Читать книгу Boston Bad Boys (Sammelband) - Holly Summer - Страница 8
Оглавление5 – Sunday
Überrascht dreht sich der Mann auf meiner linken Seite um und schaut in das Gesicht des Unbekannten, den ich heute Morgen erst über den Haufen gefahren habe. Ich muss zweimal hinschauen, bis ich mir sicher bin, dass er es ist. Heute Morgen trug er eine Baseballkappe, sodass ich seine Frisur nicht sehen konnte, und bei der schummrigen Beleuchtung hier in der Bar habe ich, als er den Raum betreten hatte, auch nicht weiter auf ihn geachtet.
Verdammt, er ist es wirklich. Mein Bad Boy von heute Morgen, der meine Gefühle so sehr durcheinandergewirbelt hat. Er trägt natürlich keine Laufhose und auch kein enges Shirt, das seine Brustmuskulatur betont. Das braucht er auch nicht, denn in dem T-Shirt, der anliegenden Jeans, dem Sakko und den Chelsea Boots wirkt er draufgängerisch. Seine Haare, die an den Seiten kurz geschnitten sind, während das Deckhaar leicht zur Seite fällt, geben ihm den letzten Touch. Der Bartansatz, den er heute Morgen schon hatte, lässt ihn noch verwegener wirken. Er ist einige Zentimeter größer als die beiden Typen, die seit einiger Zeit vergebens versuchen, sich an mich heranzumachen und leider auf meine Ablehnung nicht reagiert haben. Ich bin erleichtert, er scheint meine Rettung zu sein.
Der andere der beiden verzieht grimmig das Gesicht, als er sich nun ebenfalls zu meinem Bad Boy umdreht.
»Was geht Sie das an? Halten Sie sich da raus. Die Kleine wird doch dafür bezahlt, dass sie die Beine breit macht. Wenn ich und mein Freund mit ihr fertig sind, steht sie Ihnen sicher zur Verfügung«, lacht er gehässig und dreht sich wieder mir zu.
Er denkt wirklich, dass ich eine Prostituierte bin. Wie oft soll ich diesem Idioten noch erklären, dass ich ein Gast in dieser Bar bin, genau wie er?
»Jetzt reicht’s aber«, dringt die Stimme des Mannes an mein Ohr, der meine Gefühle bereits heute Morgen in Aufruhr versetzt hat.
»Freundchen, ich sag’s dir jetzt das letzte Mal: Hau ab, wenn du nicht gleich meine Faust in deiner Scheißvisage spüren willst, okay! Such dir dein eigenes Luder. Diese hier gehört mir und meinem Kumpel. Auch wenn sie sich noch ein wenig ziert«, setzt der Kerl noch grinsend dazu, während er seinem Freund verschwörerisch zuzwinkert.
»Irrtum, Flachwichser«, dringen wieder die Worte des Fremden an mein Ohr. Bei dem Schimpfwort reiße ich die Augen auf. Mein Traummann will den Scheißkerl offensichtlich provozieren und wirft seinem Partner einen belustigenden Blick zu, bevor er weiterspricht.
Dieses Mal erscheint ein gehässiges Lächeln auf seinem Gesicht, während er seinem Tonfall etwas herausfordernd Sarkastisches beimischt. »Du stinkst wie eine Kloake. Außerdem kann ich deine Fresse nicht ertragen. Ganz zu schweigen von deiner Ausdrucksweise der Lady gegenüber. Ich sollte dir ein paar Manieren in deinen verdammten Dummschädel prügeln.«
»Ach, da ist wohl einer darauf aus, dass ich ihm in seinen Scheißarsch trete. Hat dir schon mal jemand gesagt, dass man sich nicht mit Typen wie mir anlegt? Du bist tot, wenn ich mit dir fertig bin. Aber ich habe dich gewarnt, dich nicht in meine Angelegenheit zu mischen«, verspricht der aufdringliche Typ neben mir und widmet seine ganze Aufmerksamkeit meinem Retter.
Das süffisante Grinsen meines Beschützers sagt mir, dass er die Situation vollkommen im Griff hat.
