Читать книгу Boston Bad Boys (Sammelband) - Holly Summer - Страница 10

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7 – Sunday

Meine Hände umklammern das Lenkrad meines kleinen Nissans, während ich durch die Stadt nach Hause fahre. Ich bin immer noch völlig durcheinander und kann nicht glauben, was Jay mir vorgeschlagen hat. Gott, ich war wie vor den Kopf gestoßen. Aber sein liebevolles Lächeln und seine Finger, die zärtlich über meine Wange gestrichen haben, gaben wohl den Ausschlag, dass ich nicht einfach aus dem Raum gerannt bin. Ich habe ihn nur angeschaut und gehofft, dass sich die Erde auftun würde und ich darin versinken könnte. Aber nichts dergleichen ist passiert.

Er hat seine Hände liebevoll auf meine Oberarme gelegt, mir auf beide Wangen zärtliche Küsse gehaucht und mir suggeriert, dass er sich sehr darüber freuen würde, bald von mir zu hören. Wie kann er gleichzeitig voller Zärtlichkeit sein und im nächsten Moment ein Bad Boy, wie er im Buche steht?

Wie ich aus dem Büro und dem Club gekommen bin, weiß ich jetzt nicht mehr. Plötzlich stand ich an der frischen Luft. Zum Glück ist morgen Sonntag, sodass ich das restliche Wochenende seit langem mal wieder bei meinen Eltern verbringen kann. Eigentlich wollte ich bereits heute Morgen fahren, aber ich konnte nicht. Ich musste in den Club gehen und ihn wiedersehen.

Ein unglaublicher Fehler, denn jetzt habe ich eine Grenze überschritten. Ich kann nicht mehr zurück und will es auch nicht. Jay hat etwas in mir berührt, das ich glaubte, seit der Trennung von Sean für immer verloren zu haben. Sean! Er ist nur noch eine verblassende Erinnerung. Das, was ich für Jay fühle, übertrifft alles, was ich jemals für einen Mann empfunden habe. Dabei kenne ich ihn überhaupt nicht, weiß nichts über ihn. Da ist nur dieses starke Gefühl, das mich beherrscht. Es ist ein Kribbeln im Bauch, ein aufgeregter Herzschlag, der sich beschleunigt, sobald ich nur an ihn denke. Nicht zu vergessen die unaufhaltsamen Gefühle, die mich kontrollieren und kopflos reagieren lassen. Ich brauche dringend einen Ruhepol, um über alles nachzudenken. Ob das bei meinen Eltern möglich sein wird, bezweifle ich fast. Wenn ich dann auch noch an die Sache mit Sean denke, die ich meinen Eltern endlich beichten muss, möchte ich mich am liebsten im Bett verkriechen und ganz absagen.

Ein lautes Hupen hinter mir reißt mich aus meinen Überlegungen. Beim Anfahren gebe ich ein wenig zu viel Gas, sodass die Reifen durchdrehen. Ich werfe noch einen Blick in den Rückspiegel, aber der ungeduldige Autofahrer hinter mir ist schon rechts abgebogen.

Als ich in Elijahs Einfahrt einbiege, sehe ich, dass das Haus dunkel ist. Das kann mir nur recht sein, meine aufgewühlte Stimmung könnte ich sowieso nicht vor Elijah verbergen und mir steht heute einfach nicht der Sinn danach, mein Gefühlsleben vor ihm auszubreiten, obwohl er ein fabelhafter Zuhörer ist.

»Jemand zu Hause?«, rufe ich dennoch in den Flur und werfe die Schlüssel auf den Hocker neben der Garderobe. Aber ich bekomme keine Antwort.

Stattdessen finde ich ein Blatt Papier am Kühlschrank, auf dem Elijah mir mitteilt, dass er mit Sky unterwegs ist und erst spät am Abend zurück sein wird.

Auf dem Herd steht noch der Rest von dem Nudelgericht, das Elijah heute Mittag gekocht hat. Ich hebe den Deckel hoch und der leichte Geruch von Kräutern und Tomaten steigt mir in die Nase. Eigentlich habe ich keinen Hunger, und doch ich stelle ich den Herd auf die mittlere Stufe und wärme mir die Pasta auf. Ich werde es mir einfach auf der Couch gemütlich machen, mir Twillight reinziehen und früh schlafen gehen.

Nach vier Stunden Bella und Edward bin ich keinen Schritt weiter, angle nach der Fernbedienung und schalte den Fernseher aus. Soll ich mich auf Jay einlassen? Eine Beziehung, die so ganz anders sein wird, als ich es bisher erlebt habe? Unkonventionell und aufregend. Jays Vorschlag schwirrt mir im Kopf herum, wie eine lästige Fliege. Diesem kleinen Tierchen könnte ich mit einer Fliegenklatsche zu Leibe rücken. Aber wie soll ich mich, was Jay betrifft, entscheiden? Verdammt, warum ist Tyler nicht da? Ich schnappe nach dem Kissen auf dem Sofa, drücke es gegen meinen Oberkörper und starre auf den dunklen Bildschirm des Fernsehgerätes, als würde dort die Antwort stehen. Ich muss ganz allein eine Entscheidung treffen und zwar schnell. Müde schleppe ich mich die Treppe nach oben, um einfach nur in mein Bett zu fallen.

Stundenlang liege ich wach und grüble über den Nachmittag in seinem Club nach. Das ist doch total verrückt! Jay will mich beherrschen! Immer noch liegt der Umschlag mit den Papieren in meiner Tasche. Es ist eine Art Aufstellung von Dingen, die er mit mir tun möchte. Ich habe nur einen kurzen Blick darauf geworfen, die Liste überflogen und dann sofort wieder in meiner Tasche verschwinden lassen. Ob aus Scham oder Unsicherheit, kann ich nicht sagen.

Es war mir auf jeden Fall peinlich, als ich in dem kleinen Bistro gesessen und den Umschlag aus meiner Tasche gezogen habe. Die Bedienung, die ich erst bemerkte, als sie mich das zweite Mal ansprach, um meine Bestellung aufzunehmen, hat sicher einen Blick auf das Papier in meiner Hand geworfen. Als ich erschrocken aufblickte, war da dieser Ausdruck in ihrem Gesicht, der mich unsicher machte. Schnell habe ich das Stück Papier in den Umschlag zurückgeschoben und mein Lieblingssandwich bestellt.

Wieder kommen mir Begriffe wie Flogger, Peitsche, Gerte in den Sinn. Bondage wird darin auch erwähnt, was so viel heißt wie das Fixieren mit Seilen. Er hat mir den Umschlag in die Hand gedrückt und gesagt, ich solle mir alles in Ruhe durchlesen und ihn in den nächsten Tagen anrufen, wenn ich bereit dazu wäre.

Bin ich bereit dazu, mich einem Mann hinzugeben, der mich als eine Art Spielzeug sieht? Sex in einer ganz anderen Art?

Der Mond scheint hell auf mein Bett und malt Schatten-Silhouetten an die Wand, die mich allerdings auch nicht von meinen nagenden Gedanken ablenken können. Im Gegenteil, sie regen mein Kopfkino nur noch mehr an. Ich nehme mir vor, in den nächsten Tagen im Internet alles darüber nachzulesen.

Er hat mich geküsst, einfach so. Und ich habe es geschehen lassen, habe mich ihm hingegeben und es genossen. Hätte er es getan, wenn Ash und Wyatt im Raum geblieben wären? Sicher nicht. Warum haben die beiden sich so schnell verabschiedet? Zufall? Bestimmt nicht!

Ich war wie geblendet. Kein Mann hat mich jemals so intensiv fühlen lassen, seine Zunge in meinem Mund versenkt und ihn erforscht, dass mir regelrecht schwindlig wurde. Als er sich von mir gelöst hat, war ich einen Moment wie benommen. Und jetzt hallen seine Worte in meinem Kopf wider.

Wenn du mir gehörst ... Ich will, dass du dich mir hingibst. Ich will, dass du mir gehörst mit all deinen Sinnen!

