«

»Das ist sehr vernünftig von dir, dass du jetzt mit Anschaffungen wartest, bis du wieder Geld auf dem Konto hast. Geh nur rüber ins Arbeitszimmer. Ich beeile mich einstweilen mit der Küche!«

Lass dir nur Zeit, dachte Verena, als sie den Laptop ihres Vaters hochfuhr. Der Computer war nach wie vor nicht passwortgeschützt, schließlich tippte auch ihre Mutter Mails und Briefe damit. Ihr Vater verschlüsselte nur die sensiblen Firmendateien. Ihre Finger zitterten, als sie durch den Explorer scrollte. Konnte sie die richtige Datei überhaupt finden? Was, wenn sie nur mit kryptischen Zahlen oder ähnlich unverständlichen Buchstabenfolgen benannt war? Sie fand jedoch recht schnell, was sie suchte. Ihr Vater hatte die Dateien mit einem verständlichen Text benannt. Nur, wie in drei Teufels Namen schreibt man Swanee River? Mit Ypsilon? Mit E-Ypsilon? Oder nur mit einem E? Und benützte er überhaupt noch den Eröffnungssong als Passwort? Vielleicht hatte er sich daran erinnert, dass er an seinem letzten Geburtstag schon etwas weinselig und angesäuselt, lang und breit sein Passwortsystem erklärt hatte. Nämlich, dass er immer das aktuelle Lied, das gerade geprobt und bei Veranstaltungen zur Eröffnung gesungen wurde, als Passwort verwendete. So konnte er es ständig wechseln, hatte aber keine Probleme, es sich zu merken. Außer seiner ältlichen Cousine und deren neunmalklugem Mann waren die meisten Gäste an diesem Abend schon gegangen. Trotzdem konnte es sein, dass er sich an diesen Lapsus erinnert und sein Passwortsystem geändert hatte. Sie musste es riskieren, aber wenn sie sich drei Fehlversuche leistete, war es aus und vorbei. Das Internet! Sie tippte Swany River in die Suche und atmete auf, als zahlreiche Links auf das gesuchte Lied hinwiesen: Swanee mit zwei e!

Verenas Finger zitterten so stark, dass sie erst nach zwei Fehlversuchen schaffte, den USB-Stick einzustecken. Sie tippte »swaneeriver« ein und hoffte, dass ihr Vater nicht noch zusätzliche Zeichen eingebaut hatte. Nein! Die Datei öffnete sich! Unwillkürlich hielt Verena den Atem an, als die Übertragung begann. Der grüne Balken bewegte sich in nervenaufreibendem Schneckentempo vorwärts. Aus den Geräuschen, die aus der Küche kamen, konnte sie schließen, dass ihre Mutter gleich mit der Arbeit fertig war. Sie hatte das Spülprogramm bereits gestartet. Endlich! Jetzt nur keinen Fehler machen! Sie schloss die Datei und das Programm, zog den Stick ab und fuhr den Laptop herunter. Gerade in dem Moment als ihre Mutter aus der Küche rief:

»Verena, möchtest du ein Glas Wein oder lieber eine Saftschorle?«

Einen doppelten Cognac für meine Nerven!

»Bitte nur Saftschorle!«, antwortete sie und hoffte, dass ihre Stimme nicht genauso zitterte wie ihre Hände.

Highway ins Verderben

Подняться наверх