»Es geht mich sehr viel an, was in meinem Lokal passiert. Hier mache ich die Regeln, klar?«
»Dem Kleinen muss jemand unbedingt Manieren beibringen, Jay«, höre ich eine tiefe Stimme hinter mir amüsiert sagen. Ich drehe mich zu ihm um und jetzt bin ich vollkommen sicher, dass mir nichts passieren wird.
»Absolut!«, bestätigt mein Beschützer.
Bevor der Flachwichser überhaupt reagieren kann – ich muss innerlich über den Ausdruck grinsen –, greift mein Held ihn am Kragen und zerrt ihn quer durch die Bar. Sein Freund will sofort eingreifen, wird allerdings vom zweiten Mann am Oberarm gefasst und dann ebenfalls nach draußen befördert. Beeindruckt drehe ich mich auf dem Hocker um und beobachte die Szene schmunzelnd. Das Ganze geht so schnell, dass viele der Gäste überhaupt nicht mitbekommen haben, was eigentlich passiert ist. Nur die Menschen an den direkten Nebentischen halten kurz in ihrer Unterhaltung inne und verfolgen das Schauspiel interessiert.
Jetzt versucht mein Peiniger vergebens, sich aus dem Griff des neuen Clubbesitzers zu befreien, und rudert ungeschickt mit dem freien Arm, während wutschnaubende Ausdrücke aus seinem Mund sprudeln. Auch sein Freund hält mit Beleidigungen nicht hinterm Berg. Aber das nützt den beiden gar nichts. Die Männer wissen genau, was sie tun müssen, um die beiden Arschlöcher aus ihrem Laden zu entfernen.
Cole beugt sich zu mir über die Theke.
»Das sind die neuen Besitzer der Bar«, ruft er mir zu, da der Geräuschpegel jetzt um einiges zugenommen hat. Ich nicke abwesend. »Der Dritte ist schon rausgegangen. Die sind in Ordnung, und was ich jetzt sehe, überzeugt mich noch mehr.«
Bevor ich etwas darauf antworten kann, steht mein Retter wieder neben mir und streicht sich die Haare aus der Stirn.
»Und jetzt zu Ihnen. Jedes Mal, wenn ich Sie sehe, befinden Sie sich in einer prekären Situation.«
Ich muss schlucken, als er seine Hand auf der Theke aufstützt und die andere an die Lehne meines Hockers legt, sodass ich von ihm flankiert werde. Ich spüre die Wärme seines Körpers und sein erfrischendes Aftershave steigt mir in die Nase, das mir sofort vertraut vorkommt. Am liebsten würde ich mich an ihn schmiegen.
»Und immer, wenn ich Sie sehe, dann ...«, ich stocke. Fast hätte ich ihm gesagt, was in meinem Inneren vorgeht.
Sein Blick durchdringt mich.
»Was wollten Sie sagen?«
Ich schüttle unwillkürlich den Kopf.
»Und wenn ich es wissen will?«
»Also gut. Bei unserer ersten Begegnung lagen Sie auf dem Boden und jetzt hätten Sie sich fast geprügelt. Ich finde, Sie machen auch keine gute Figur.«
Er beobachtet mich, um seine Mundwinkel zuckt es verräterisch, während er sich weiter zu mir herunter beugt.
»Eins zu null für Sie«, flüstert er mir ins Ohr. Sein warmer Atem streift mich dabei. Ich kann fast die kleinen Härchen seines Dreitagebartes auf meiner Haut spüren, denn er ist nur noch Millimeter von meinem Gesicht entfernt. Ich kann nicht anders und atme tief ein, schließe dabei für Sekunden die Augen. Plötzlich schlägt mein Herz schneller. Ich möchte mich am liebsten an seine Schulter lehnen, besinne mich aber im letzten Moment und rücke von ihm ab.
»Ich muss gehen. Danke für Ihre Unterstützung.«
Ich will mich auf dem Barhocker umdrehen, aber ich habe keine Chance, an ihm vorbeizukommen.