Er ist ein Dom! Das hat er mir ganz klar zu verstehen gegeben, und wenn ich so darüber nachdenke, könnte ich mir vorstellen, dass Ash und Wyatt die gleiche Leidenschaft leben wie er. Mein Gott, wie einfältig war ich eigentlich? Seine Worte Wenn Sie mir gehören würden waren doch klar genug. Aber ich habe die Bedeutung einfach nicht gesehen oder wollte sie nicht sehen, und jetzt liege ich hier und weiß nicht, was ich tun soll. Ich will ihn, will ihm gehören, aber nicht so, wie er mich will. Ich empfinde ganz andere Gefühle für ihn, ich will nicht nur von ihm genommen und besessen werden.

Er soll mich besitzen, aber auf eine andere Art. Auf eine tiefere. Ich will sein Herz, seine Seele berühren, so wie er es bei mir getan hat.

Verdammter Mist, ich kenne ihn nicht mal richtig und doch fühle ich mich zu ihm hingezogen wie zu keinem anderen Mann. Sean verblasst immer mehr und mehr. Dafür kristallisiert sich ein Mann in den Vordergrund, der mich nicht schlafen lässt, mich in unmöglichen Situationen überrascht, meine Gefühlswelt auf den Kopf stellt und mich zu einer Närrin macht.

Die kleine Stimme in meinem Hinterkopf drängt sich wieder an die Oberfläche und ficht gerade mit meinem Verstand einen harten Kampf aus. Warum eigentlich nicht? Sean hat mich betrogen. Warum sollte ich nicht zur Abwechslung einmal alle Konventionen über Bord werfen und mich einfach nur fallen lassen? Eine Beziehung ohne Voraussetzungen, Versprechen oder Erwartungen. Wir könnten einfach Spaß zusammen haben, und wenn wir voneinander genug haben, geht jeder seiner Wege. Punkt!

Ein nettes Arrangement, rede ich mir ein. Aber komme ich damit klar, auf rein sexueller Basis mit ihm zusammen zu sein? Außerdem bin ich ein absoluter Neuling, was seinen Lifestyle betrifft. Und doch törnt mich der Gedanke daran so sehr an, dass ich am liebsten meine Finger in mein Höschen geschoben und mich zum Höhepunkt gestreichelt hätte. Einen kurzen Moment ringe ich noch mit mir, es zu tun, doch dann falle ich endlich in einen erschöpften Schlaf.

Am nächsten Morgen bin ich früh wach. Ich packe schnell ein paar Dinge ein, die ich für die Übernachtung bei meinen Eltern brauche und gehe nach unten. Im Haus ist alles ruhig. Elijah und Sky schlafen sicher noch. Da ich die halbe Nacht wach gelegen habe, konnte ich Elijah hören, wie er so leise wie möglich die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer geschlichen ist. Sein Haus ist ein Altbau, die Treppenstufen knarren und die schwere Eingangstür schließt nur dann, wenn man sie geräuschvoll zudrückt, also war es nicht zu überhören. Dass es bereits fünf Uhr früh war, als er nach Hause kam, stört Elijah nicht im Geringsten. Er ist ein Nachtmensch, genau wie Sky.

Als hätte ich die Anwesenheit meiner Freunde im Haus benötigt, bin ich kurz darauf fest eingeschlafen.

Jetzt öffne ich den Kühlschrank und spähe hinein. Ein aufwendiges Frühstück wird es wohl heute nicht geben. Darum entscheide ich mich für Milch und Orangensaft und schütte mir Cornflakes in eine Schale. Im Radio berichtet der Reporter von schweren Waldbränden in Kalifornien und Überschwemmungen in Louisiana. Dabei muss ich an meine Eltern denken, die in einem kleinen Nest in Maine leben. Dort ist die Welt noch in Ordnung. Man kennt sich und trifft sich zu Wohltätigkeitsveranstaltungen oder anderen Gemeindefesten. Das Einzige, was dort passiert, ist, dass sich der Hund des Pfarrers verirrt hat oder die Blumen aus dem Garten von Miss Abernathy, einer alten Dame, die schon ewig dort lebt, wieder einmal gestohlen wurden.

Bevor ich das Haus verlasse, pinne ich Elijah und Sky einen Zettel an den großen Kühlschrank und wünsche ihnen ein schönes Restwochenende.

Da heute Sonntag ist, hält sich der Verkehr in Grenzen und ich komme schnell über die Interstate Richtung Maine. Als ich in den kleinen Ort einbiege, fühle ich mich wieder in meine Teenagerzeit zurückversetzt. Hier hat sich nichts verändert. Der Ort wirkt friedlich und verschlafen. Die Holzhäuser mit ihren Vorgärten verkörpern das Bild eines harmonischen Kleinstadtlebens. Hier könnte nichts Schreckliches passieren und hier gibt es auch keine Männer, die mit zweideutigen Angeboten mein Leben auf den Kopf stellen. Alles dreht sich um Natur, Fischfang und die üblichen Gemeindefeste, auf denen Patchworkdecken, selbst gemachte Marmelade und leckere Kuchen zum Verkauf angeboten werden.

Ich kann mich noch erinnern, wie meine Mutter mich nach einem dieser Feste mit einem Jungen aus meiner Schule knutschend auf der Wiese am Ufer erwischte. Mein Gott, war mir das peinlich! Selbst meine Mom wusste in dem Moment nicht, was sie sagen sollte, und hat sich nur schnaubend abgewandt. Aber die Moralpredigt von ihr, die ich mir später anhören durfte, hat mich wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht. Als ich später herausfand, dass es meiner Mom nur um ihren guten Ruf ging und um das, was die Nachbarn wohl denken würden, wurde mir wieder mal gezeigt, wie oberflächlich und klein kariert ihr Denken ist. Zum Glück ist mein Dad in dieser Hinsicht ganz anders.

Auf der ganzen Fahrt grüble ich über Jay nach. Was für ein Mensch er wohl sein mag? Okay, er hat einen Nachtclub, aber das sagt doch nichts über ihn und seinen Charakter aus. Als er mir das delikate Angebot gemacht hat, war ich wie vor den Kopf gestoßen. Ich stelle mir vor, wie meine Mom auf ihn reagieren würde, sollte ich ihn jemals mit nach Hause bringen, was aber sicher nicht passieren wird. Eine Beziehung, wie er sie vorschlägt, setzt sich über alle Konventionen hinweg. Dabei muss ich beinahe grinsen, wenn ich mir vorstelle, wie das erste Treffen mit meiner Mom ablaufen würde: »Mom, Dad, das ist mein Neuer. Aber uns verbindet nur eins: Sex! Und das in einer Form, für die meine Eltern niemals das nötige Verständnis aufbringen würden.

An meinem Ziel angekommen, parke ich den Wagen auf der Straße vor dem Haus. Ich schnappe mir meine Tasche und gehe den kurzen Weg auf den Eingang zu. Hier scheint die ZeitUhr stehen geblieben zu sein.

»Sunday, lange nicht gesehen«, höre ich hinter mir den Nachbarn meiner Eltern. Ein lieber älterer Herr.

»Hallo, Mister Whitfield«, grüße ich ihn.

»Ihre Eltern erwarten Sie schon«, ruft er mir noch nach. Ich nicke und lächle ihn an. Vielleicht liebe ich gerade deshalb Boston so sehr, es ist meine Heimat. Die Stadt ist pulsierend und unkonventionell. Die Nachbarn kümmern sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten und gehen ihren Beschäftigungen nach. In Boston bin ich aufgewachsen und nichts hat mich jemals von dort weggezogen. Na ja, zumindest die ersten 14 Jahre, bis meine Eltern meinten, sie müssten raus aufs Land ziehen, da meinem Dad in Maine der Posten als Gouverneur angeboten wurde. Fast alle meine Freundinnen haben sich Jobs in New York oder an der Westküste gesucht, aber ich nicht. Ich lernte während meines Studiums Sean kennen und keine zwei Monate später zog ich mit ihm in eine kleine Wohnung im East Cambridge District. Damals waren wir glücklich.

Bevor ich auf den Klingelknopf drücken kann, öffnet meine Mom die Haustür.