»Hatte ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen auf sich aufpassen?«
»Was geht Sie das an?«, antworte ich reserviert.
Sein Blick gleitet von meinem Gesicht bis zu meinen Füßen.
»Das ist doch kein Job für eine junge, hübsche Frau«, wechselt er das Thema.
Verdammt, er denkt also auch, dass ich eine Prostituierte bin. Was auch kein Wunder ist, in dem Aufzug! Bevor ich nur ein Wort sagen und meine Situation erklären kann, ruft er Cole zu: »Einen alkoholfreien Cocktail für die Lady.«
»Geht klar, Chef«, grinst er ihn an.
»Für mich nicht mehr. Ich muss gehen.« Aber ich habe gar keine Möglichkeit, mich von dem Barhocker zu entfernen. Er steht wie ein Fels neben mir und auf der anderen Seite lehnt eine Frau an der Theke und bestellt Drinks.
»Der geht aufs Haus.«
Cole beobachtet mich interessiert, und ich kann ein kleines Lächeln in seinen Mundwinkeln erkennen, als er den Drink vor mich stellt. In der Bar ist es laut. Die Tische sind alle besetzt. Trotzdem bin ich sicher, dass Cole jedes Wort mitbekommen hat. Aber er sagt nichts, um das Missverständnis aufzuklären, im Gegenteil, er scheint sich über die Situation zu amüsieren. Dann wendet er sich wieder seinen Bestellungen zu.
»Ich mag es nicht, wenn junge Frauen wie Sie sich für so einen Job hergeben. Allein der Gedanke, dass ein widerliches Individuum seine Hände an Körperteile legt, die er nicht mal im Traum zu sehen bekommen sollte, macht mich unglaublich wütend«, spricht mein unbekannter Retter weiter.
»Ich hatte nicht vor, mich von diesen beiden Typen überhaupt irgendwo berühren zu lassen«, kontere ich.
»Er hat es aber bereits getan.«
Ihm entgeht scheinbar nichts und auf alles hat er eine Antwort. »Ich wollte ihm gerade die passende Antwort darauf geben und gehen«, verteidige ich mich. Dabei zucke ich die Achseln, da mir jetzt noch ein Schauer über die Haut fährt, als ich an die rauen Finger denke, die der Flachwichser auf meine Schulter gelegt hat.
Der Clubbesitzer grinst mich an und scheint zu überlegen. »Also schön, ich biete Ihnen hier einen Job an, im Service. Die Bezahlung ist gut und das Trinkgeld sicher noch besser. Und wenn Sie von einem Gast belästigt oder begrapscht werden, kommen Sie zu mir, klar?« Eine Antwort scheint er gar nicht zu erwarten, denn er spricht sofort weiter. »Allerdings dürfte das in der Kleidung, die Sie von uns gestellt bekommen, nicht mehr vorkommen. Also seien Sie morgen Nachmittag hier, dann gebe ich Ihnen einen Vertrag. Und jetzt gehen Sie nach Hause und ziehen Sie diesen Fetzen aus.«
Dabei gleitet sein Blick noch einmal angewidert zu meinem extrem kurzen Kleid, bevor er mir zuzwinkert und die Bar verlässt. Ich drehe mich um und verfolge ihn mit den Augen, bis er sich mit seinen beiden Freunden am Ausgang trifft. Dann ist er weg. Was war das gerade? Er hat mir einen Job angeboten! Wieso sitze ich hier wie ein verschrecktes Häschen und kläre die Situation nicht auf? Im Grunde hat er mir keine Möglichkeit dazu gegeben.
Zum zweiten Mal ist er mitten in mein Leben geplatzt und genauso schnell wieder verschwunden. Mein unbekannter Retter. Aber dieses Mal werden wir uns wiedersehen, wenn ich es zulasse.
Mein Gott, ich hätte nicht gedacht, diesen anziehenden Typen noch einmal wiederzusehen, und dann schon wieder in einer Situation, in der ich keine gute Figur mache. Verdammt!
Cole scheint von unserem Gespräch doch nichts mitbekommen zu haben, zumindest tut er jetzt so. Er hantiert geschäftig mit dem Cocktailshaker und füllt die Gläser, die er sich bereitgestellt hat, während er in ein lockeres Gespräch mit einem Gast an der Bar verstrickt ist. Ich greife zu meinem Drink und kippe ihn auf Ex. Wie konnte ich nur erneut in so eine verflixte Situation geraten? Ich lege Cole das Geld für den Zombie auf den Tresen, winke ihm kurz zu und verschwinde unauffällig nach draußen.
Na, immerhin habe ich jetzt einen Job, wenn der alte Fullerton mich wirklich feuern will.
Als ich nach Hause komme, steht Skys Wagen vor der Garageneinfahrt, sodass ich gezwungen bin, mir auf der Straße einen Parkplatz zu suchen. Es ist mir peinlich, die paar Meter in meinem Aufzug auf der Straße zu laufen. Zum Glück sind keine Passanten unterwegs, sodass ich schnell auf Elijahs Grundstück einbiegen kann, um endlich dieses verfluchte Outfit loszuwerden. Andererseits: Hätten diese beiden Typen mich nicht belästigt, wer weiß, ob mein Traummann mich angesprochen hätte.
Als ich den Schlüssel in die Tür stecke, höre ich hinter mir jemanden rascheln.
»Sunday?«
Ich drehe mich erschrocken um. »Mein Gott, hast du mich erschreckt.«
»Wie siehst du denn aus?«, fragt Elijah lachend.
»Sag nichts, okay? Das ist eine lange Geschichte.«
»Ich sag doch gar nichts. Steht dir übrigens gut.«
»Dieser Aufzug hat mich in die unmöglichste Situation gebracht.«
»Schon wieder? Wo hast du ihn überhaupt her?«
»Erzähl ich dir drinnen, nachdem ich mich umgezogen habe. Was macht dein Rennrad?«, versuche ich, das Thema zu wechseln.
»Ist so gut wie neu.« Dabei wischt er sich die Hände an einem Tuch ab.
Wir betreten das Haus. Aus der Küche riecht es verführerisch nach Lasagne.
»Mmm! Du hast gekocht?«
»Ja, es ist noch was da. Bedien dich.«
Elijah folgt mir in die Küche und ich erzähle ihm von meinem Abend.
»Wolltest du dich nicht mit Tyler treffen?«
»Ja, wollte ich, aber sie hat kurzfristig abgesagt. Ihr Modelljob spannt sie zur Zeit sehr ein.«
»Verstehe. Und dieser Typ hat dir einen Job angeboten? Einfach so?«
»Er dachte, ich sei eine Prostituierte, die seiner Meinung nach einen besseren Job verdient hat. Außerdem hat er wohl einen besonders ausgeprägten Beschützerinstinkt.«
»Warum hast du das nicht richtiggestellt?«
»Wollte ich ja, aber irgendwie hat es sich nicht ergeben.«
Elijah schüttelt ungläubig den Kopf. »Oh Mann, Süße, dich kann man auch keinen Moment allein lassen. Wer sind die neuen Inhaber von Jimmy’s Bar?«
Ich zucke die Schultern.
»Keine Ahnung. Sie sahen auf jeden Fall ziemlich heiß aus. Besonders der, der mich aus dieser peinlichen Situation befreit hat.«
»Ach, was du nicht sagst«, zieht Elijah mich auf und schubst mich leicht an.
»Hör auf, es war mir schon peinlich genug, in diesem Kleid. Er ist übrigens auch der Typ, den ich heute Morgen mit dem Rennrad überfahren habe«, sage ich schulterzuckend. »Schicksal oder Zufall?«
»Glücksfall würde ich im Zweifel sagen.«
»Mag sein«, antworte ich verträumt, in Gedanken schon wieder bei ihm.