»Sunday«, begrüßt sie mich und nimmt mich in den Arm. »Wo hast du Sean gelassen? Du wolltest doch gestern schon kommen.« Dabei schaut sie an mir vorbei zu meinem Wagen, als würde er noch nachkommen.

Sean! Ich ringe immer noch mit mir, meinen Eltern von der Trennung und seinem Leben zu erzählen, das er neben unserer Beziehung geführt hat.

»Was ist los?« Meine Mom wirkt betrübt, als ich verletzt das Gesicht verziehe.

»Wir haben uns getrennt«, sage ich leise.

»Was? Aber warum denn? Ich dachte, ihr beide, ihr würdet heiraten«, platzt sie heraus.

Dann schiebt sie mich schnell ins Haus und schließt die Tür hinter mir, nicht, ohne noch einmal einen prüfenden Blick nach draußen zu werfen, ob auch niemand unser Gespräch belauscht hat.

In diesem Moment kommt mein Dad aus dem Wohnzimmer und lächelt mich freudig an.

»Sunday, du kommst gerade richtig. Stell dir vor, der Sohn vom alten Whitfield schmeißt heute Abend eine große Party. Er hat sich verlobt und wir sind eingeladen. Du auch«, teilt er mir, während er mich umarmt.

»Hi, Dad.«

»Adam, das ist jetzt unwichtig«, unterbricht meine Mom unsere Wiedersehensfreude.

Mein Dad tritt einen Schritt zurück und grinst mich immer noch an. »Was ist denn los? Sunday ist da und wird den Rest des Wochenendes hier mit uns verbringen, unsere besten Freude feiern ein Fest und da sagst du, das ist unwichtig?«

Meine Mom atmet hörbar ein und rollt die Augen.

»Sunday hat sich von Sean getrennt«, lässt sie die Bombe platzen. Mein Dad scheint davon unbeirrt zu sein.

»Recht hat sie. Ich konnte den Kerl sowieso nie leiden. Ich weiß nicht, welchen Narren du an ihm gefressen hast, Kerry«, wundert er sich über meine Mom.

Mein Dad legt den Arm um mich und wir betreten das Wohnzimmer. Er war schon immer auf meiner Seite und wenn ich Probleme hatte, war er es, der halbe Nächte mit mir auf der Veranda verbrachte, bis wir eine Lösung gefunden hatten. Ich stelle meine Tasche neben dem Sideboard ab und lasse mich auf die gemütliche Couch fallen. Meine Mom bleibt im Türrahmen stehen.

»Aber ich dachte, die beiden würden heiraten«, gibt sie enttäuscht von sich.

»Kerry, jetzt lass Sunday doch erst mal ankommen«, bestimmt mein Dad.

»Ist er ausgezogen?«, will meine Mom wissen.

Ich drehe mich zu ihr um. »Nein, Mom, ich bin ausgezogen.«

»Und wo wohnst du jetzt?«

Ich kann in jedem Wort von ihr die Enttäuschung hören, die gerade ihren ganzen schönen Plan von der Hochzeit zunichtemacht.

»Die schöne Wohnung«, sagt sie mehr zu sich selbst.

»Ist das dein ganzes Problem, Kerry?«, mischt mein Dad sich ein. Ich höre an seiner Stimme, dass er leicht gereizt ist und sicher später mit meiner Mom noch einige Diskussionen haben wird.

Nach außen hin spielt meine Mutter ihren Freunden die heile Welt vor. Dass das nicht stimmt, zeigt schon der Streit zwischen ihr und meinem Bruder. Es ist schrecklich. Michael hat das Haus verlassen und seitdem haben sie kein Wort mehr miteinander gesprochen. Sie konnte ihm gerade noch verzeihen, dass er nicht in die Fußstapfen meines Dads getreten ist und eine politische Karriere angestrebt hat. Doch als er sein Studium geschmissen und ein Leben als Musiker gewählt hat, das nicht das Geringste einbringt, hat sie ihn aus dem inneren Kreis der Familie ausgeschlossen. Seitdem lebt er in einer Kommune in New York.

»Ich werde uns erst mal einen Kaffee und ein Stück Kuchen holen«, holt mein Dad mich aus meinen düsteren Gedanken und geht Richtung Küche. Meiner Mom wirft er einen strengen Blick zu, nicht weiter auf dem Thema herumzureiten.

»Ich hoffe, du kannst bis morgen Abend bleiben, Sunday«, sagt mein Dad, während er und meine Mom die Teller und die Kaffeetassen auf den Tisch stellen.

»Ja, ich habe morgen frei.«

»Das ist schön.«

»Adam, du solltest Sunday von unseren Plänen erzählen«, wechselt meine Mom jetzt das Thema.

»Ja, Kleines, stell dir vor. Man hat mir den Posten des Staatssekretärs angeboten. Wir werden nach Washington ziehen.«

»Was? Das ist ja prima«, freue ich mich für meine Eltern. Besonders für meine Mom ist das ein weiterer Meilenstein in ihrem Leben, mit dem sie bei ihren Freundinnen angeben kann.

»Wann ist es denn soweit?«, will ich wissen.

»So schnell wie möglich. Sobald das Haus hier verkauft ist und wir alles geregelt haben.«

»Ihr wollt das Haus verkaufen?«, frage ich erstaunt.

»Wir werden natürlich in Washington ein anderes Haus kaufen«, setzt meine Mom noch dazu. Ich bin ganz sicher, dass es um einiges größer sein wird als dieses hier. »Aber für dich ist es dann weiter, wenn du uns besuchst«, stellt sie bedauernd fest.

»Mom, das ist doch kein Problem.«

»Na ja, jetzt, wo du allein lebst. Schatz, ich mache mir eben Sorgen um dich. Du bist ganz allein in Boston.«

»Mom, ich lebe doch gar nicht allein. Außerdem habe ich einen Freund«, rutscht es mir jetzt heraus. Verdammt, ich wollte meine Eltern langsam auf meine neue Lebenssituation vorbereiten.

»Ach, wer ist es denn? Lebst du bei ihm?«

Ich schüttle verneinend den Kopf und schiebe mir eine Gabel von dem leckeren Kuchen in den Mund.

»Nein, ich wohne noch bei Elijah. Aber das ist nur vorübergehend.«

»Elijah? Etwa dieser Clubbesitzer vom anderen Ufer? Das ist widerlich. Du kannst doch nicht mit einem Mann zusammenwohnen, der nicht normal ist«, wirft sie mir vor.

»Kerry, ich kenne Elijah. Er ist ein fabelhafter Mann und ein wirklicher Freund. Sunday wird dort sicher nichts zustoßen. Außerdem ist schwul sein keine Abnormalität, sondern schlichtweg eine sexuelle Ausrichtung, weiter nichts«, beschwichtigt mein Dad.

»Ich sehe schon, ihr beiden seid heute gegen mich. Egal, was ich sage, ihr müsst immer etwas dagegen setzen.«

Jetzt tut sie mir beinahe leid. Ich stehe auf, gehe zwei Schritte auf sie zu und umarme sie. Mein Dad verzieht betroffen das Gesicht. »Mach dir keine Gedanken, Mom. Mir geht es wirklich gut«, tröste ich sie, da ich weiß, dass sie wirklich nur das Beste für mich will.

Sie nickt ernüchtert. »Und der Mann, den du kennengelernst hast, wann stellst du ihn uns vor?«

»Ich kenne ihn ja selbst erst seit Freitag.«

»Bring ihn trotzdem das nächste Mal mit, okay?«

»Versprochen, Mom«, beruhige ich sie. Ich schließe kurz die Augen und stelle mir vor, wie meine Mutter auf Jay reagieren würde. Ein Bild formt sich in meinen Gedanken, wie sie völlig entsetzt die Augen aufreißt und sich dann in Theatralik aufgelöst auf das Sofa fallen lässt.