»Ich freue mich, dass du wieder Schmetterlinge im Bauch hast.«
»Was?«
»Wem willst du etwas vormachen? Das sieht doch ein Blinder, dass du etwas für diesen Mann empfindest.«
»Elijah, ich kenne ihn ja nicht mal.«
»Ist das ein Grund? Dann lernst du ihn eben kennen. Aber du wirst doch den Job nicht annehmen? Du hast schließlich einen Beruf, der genau deinen Qualifikationen entspricht, und wenn du noch einen zweiten Job annimmst, dann nur bei mir, klar?«
»Natürlich werde ich nicht anfangen, dort zu arbeiten. Wie war das Gespräch mit deinem Teilhaber?«, wechsle ich schnell das Thema.
»Ich kann ihn auszahlen. Aber er verlangt viel Geld.«
»Elijah, ich zahle dir ab sofort Miete, das ist doch klar«, biete ich ihm an.
»Davon will ich nichts hören«, fährt er mich sofort in seiner liebevollen Art an.
»Warum denn nicht?«
»Du bist mein Gast und jetzt kein Wort mehr über diesen Unsinn.«
Ich gebe mich geschlagen, für den Moment zumindest. »Wie du willst.«
»Na also.«
»Ich bin müde«, versuche ich, das Gespräch abzukürzen. »Außerdem muss ich jetzt dringend aus diesem Fetzen raus.«
»Nimm dir wenigstens noch ein Stück von der Lasagne.«
Ich nicke, hole mir einen Teller aus dem Schrank und schneide mir ein Stück von der italienischen Spezialität ab, als Sky die Küche betritt.
»Hey, kleine Prinzessin. Heißes Teil«, begrüßt er mich und deutet auf mein Outfit.
Ich rolle genervt die Augen. Er selbst trägt nur einen knappen String, sein Oberkörper ist nackt. Und da macht er sich über mich lustig? »Nicht so heiß wie das, was du trägst«, antworte ich.
Er beugt sich zu mir nach unten und will mir einen Kuss auf die Stirn hauchen.
»Sky, würde es dir etwas ausmachen, ein bisschen mehr als einen String anzuziehen, wenn du in die Küche kommst?«, sage ich verlegen.
»Nein, es würde mir nichts ausmachen Süße. Tut mir leid, wenn ich dich schockiert habe.«
Elijah schüttelt nur den Kopf. »Sky, ich hatte dir doch gesagt, wenn Sunday im Haus ist, bist du komplett angezogen.« Er geht er einen Schritt auf Sky zu und versetzt ihm einen ordentlichen Schlag auf den Po, was Sky nur ein übertriebenes Lachen entlockt. »Warte gefälligst oben auf mich«, ruft Elijah ihm noch nach, dann ist Sky wieder verschwunden.
»Tut mir leid, Sunday.«
Ich winke ab. »Ist schon gut«, sage ich schulterzuckend und stecke die letzte Gabel der leckeren Lasagne in den Mund. »Das war lecker«, lobe ich Elijahs Kochkunst. Dann räume ich noch den Teller und das Besteck in die Spülmaschine, nehme mir eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und verschwinde nach oben in mein Zimmer, um endlich in meine Wohlfühlklamotten zu schlüpfen. Dabei hoffe ich, heute keine seltsamen Geräusche mehr aus Elijahs Schlafzimmer zu hören.
Die Bar liegt um die Nachmittagszeit ruhig und verlassen da. Es ist Samstag und spätestens um neun Uhr wäre der Laden voll, aber heute werden die Türen geschlossen bleiben. Die Leuchtreklame mit dem Namen des Clubs ist bereits abgeschraubt und dunkle Folie verdeckt die Fenster, sodass nichts, was im Inneren geschieht, nach außen gelangt. Nur der monotone Baulärm dringt bis auf die Straße. Ich parke meinen Wagen in einer Parkbucht und steige aus. Als ich die Tür zu dem Lokal öffnen will, kommt mir ein Mann mit einer Leiter entgegen.
»Die Bar ist geschlossen«, weist er mich auf das Schild hin, das an der Tür hängt.
»Das sehe ich auch. Ich habe einen Termin.«
»Ach ja, mit wem denn?«
Verdammt, ich weiß nicht mal den Namen des Besitzers.
»Mit dem neuen Inhaber des Clubs«, antworte ich gelassen.
Jetzt tritt er zur Seite und lässt mich eintreten.
»Ganz durch, die hintere Tür«, grummelt er.
»Danke«, murmle ich leise und betrete die Bar, in der die Handwerker bereits angefangen haben, das Mobiliar auszuräumen. Das laute Geräusch einiger Bohrmaschinen und die Schläge von Hämmern, dazu das grelle Licht von starken Lampen, die aufgestellt wurden, um den Raum gut auszuleuchten, verwandeln die Bar in eine wüste Baustelle. Vorsichtig, um nicht über Teile der Einrichtung zu stolpern, die hier überall herumliegen, durchquere ich den Barraum und schiebe die Plane zur Seite, die den hinteren Teil des Clubs von den Bauarbeiten abgrenzt. Als ich vor der Tür mit der Aufschrift Privat stehe, höre ich einige Stimmen aus dem Zimmer. Vielleicht bin ich nicht die Einzige, die er für den Job haben will. Aber ich bin sowieso nur hier, um das Missverständnis aufzuklären. Die Tür ist leicht angelehnt, also klopfe ich energisch an.
»Ja, bitte«, dröhnt eine dunkle Stimme von drinnen.
Ich drücke die Tür auf und schaue in das Büro, in dem hinter dem altertümlichen Schreibtisch ein Mann sitzt, die Füße auf die Holzplatte gelegt, während er sich lauthals am Handy mit seinem Gesprächspartner zu streiten scheint. Er ist einer der beiden, die gestern Abend erfolgreich die Typen aus der Bar befördert hatten.
Wenn ich ehrlich bin, macht er mir fast Angst. Er ist groß, hat einen dunklen Teint und wenn er wie jetzt mit seinem Gesprächspartner spricht, wirkt er unwahrscheinlich dominant. Zumindest auf mich. Allein, wie er schon da sitzt. Seine dunklen Augen sprühen Funken, wenn er sich aufregt. Dann fällt mein Blick auf meinen Helden von gestern Abend und einen dritten Mann, der lässig am Schreibtisch lehnt und grinsend das Telefongespräch verfolgt.
»Kommen Sie rein und schließen Sie die Tür. Ich bin Jay, das sind meine Partner Wyatt und Ash«, dabei zeigt er auf den Mann hinter dem Schreibtisch, der keine Anstalten macht, seine Beine vom Tisch zu nehmen und weiter unbeirrt auf seinen Gesprächspartner einredet.
Jay also. Der Name gefällt mir, er passt zu ihm. Jetzt erinnere ich mich, dass sein Partner ihn gestern so nannte. Der Mann, der mir als Wyatt vorgestellt wurde, reicht mir die Hand und begrüßt mich freundlich.
»Na also, warum nicht gleich so«, dringt die tiefe Stimme des Mannes hinter dem Schreibtisch an mein Ohr. Dann beendet er sein Telefongespräch mit ein paar knappen Worten.
»Psychologische Kriegsführung nennt man das, wenn ich mich nicht täusche, oder Ash?«, feixt Wyatt.
»Nenn es, wie du willst. Hauptsache, der Club wird pünktlich eröffnet«, ist Ashs kurze Antwort.
»Dein Freund hat keine Skrupel, Jay. Er hat einfach zu lange für den CIA gearbeitet. Das hat das letzte bisschen Charakter in ihm auch noch getötet«, wendet sich Wyatt kopfschüttelnd und sichtlich amüsiert an Jay. »Er sollte aufhören, immer wieder in diesem Hexenkessel mit zu rühren.«
»Welchen Charakter? Ash hatte nie welchen«, lästert Jay.
Die drei scheinen total vergessen zu haben, dass sie nicht allein sind. Ich bin eine Fremde und außerdem hier, um ein Vorstellungsgespräch zu führen. Zumindest geht Jay davon aus. Aber das scheint sie nicht zu stören, mehr noch, es macht auf mich fast den Eindruck, als hätten sie einen Heidenspaß daran, sich gegenseitig aufs Korn zu nehmen. Dann nimmt der Mann hinter dem Schreibtisch endlich die Füße vom Tisch, steht auf und kommt auf mich zu. Er ist groß, nicht viel größer als Jay und Wyatt, soweit ich das erkennen kann, aber er wirkt wie ein Fels in der Brandung mit seinen breiten Schultern und einem Brustkorb, der ein hartes Training vermuten lässt.