Aber vor allem, wie würde Jay reagieren? Er nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt, was er denkt. Aber sich darüber Gedanken zu machen ist sinnlos. Wer weiß, ob unsere Beziehung überhaupt jemals den Status haben wird, dass ich ihn als meinen Freund vorstellen kann.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir damit, einander auf den neuesten Stand zu bringen. Dad erzählt begeistert von seiner neuen Stellung, während Mom wie ein Honigkuchenpferd grinst. Dann bin ich an der Reihe und berichte in kurzen Sätzen von Sean und seinem Doppelleben.

»Das hätte ich nicht von Sean gedacht«, gibt meine Mutter kopfschüttelnd zu.

»Tja, wie man sich in den Menschen täuschen kann«, spucke ich fast sarkastisch aus.

»Vergiss ihn, Engel, und schau einfach nach vorne. Der Richtige wartet noch irgendwo auf dich«, muntert mein Dad mich auf.

Wenn er wüsste, dass nicht Sean der Mann ist, wegen dem ich vollkommen durch den Wind bin, sondern Jay, würde er nicht so sprechen.

Am nächsten Nachmittag stelle ich meine Tasche auf die Rückbank meines Wagens, während meine Mom mir noch meinen Lieblingskuchen, den sie in Folie eingepackt hat, in die Hand drückt.

»Mom, hast du den extra für mich gebacken?« Als würde ich nicht genug zu essen bekommen.

»Natürlich habe ich das. So einen Kuchen bekommst du nicht in Boston. Pass auf dich auf und besuche uns bald wieder.« Dann dreht sie sich um, bleibt nach ein paar Schritten stehen und kommt zurück, umarmt mich liebevoll und ich spüre, dass ihr irgendetwas auf der Seele lastet.

»Tut mir leid, wenn ich manchmal etwas kleinbürgerlich und borniert bin. Aber du weißt, ich möchte doch nur dein Bestes.«

»Das weiß ich, Mom.«

Dad kommt aus dem Haus auf mich zu und drückt mich kurz an seine Brust. »Pass auf dich auf und melde dich die Tage mal.«

»Das mache ich«, verspreche ich.

»Hast du was von Michael gehört?«, flüstert er mir ins Ohr, sodass meine Mom nichts davon mitbekommt.

»Wir telefonieren ab und zu. Es geht ihm gut, Dad.«

»Das wollte ich wissen«, sagt er erleichtert.

»Ich muss jetzt los.«

»Fahr langsam«, beschwört mein Dad mich noch einmal.

In Gedanken bin ich eigentlich schon längst wieder in Boston und ganz besonders bei Jay. Ich habe ihn noch nicht angerufen. Dabei dachte ich, dieses Wochenende würde mir Gewissheit über meine Gefühle bringen. Das Gegenteil ist der Fall. Ich will ihn, aber will ich ihn so, wie er mich will?

Die Party bei unseren Nachbarn gestern Abend bot eine angenehme Ablenkung. Es war schön, die alten Bekannten wiederzusehen und nette Gespräche mit ganz normalen Menschen, wie meine Mom sie nennen würde, zu führen. Ken und seine Verlobte sind ein tolles Paar. Einfach unkompliziert. Es hat mich zumindest für einige Stunden davon abgehalten, über Jay und sein Angebot nachzudenken.

Die Skyline von Boston taucht vor mir auf. Es ist bereits dunkel, als ich Elijahs Haus erreiche. Die Einfahrt ist leer, Elijah also bereits unterwegs in seinen Club.

In der Küche liegt ein Zettel mit einer Nachricht von Elijah und Sky auf dem Tisch, dass sie gekocht und mir etwas aufgehoben haben, das ich mir in der Mikrowelle nur noch warm machen muss. Ich lächle. Die beiden sind wirklich die besten Freunde, die man sich wünschen kann.

Als ich später müde in mein Schlafzimmer schlurfe, ist er wieder in meinen Gedanken. Jay! Ich krame seine Telefonnummer aus meiner Handtasche und starre auf das Stück Papier, dann greife ich zum Handy und wähle die ersten Ziffern, drücke aber sofort wieder die rote Taste. Ich bin noch nicht bereit. Vielleicht werde ich ihn morgen anrufen.

Ich habe so viele Fragen an ihn und doch weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Was erwartet er von mir? Ich möchte auf keinen Fall unwissend wirken. Er soll nicht denken, dass ich von seinem Lifestyle keine Ahnung habe. Obwohl genau das der Wahrheit entspricht.

Entschlossen angle ich nach meinem Laptop, der auf dem Nachttisch steht, und gebe die Worte »Dominanz und Unterwerfung« ein. Sofort erscheinen verschiedene Foren, die ganz offen auf diese besondere Art der Beziehung eingehen und die Welt der härteren sexuellen Gangarten, die jenseits des Blümchensex existieren, bis ins kleinste Detail erläutern. Ich fühle mich wie in einem Strudel und tauche immer tiefer in das Thema ein, und langsam kann auch ich nicht mehr verhindern, dass mich der Gedanke daran, von Jay auf diese Weise geliebt oder vielmehr benutzt zu werden, erregt.

Als ich Schritte auf der Treppe höre, wird mir bewusst, dass ich Stunden damit verbracht habe, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Meine Gedanken schweifen wieder zu Jay. Ob er auch an mich denkt? Ich schalte den Laptop aus, ziehe die Bettdecke zurück und knipse die Nachttischlampe aus.

In drei Stunden wird mein Wecker klingeln, also drehe ich mich um und ziehe die Decke über meine Schulter. Aber statt einzuschlafen, sehe ich mich in einem düsteren Verlies an die Wand gekettet, während Jay mit einem schadenfrohen Lächeln auf mich zukommt. Ich bin nackt. Er trägt nur eine enge Hose und die Haut seines Oberkörpers glänzt braun gebrannt über harten Muskeln.

Ich winde mich in meinen Fesseln, aber er grinst mich nur an. Er weiß, dass ich keine Angst vor ihm habe, nur unstillbare Begierde leitet mich. Ich will endlich von ihm berührt werden, will seine warme Haut an meiner spüren, während er mich zum Gipfel der Lust treibt. Er kommt näher, greift mit seiner Hand zu meinem Kinn und drückt leicht zu, dann beugt er sich vor und drängt mir einen bestrafenden Kuss auf die Lippen, was mich unwillkürlich aufstöhnen lässt.

»Du warst böse, Sunday. Du weißt, dass ich dich bestrafen muss«, höre ich seine Worte.

Abrupt lässt er mich los, wickelt sich das Ende der Peitsche um die Hand und tritt einen Schritt zurück, um genug Freiraum zu haben, um auszuholen. Ich kann die Lederbänder fast spüren, als sie auf meine empfindliche Haut treffen.

Verdammt, ich werde tatsächlich bei dem Gedanken daran feucht. Mein Herz schlägt schneller und ich bin schon wieder versucht, den erlösenden Orgasmus herbeizuführen. Was ist nur mit mir los? Ich drehe mich auf die andere Seite, greife zum Schalter meiner Nachttischlampe und schalte sie ein. Neben mir liegt mein Lieblingsbuch Twilight. Ich ziehe es vom Tisch und schlage die Seite auf, in der das Lesezeichen steckt. Aber schon nach wenigen Seiten ist Jay wieder in meinen Gedanken. Ich habe ihn doch tatsächlich auf Edward projiziert. Ihn mir vorgestellt, wie er Bella – und damit meine ich mich – in seinen Bann bringt.

»Scheiße«, knurre ich leise. Warum kann Jay nicht ein ganz normaler Mann sein? Einer, mit dem man lachend in einem italienischen Restaurant sitzt, Prosecco trinkt und Linguine Alfredo um die Gabel wickelt, danach ins Kino geht oder sich zu einem Footballspiel trifft und später die Frage stellt: Gehen wir zu dir oder zu mir? Unkompliziert!

Aber das ist er nicht. Wäre er so ein Mann, hätten wir uns nie kennengelernt. Zumindest nicht auf diese Weise.

Meine Erregung ist immer noch nicht abgeklungen, und warum sollte ich es auch nicht tun.? Ich schiebe das T-Shirt nach oben und streichle meine Brüste, schließe die Augen und stelle mir vor, es wären Jays Hände, die meine Haut entlangfahren. Ein leises Stöhnen entrinnt meinen Lippen. In Gedanken setze ich die Vorstellung an das Verlies fort und schiebe eine Hand in mein Höschen. Ich bin feucht und meine Haut reagiert hochsensibel auf die Berührung.

Jay steht vor mir, ich höre das Geräusch, als er die Peitsche in der Hand auf den Boden fallen lässt, dann fasst er in meinen Nacken, zieht mich an sich und verschließt meinen Mund mit seinen Lippen. Gierig erwidere ich seinen Kuss, fühle nur noch seine Zunge in meinem Mund, seine Hand, die in meinem Nacken liegt und die Erregung, die in meine untere Körperhälfte schießt.

Kleine Schweißtropfen laufen mir mittlerweile an den Oberschenkeln herunter. Mein Gott, wann war ich das letzte Mal so erregt? Ich winkle meine Beine an und spreize sie, dann streife ich mir langsam den Slip herunter, bis er nur noch an einem Fußgelenk baumelt. Jetzt bin ich bereit.

Wieder heizt Jay meine Lust an. Seine Hand, die zwischen meine geöffneten Schenkel greift, um die Bestätigung zu erhalten, wie bereit ich für ihn bin. Und auch jetzt bin ich bereit, aber ich will den Moment noch genießen, also streiche ich nur zärtlich über meine Schamlippen, was bereits heiße Sehnsucht in mir auslöst. Ich fange vor Lust an zu zittern, die Schweißperlen laufen mir an meinem Po herunter. Sicher ist das Laken bereits feucht, aber das stört mich nicht. Immer wieder gleiten meine Finger zärtlich über meine Schamlippen, bis ich es nicht mehr aushalte und meine Klit berühre. Ich stöhne bei der Berührung und ziehe scharf die Luft ein. Mittlerweile bin ich so erregt, dass ich mehr will.

Ich lasse meine Gedanken wieder zu Jay schweifen. Er bindet mich los und führt mich zu einem Sofa, das in der Ecke des Raumes steht. Er bedeutet mir, mich darauf zu legen und die Beine weit gespreizt nach oben zu halten. Ich folge seinem Befehl. Er beschimpft mich in seinem Spiel als schamlose Schlampe, die er leiden lassen wird. Genau diese Worte steigern mein Verlangen nach ihm noch mehr. Ich flehe ihn an, mich endlich von meinen Qualen zu befreien, mir das zu geben, dem ich entgegenfiebere, aber er lacht mich nur aus.

Mein Zittern ist immer noch nicht abgeklungen, wie auch? In meinen Fantasien treibe ich meine Erregung bis zum Äußersten. Wenn ich jetzt meine Klit berühre, ist es vorbei. Hin- und hergerissen, den erlösenden Orgasmus endlich zuzulassen oder das Spiel noch weiter auszudehnen, streichle ich über meine Nippel, die hart hervorstehen. Ich drücke leicht zu, sodass ich ein Ziehen verspüre. Ich will den Lustschmerz fühlen, der in meinen Fantasien bereits von mir Besitz ergriffen und in meiner Vorstellung meinen Körper gezeichnet hat. Ich spreize meine Beine weiter, stelle mir vor, Jay wäre jetzt bei mir. Spüre die Muskeln unter seiner Haut, wenn ich meine Hände darüber gleiten lasse, rieche seinen Duft, der meine Sinne vernebelt. Aber er ist nicht da. Ich bin ganz allein mit meiner Lust und jetzt will ich es zu Ende bringen.

Ich sehe Jay, der seine Fingerspitzen über meine Oberschenkel gleiten lässt, ganz langsam, während ich mit geschlossenen Augen auf dem alten Sofa liege, die Beine mit meinen Händen umklammert, wimmernd dem Höhepunkt entgegenfiebere. Wieder sind es die derben Worte von Jay, die mich antörnen. In meiner Vorstellung bitte ich ihn darum, mich zu bestrafen, während ich meine Hand wieder zu meiner Scham gleiten lasse. Ich will den Schmerz spüren, der meine Lust noch weiter steigern wird. Er befiehlt mir, mich über das Sofa zu beugen, dann durchquert er den Raum und hebt die Peitsche auf, die noch immer vor dem Kreuz auf dem Boden liegt. Mein Blick schweift kurz zu ihm, bevor ich mich über die Sofalehne beuge und ihm meinen Hintern entgegenstrecke. Wieder flüstere ich ihm zu, mich zu bestrafen.

Meine Hand streicht über meinen Venushügel und weiter abwärts zu meiner Pussy. Aber das reicht mir nicht. Ich will mehr, etwas anderes. Der Gedanke daran, meinen Finger in meinen Po zu schieben, macht mich so an, dass ich mich auf die Seite rolle, meine Beine anziehe und meine Hand über meinen nassen Hintern gleiten lasse. Ich habe so etwas noch nie getan, aber allein der Gedanke daran lässt mich wieder erzittern. Mein Finger findet den Eingang. Ganz vorsichtig lasse ich ihn ein kleines Stück hineingleiten, überwinde den Muskel und spüre Erregung. Oh mein Gott, das ist verdammt scharf.

Jay steht jetzt hinter mir, lässt seine Fingerspitzen über die zarte Haut meines Pos gleiten, bevor er gezielt einen Schlag nach dem anderen ausführt. Ich stöhne in meiner Erregung auf, flehe ihn um mehr an. Härter!

Bei jedem Schlag lasse ich den Finger tiefer in meinen Anus gleiten und vögle mich selbst auf eine Weise, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ich schiebe einen Oberschenkel nach oben, greife mit der anderen Hand zu meiner Klit und gleite in schnellen Bewegungen darüber. Um nicht laut aufzuschreien, beiße ich in mein Kopfkissen, während in mir ein Vulkan explodiert. Völlig ausgelaugt rolle ich mich in eine bequeme Position. Ich denke, ich könnte bereit sein, für Jays Spielchen.

Langsam schwimme ich aus einem verworrenen Traum, als mich die vertraute Stimme des Moderators im Radio in die Wirklichkeit zurückholt. Schweißgebadet wache ich auf. Die Decke ist um meine Beine gewickelt und mein Pyjamaoberteil klebt mir klamm auf der Haut.

»Sunday«, höre ich Elijah an meiner Tür. Er klopft noch zweimal kurz an.

»Ich bin wach. Danke.«

Dann öffnet sich die Tür vorsichtig und er steckt den Kopf zur Tür herein.

»Geht es dir gut?«

»Ja, warum?« Mittlerweile habe ich mich von dem Bettzeug befreit und meinen Bademantel übergezogen.

»Ich konnte nicht schlafen, darum habe ich dich heute Nacht kurz schreien gehört. Aber dann war wieder alles ruhig.«

»Ich habe schlecht geträumtschlafen«, flunkere ich ihm vor. Verdammt! War ich so laut?

»Sean?«

Sean! Wenn es nur Sean wäre, damit käme ich klar. Nein, der Mann, der mir im Kopf herumspukt und mich um den Schlaf bringt, ist ein ganz anderes Kaliber. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich in den Abgrund reißt oder mich in den siebten Himmel katapultiert. Versprochen hat er es jedenfalls, wenn ich mich entscheiden sollte, mich ihm hinzugeben.

Elijah schaut mich fragend an.

»Was?«, frage ich abwesend.

»Ich fragte, ob Sean dir noch zusetzt?«

Ich lächle ihn an. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich habe ich gestern bei meinen Eltern einfach zu schwer gegessen. Da kann man schon mal solche Anwandlungen haben. Komm, lass uns frühstücken. Ich habe einen Bärenhunger«, wiegle ich seine Frage ab, zwinkere ihm zu und verlasse mit ihm mein Schlafzimmer, er auf dem Weg in die Küche und ich ins Bad.

Elijah werde ich vorerst nichts von Jay und seinem Angebot erzählen, solange ich mir selbst über meine Gefühle nicht im Klaren bin, das steht fest. Vielleicht werde ich Tyler einweihen. Mit ihr kann ich über alles sprechen. Aber dann fällt mir ein, dass sie gar nicht in Boston ist. Also werde ich das Gespräch verschieben müssen. Dann wird mir bewusst, dass heute Tag null ist und ich dringend diesen Abschluss machen muss.

Ich steige unter die Dusche und genieße den warmen Wasserstrahl auf meiner Haut, die seit gestern unter Dauerstrom steht.

Frisch geduscht, mit meiner Lieblingshose aus weißem dünnen Jeansstoff und einem leichten Baumwollpullover bekleidet, betrete ich die Küche. Elijah macht sich wie immer am Herd zu schaffen, während Sky den Tisch deckt und mit dem Geschirr klappert.

»Guten Morgen«, begrüße ich ihn.

»Guten Morgen, kleine Prinzessin«, haucht er mir gut gelaunt zu.

Ich nehme mir eine Scheibe Toast und beschmiere sie mit Butter und Himbeermarmelade, während Elijah sich mit der Pfanne in der Hand zu uns umdreht und Rührei auf den Teller verteilt.

»Den Luxus werde ich morgens vermissen, wenn ich wieder alleine wohne«, bedaure ich.

Elijah schaut auf.

»Ich dachte, das Thema wäre erledigt. Von mir aus kannst du hier wohnen bleiben. Das weißt du doch.«

»Ich weiß, aber das ist nicht gut. Weder für euch beide noch für mich. Ich muss endlich wieder in meinen Lebensrhythmus finden. Und das kann ich nur, wenn ich auf eigenen Beinen stehe.«

»So ein Blödsinn, auf eigenen Beinen stehen. Das tust du doch schon, seit du zu Hause ausgezogen bist.«

»Das meinte ich nicht. Das hier ist wirklich toll.« Dabei lasse ich meine Arme durch den Raum kreisen. »Aber ich muss mein eigenes Leben leben, auch ohne Sean. Das verstehst du doch?«

Elijah nickt und zwinkert mir zu.

»Natürlich, aber du weißt, hier hast du immer ein Zuhause.«

»Das weiß ich.« Ich werfe einen Blick auf meine Uhr, trinke noch schnell den letzten Schluck Kaffee aus den großen Henkelbechern, die Sky so liebt, und verabschiede mich von den beiden.

»Bis heute Abend und macht keine Dummheiten Jungs«, ermahne ich sie.

»Pass du lieber auf dich auf«, gibt Elijah kopfschüttelnd zurück.

»Keine Angst, heute bin ich mit meinem Wagen unterwegs, da besteht nicht die Gefahr, im Park einen Typen über den Haufen zu fahren.«

»Wer weiß, was du sonst noch tust, um in unangenehme Situationen zu kommen.«

»Hab dich auch lieb.«

Ich laufe noch schnell nach oben und hole meine Tasche, bevor ich das Haus verlasse.

Im Auto auf dem Weg ins Büro gehe ich noch einmal das Gespräch durch, das ich mir bereits zurechtgelegt habe, um dem Interessenten das Objekt so richtig schmackhaft zu machen.

Heute scheint wirklich mein Glückstag zu sein, denn direkt vor dem Gebäude ergattere ich noch einen Parkplatz, hinter einem superschicken Geländewagen.

Jessy sitzt bereits hinter ihrem PC, als ich das Büro betrete.

»Guten Morgen«, begrüße ich sie gut gelaunt.

»Morgen«, grummelt sie mir zu.

»Ist was?«

»Wieso bist du heute so gut gelaunt?«, will sie von mir wissen, ohne auf meine Frage einzugehen.

»Weil heute mein Glückstag ist. Ich spüre es: Heute passiert etwas.«

»Du redest von dem Abschluss? Oder geht dir immer noch dieser Typ im Kopf herum?« Dabei zwinkert sie mir zu.

Nach dem Nachmittag in Jays Club habe ich kurzerhand Jessy angerufen und ihr von Jay erzählt. Natürlich habe ich die delikaten Dinge ausgelassen und die Situation ein wenig heruntergespielt.

»Mag sein.«

Jetzt dreht sie sich auf ihrem Bürostuhl zu mir um. »Du hast ihn angerufen und ein Treffen mit ihm vereinbart, stimmt’s?«

»Noch nicht.«

»Du hast vollkommen recht. Meine Mom sagt immer zu mir: Du musst unerreichbar sein, wie der Mount Everest.« Dabei erscheint ein Strahlen auf ihrem Gesicht.

Unerreichbar ist der Teil von ihm, der mir besonders viel bedeutet. Seine Liebe! Bevor ich überhaupt dazu komme, ihr zu antworten, betritt der Alte das Büro. Er ruft uns nur ein kurzes Morgen zu und verschwindet in seinem Zimmer. Irgendwie wirkt er heute bedrückt.

»Uh, der hat ja wieder eine Laune«, sagt Jessy.

Ich kann nur darüber schmunzeln. Wenn ich ihm heute Mittag den Vertrag auf den Tisch lege, wird sich seine Gemütsverfassung sicher schlagartig ändern.

»Mach dir nichts daraus. Ich bereite jetzt die Unterlagen für den Termin vor und dann erzähle ich dir von dem Club, der ihm und seinen Freunden gehört.«

»Gute Idee, vielleicht hebt das die miese Stimmung hier im Büro, sobald der Alte es betritt.« Dabei zieht Jessy ihre schrägste Grimasse, sodass ich sofort anfangen muss zu lachen. »Sagtest du nicht etwas von drei Clubbesitzern? Vielleicht sollte ich mich auch in einem aufreizenden Kleid an die Bar setzen. Wer weiß.«

»Ich denke, du bist in festen Händen?«

»Na und? Das heißt doch noch lange nicht, dass man nicht mal allein weggehen darf, oder?«

Ich kann nur schmunzelnd den Kopf schütteln. Bedeuten Ehrlichkeit und Treue denn heute gar nichts mehr? Oder bin ich einfach zu altmodisch veranlagt? Ich beschließe, nicht tiefer in dieses Thema einzusteigen.

»Was hältst du davon, wenn ich schnell zu Starbucks rüber laufe und unseren Lieblingskaffee hole?«, lockt sie mich.

»Meinetwegen. Warte, ich gebe dir Geld mit.«

»Heute bin ich dran.«

»Okay, wenn du darauf bestehst.«

Dann ist sie auch schon Richtung Ausgang verschwunden.

Ich rufe meine Programme auf, als mein Handy vibriert und sich eine neue Nachricht ankündigt. Ich schaue auf das Display. Eine Nachricht über Facebook, nicht wichtig, also wende ich mich wieder den Fakten für das Watson-Anwesen zu. Da ich die meiste Zeit meines Lebens in Boston gelebt habe, kenne ich die Stadt in- und auswendig. Aber ich will mehr als die nüchternen Daten, die in der Beschreibung des Hauses stehen. Also google ich nach dem Objekt und tatsächlich finde ich einige Informationen, die für die neuen Besitzer interessant sein könnten, als zum zweiten Mal mein Handy vibriert. Es ist wieder eine Nachricht auf dem Messenger. Und dieses Mal klicke ich sie an, als Jessy das Büro wieder betritt und den Kaffee auf meinen Schreibtisch abstellt.

»Danke«, sage ich, während ich auf mein Handy schaue.

Ich bin etwas erstaunt, die Nachricht ist von Jay. Wie hat er mich gefunden? Es gibt Dutzende mit meinem Namen, und doch hat er das richtige Profil gewählt. Jetzt doch neugierig lese ich den kurzen Text:

Und wenn wir heute Abend einfach nur Essen gehen?

J.

Ich muss schmunzeln. Mein Gott, es ist nicht mal ein Wochenende vergangen, seit er mir das Angebot gemacht hat. Was erwartet er? Dass ich völlig kopflos in seine Arme fliege? Da muss ich ihn leider enttäuschen und doch freue ich mich, dass er mit mir, wie bei einer ganz normalen Verabredung, Essen gehen will. Ich überlege noch, was ich ihm zurückschreiben könnte, als mein Chef das Büro betritt.

»Miss Anderson, können Sie heute Abend eine oder zwei Stunden länger bleiben?«, bittet er mich.

Sein Ton ist dieses Mal nicht so schnippisch wie sonst, dennoch muss ich ablehnen. Jessy rollt provozierend die Augen hinter seinem Rücken und hält sich den Finger an die Schläfe, als würde sie sich einen Kopfschuss geben.

»Tut mir leid, heute geht es nicht. Ich habe eine Verabredung.«

Er knurrt nur unwirsch.

»Aber morgen hätte ich Zeit«, biete ich ihm an. Ich höre jetzt schon Jessys Vorhaltungen.

»Also gut, dann morgen.«

Er wendet sich um und will das Büro wieder verlassen, als er sich noch einmal umdreht.

»Haben Sie heute nicht den Termin für das Watson-Anwesen?«, will er wissen.

»Ja, ich muss auch gleich los.«

»Dann wünsche ich Ihnen Glück.« Mit diesen Worten verlässt er das Büro, dieses Mal nicht so dynamisch wie sonst.

»Wieso kriechst du diesem Idioten so in den Arsch?«, poltert Jessy schon los, als wir allein im Büro sind. » ... aber morgen könnte ich«, äfft sie mich nach. »Er ist ein Scheißkerl und hat dich behandelt wie eine, die nur darauf aus ist, den Chef zu ficken.«

»Okay, ist schon gut. Ich habe verstanden.«

Wieder pingt mein Handy. Die Nachricht ist von Jay.

Ist auch Essengehen zu viel?

J.

Verdammt! Er gibt nicht auf. Aber das gefällt mir. Ich überlege noch kurz, dann schreibe ich ihm zurück.

Essen hört sich gut an. Sind wir dann einfach nur verabredet?

S.

Seine Antwort darauf kommt prompt zurück.

Verabredet, wie zu einem ganz normalen Rendezvous.

J.

»Dein Bad Boy?«, fragt Jessy interessiert, während sie den letzten Schluck aus dem Kaffeebecher trinkt. Ich nicke.

»Ich sag doch: Niemals den ersten Schritt machen«, beschwört sie mich.

»Jetzt habe ich wirklich ein Date heute Abend.«

Jessy zwinkert mir nur verschwörerisch zu.

Bevor ich zu meinem Termin fahre, notiere ich mir noch die Telefonnummer einer Vermieterin, die eine kleine Wohnung anbietet, die genau meinen Vorstellungen entspricht, und vereinbare einen Termin.

Pünktlich um halb zwölf schnappe ich mir meine Handtasche, die Unterlagen und fahre meinen PC herunter.

»Wünsch mir Glück«, sage ich zu Jessy und stehe hinter meinem Schreibtisch auf.

Sie dreht sich zu mir um. »Den Auftrag hast du in der Tasche. Ich habe ein Gespür dafür. Vertrau mir.«

»Wir werden sehen. Also, bis später.«

Gutgelaunt laufe ich die Treppe hinunter ins Foyer und wäre beinahe mit dem Pförtner zusammengestoßen. Er hält mir die Eingangstür auf und ich schlüpfe hinaus. Die Sonne scheint mir grell ins Gesicht, sodass ich meine Sonnenbrille aus der Tasche hole. Vor meinen kleinen Nissan hat sich ein großer SUV gequetscht.

»Idiot!«, murmle ich genervt vor mich hin, während ich einige Male vor und zurückfahre, um aus der engen Parklücke herauszukommen. Aber davon lasse ich mir die gute Laune nicht verderben. Ich schlängle mich in den Mittagsverkehr und gehe in Gedanken noch einmal alle Fakten durch, während ich mir aus meiner Handtasche ein paar von den Gummibärchen angele, für die ich sterben könnte.

Vor dem Watson-Anwesen parke ich hinter einem schnittigen Sportwagen, an dem lässig ein Mann mit grau meliertem Haar lehnt und auf sein Handy starrt. In seinem Anzug erinnert er mich im ersten Moment an Richard Gere. Ich schnappe mir meine Tasche und die Unterlagen und steige aus. Sofort ist die Aufmerksamkeit des attraktiven Mannes auf mich gerichtet.

»Miss Anderson?«, werde ich von ihm begrüßt. Er stößt sich von seinem Wagen ab und kommt auf mich zu.

Ich muss zugeben, er wirkt unwahrscheinlich weltmännisch, hat eine gebräunte Haut, die perfekt zu seinen grauen Haaren passt. Ich schätze ihn auf höchstens Ende 40.

»Mister West? Tut mir leid, wenn Sie warten mussten«, entschuldige ich mich. Dabei reiche ich meinem Klienten die Hand.

»Ich bin zu früh dran. Also bitte, keine Entschuldigung.« Er lächelt mich an und zeigt mir eine Reihe gebleichter Zähne, die so unnatürlich wirken, dass ich von ihrem Anblick irritiert bin.

»Wollen wir reingehen?«, biete ich an. Er macht eine Geste, mir den Vortritt zu lassen – der perfekte Gentleman –, und wir betreten das Grundstück. Auf dem Weg zum Haus erzähle ich ihm einige Dinge, die ich über das Anwesen recherchieren konnte.

»Sie sind sehr gut vorbereitet«, schmeichelt er mir.

»Das gehört zum Beruf«, sage ich und stecke den Schlüssel ins Schloss.

Beeindruckt schaut er sich im Erdgeschoss um und geht durch alle Räume, während ich mit den Unterlagen in der Hand seine Fragen beantworte.

»Wie viele Badezimmer hat das Haus?«, will er wissen, während wir die Treppe nach oben steigen.

»Drei Badezimmer oben und eine Toilette und ein Badezimmer im Erdgeschoss. Das Untergeschoss kann auch als separate Einliegerwohnung genutzt werden. Es hat einen kleinen Küchenbereich und ebenfalls ein Badezimmer«, antworte ich.

Er nickt, während wir uns die Räume im ersten Stock anschauen.

»Das Haus scheint perfekt zu sein«, stimmt er nach einiger Zeit zu.

Meine innere Stimme schreit laut: »Ja«, während ich mir nicht anmerken lasse, wie wichtig dieser Abschluss für mich ist. Stattdessen versuche ich, ein wenig Smalltalk mit ihm zu betreiben.

»Werden Sie und Ihre Familie hier einziehen?«

»Nein, ich werde das Gebäude gewerblich nutzen«, teilt er mir mit, während seine Aufmerksamkeit nach draußen gerichtet ist und er zufrieden nickt.

»In welcher Branche sind Sie tätig, wenn ich fragen darf?«

»Ich bin Unternehmer«, antwortet er einsilbig.

»Was für ein Gewerbe wird hier untergebracht?«

Jetzt dreht er sich zu mir um und beobachtet mich kurz, bevor er antwortet.

»Das möchten Sie nicht wissen.«

Ich bin im ersten Moment ernüchtert und die wildesten Gedanken jagen durch meinen Kopf, sodass ich nur verhalten lächeln kann.

»Haben Sie die Verträge dabei?«, wechselt er das Thema.

»Sie haben sich tatsächlich schon entschieden?«

»Ja, allerdings. Die Zeit drängt.«

Mein Gott, hat der es aber eilig. Ich möchte zu gerne wissen, wozu er dieses Gebäude nutzen wird. Außerdem kann ich meine Neugierde über ihn selbst kaum zurückhalten. Auf mich macht er den Eindruck eines weltmännischen Geschäftsmannes mit viel Erfahrung. Daher bin ich irritiert, dass er mich mit dem Kaufvertrag derartig drängt.

»Eigentlich ist es üblich, die Verträge im Büro zu unterzeichnen. Aber selbstverständlich kann ich Ihnen die Unterlagen mitgeben und wir vereinbaren einen neuen Termin. Ich kann auch gerne zu Ihnen ins Büro kommen«, biete ich ihm an, um mehr über ihn zu erfahren.

»Das wird nicht nötig sein.«

Perfekt abgewehrt! Er gibt nichts über sich preis und doch verhält er sich absolut zuvorkommend und höflich.

Ich ziehe die vorbereiteten Verträge aus meiner Mappe und reiche sie ihm.

»Danke, Miss Anderson. Ich bin daran interessiert, den Kauf so schnell wie möglich über die Bühne zu bekommen. Sie glauben gar nicht, welche Bedürfnisse in so einer Stadt vorhanden sind«, sagt er mehr zu sich.

Jetzt bin ich mir fast sicher, von welcher Art Gewerbe er spricht; illegal ist es zwar nicht, aber eindeutig pikant. Er zückt einen Dumont-Füller und setzt seine geschwungene Unterschrift unter den Vertrag. Ich bin überrascht, dass er nicht einmal versucht hat, den Preis zu drücken. Er muss einen Haufen Geld mit seinem »Gewerbe« verdienen, sodass es ihm egal ist, wie viel er für das Grundstück zahlt. Schon seine Kleidung und der teure Wagen vor dem Haus sprechen dafür.

Auf dem Weg nach draußen kommt mir immer wieder der Gedanke: Warum hat er sich für unser Maklerbüro entschieden und nicht für eines der großen? Diskretion, was sonst, und doch kann ich mir die Frage nicht verkneifen.

»Mister West? Ich hätte da noch eine Frage«, spreche ich ihn an.

Er dreht den Kopf zu mir und hebt eine Augenbraue. »Bitte, fragen Sie.«

»Wie sind Sie auf unser Maklerbüro gekommen?«

Wieder lässt er eine Reihe weißer Zähne aufblitzen.

»Jay Edwards hat mich an Sie verwiesen.«

Ich muss kurz schlucken und hätte fast losgehustet.

»J. Edwards?«

»Ein Bekannter von mir«, setzt er noch hinzu.

Aber bevor ich noch etwas darauf erwidern kann, steigt er schon in seinen Sportwagen und zwinkert mir zu, dann gibt er Gas und ich bleibe am Straßenrand zurück. Was war das gerade? Scheiße, wie kommt J. Edwards dazu, unser Maklerbüro zu empfehlen? Ich komme mir vor, als wäre ich im falschen Film.

Als ich in meinen Wagen steigen will, kündigt sich wieder eine Nachricht an. Sie ist von Jay.

Neunzehn Uhr bei dir? Ich hole dich ab.

J.

Ich setze mich ins Auto, bestätige ihm seine Nachricht und teile ihm noch meine Adresse mit.

Auf dem Weg zum Büro zermartere ich mir unentwegt den Kopf darüber, warum gerade unser größter Konkurrent uns den Kunden zugeschustert hat, noch dazu einen Bekannten. Aber ich finde keine Erklärung dafür. Er hätte den Abschluss ohne Weiteres selbst tätigen können.

Womöglich ist etwas mit dem Auftrag nicht in Ordnung. Oder Mister West ist in dubiose Geschäfte verwickelt. Geldwäsche!, kommt mir sofort in den Sinn. Ich sollte mir dringend seine Daten anschauen und auf die Überweisung der Anzahlung bestehen. Oder will dieser aufgeblasene J. Edwards vielleicht nichts mit Zuhältern zu tun haben? Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich, J. Edwards, dieser Mistkerl, sitzt wahrscheinlich gerade in seinem Büro und amüsiert sich über mich. Er wusste ganz genau, wer Mister West ist und für welche Zwecke dieses Grundstück genutzt werden soll.

Aber warum rege ich mich überhaupt darüber auf? Unser Maklerbüro war nur für den Verkauf zuständig. Er hat den Vertrag unterzeichnet, alles andere kann mir egal sein, solange die Zahlung erfolgt. Hin- und hergerissen zwischen Glücksgefühl und einem unguten Empfinden in der Magengegend sehe ich einen freien Parkplatz gegenüber dem Bürokomplex. Ich überquere die Straße und betrete das Gebäude.

Zügig gehe ich die Treppe nach. Ich bin viel zu aufgewühlt, um auf den Aufzug zu warten. Ich kann es kaum erwarten, meinem Chef die Nachricht unter die Nase zu reiben. Oben angekommen stoße ich die Glastür zu den Büroräumen auf, werfe meine Jacke über den Kleiderständer und will schon ins Büro von Mister Fullerton laufen, als Jessy mich auf dem Gang vor der Teeküche abfängt.

»Hey, Sunday, was ist denn los? Sag jetzt nicht, er hat bereits unterschrieben«, fragt sie erwartungsvoll. Ich lege meine Hände auf ihre Oberarme und strahle sie an. Ich platze fast vor Freunde.

»Du wirst es nicht glauben, aber ich habe das Watson-Anwesen verkauft«, sprudele ich heraus.

»Ich hab’s doch gewusst!« Dabei entgleitet ihr ein kleiner kurzer Schrei der Freude.

»Ich muss es gleich dem Alten sagen. Ist er da drin?« Ich deute auf sein Büro.

»Ja, aber du kannst jetzt nicht rein. Er hat Besuch. Ein irrer Typ von einem Mann sitzt bei ihm. Wenn ich nur wüsste, worüber die beiden sich unterhalten. Der Alte hat so geheimnisvoll getan und jedem strikt untersagt, ihn bei seiner Besprechung zu stören.«

»Macht nichts. Auf jeden Fall bin ich vom Haken.«

»Das kannst du laut sagen. Auf sein Gesicht bin ich gespannt.«

»Der Käufer kam zwar etwas dubios rüber. Aber ...«

»Was meinst du damit?«

Ich zucke die Achseln. »Als ich ihn danach fragte, was er mit dem Grundstück vorhat, waren seine Antworten sehr einsilbig.«

»Vielleicht ist er ein verschlossener Mensch«, sinniert Jessy.

»Das Beste kommt erst noch.«

Sie zieht fragend die Augenbraue hoch. »Was meinst du?«

»Als ich ihn fragte, wie er auf unser Maklerbüro gekommen ist, antwortete er mir, er hätte die Empfehlung von J. Edwards.«

»Nein! Wieso sollte Edwards einen Kunden an uns weiterempfehlen, wenn er selbst die Kohle einstecken kann? Das verstehe ich nicht. Gerade bei so einem teuren Objekt.«

»Ganz genau. Aber mir kann es ja eigentlich egal sein, was dieser Mister West mit dem Haus vorhat.«

»Wir werden es schon noch herausbekommen.« Wieder gleitet Jessys Blick zur Tür des Chefs.

»Was meinst du? Ob er ihn einstellt?«

»Wen?«

»Na, den Wahnsinns-Typen, der da in seinem Büro sitzt. Ich werde keines klaren Gedankens mehr fähig sein, wenn er mir am Schreibtisch gegenübersitzt«, schwärmt sie mir vor. »Obwohl, eigentlich macht er nicht den Eindruck, als würde er hier anfangen zu arbeiten. Er hat sicher selbst eine Firma.«

»Ich wusste nicht mal, dass Fullerton wieder jemanden einstellen will.«

Jessy zuckt nur mit den Schultern.

»Wir werden es erfahren, oder auch nicht«, fahre ich fort. »Mir kann es gleich sein. Von meiner Provision werde ich Elijah etwas abgeben, damit er seinen Teilhaber schnellstens auszahlen kann. Und dann besorge ich mir ein paar neue Dinge für die Wohnung. Ich habe Ende der Woche einen Termin zur Besichtigung.«

Jessy schüttelt sprachlos den Kopf. »Du bist einfach zu gut für diese Welt. Denkst immer erst an die anderen, bevor du dir selbst mal einen Spaß gönnst.«

»Kann sein, aber Elijah war für mich wie ein Fels in der Brandung, als ich die Sache mit Sean herausbekommen habe.«

»Solche Freunde wie dich findet man nur ganz selten. Du bist ein Unikat.«

Ich lächle sie dankbar an.

»Sorry, aber wenn ich jetzt nicht sofort auf Toilette verschwinde, geschieht ein Unglück.«

Ich lasse sie im Gang stehen und eile zu den Waschräumen. Die Stimmen in Fullertons Büro werden lauter, ein Zeichen, dass seine Besprechung zu Ende ist und er gleich die Tür öffnen wird, um seinen Besuch zu verabschieden. Aber davon bekomme ich nichts mehr mit.

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