»Hi, ich bin Ash. Hören Sie nicht auf das Geschwätz meiner Teilhaber«, begrüßt er mich und reicht mir die Hand.
»Sunday Anderson«, stelle ich mich vor, während mein Blick zu Jay gleitet.
»Freut mich. Ich hoffe, Sie sind gestern gut nach Hause gekommen«, begrüßt mich Ash.
»Natürlich. Danke noch mal.«
»Immer wieder gerne.« Dabei erhellt ein Lächeln sein Gesicht, das ihn gleich viel freundlicher wirken lässt.
»Ash ist Pilot und außerdem sehr erfolgreich in Verbrechensbekämpfung, daher seine etwas unkonventionelle Art, mit den Menschen umzugehen, aber Ihnen wird er nichts tun«, winkt Jay ab und bietet mir einen Stuhl vor dem Schreibtisch an. Er selbst nimmt jetzt dahinter Platz.
Er vielleicht nicht, aber was ist mit Jay, geht es mir durch den Kopf, wenn ich an seine Worte im Park denke, die sich jetzt wieder unaufhaltsam in meine Gedanken drängen.
Wenn Sie mir gehören würden!
Und was meint er mit Verbrechensbekämpfung? Ist Ash nebenbei ein Kopfgeldjäger oder ein Navy Seal? Doch Jay geht nicht weiter auf das Thema ein. Nur der strenge Blick von Ash schwebt noch kurz im Raum.
»Jay, du kannst es einfach nicht lassen, was? Was soll Miss Anderson denn von uns denken?«, wendet Wyatt ein.
Jay zwinkert seinem Geschäftspartner zu und schenkt seine Aufmerksamkeit wieder mir.
Heute trägt er verwaschene Jeans, die einige Risse hat, darüber ein Hemd, dessen Ärmel aufgekrempelt sind, als würde er selbst die Bauarbeiten übernehmen. Ich kann ihn mir sehr gut als Besitzer dieses Clubs vorstellen. Ein richtiger Bad Boy, unkonventionell und geradeheraus. Genau der Typ Mann, für den ich eine Schwäche habe.
»Also, Spaß beiseite. Sie sind tatsächlich gekommen.« Dabei grinst er Ash an, der sich jetzt an den Aktenschrank lehnt und interessiert unser Gespräch verfolgt.
»Ich bin nur hergekommen, um den Irrtum aufzuklären.«
»Welchen Irrtum?«
»Ich bin keine Prostituierte.«
»Sind Sie nicht? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
»Wann haben Sie mir denn die Möglichkeit dazu gegeben?«, kontere ich.
Jetzt grinst er mich an. Aber anstatt auf meine Frage zu antworten, kehrt er lieber meinen Fauxpas heraus. »Sie haben scheinbar eine Begabung, sich in unmögliche Situationen zu manövrieren.«
»Wenn Sie auf die Sache von gestern Morgen im Park anspielen, kann ich Ihnen nur sagen: Es war nicht meine Schuld.« Dabei war es doch meine Schuld, aber irgendetwas zwingt mich dazu, mich zu verteidigen.
»Ach nein, wessen Schuld war es dann?«
»Die Frau hätte besser auf ihr Kind aufpassen müssen. Das haben Sie selbst gesagt.« In gewisser Hinsicht stimmt das.
»Und Sie hätten nicht die Abkürzung durch den Park nehmen dürfen, der nur für Fußgänger freigegeben ist«, belehrt er mich. Diese Runde geht an ihn! Ich drehe gefrustet den Kopf zur Seite, als er auch schon weiterspricht. »Und gestern Abend habe ich Sie wieder in einer Situation überrascht, die Sie in eine noch prekärere Lage gebracht hätte. Ich sollte Sie wirklich dafür bestrafen.«
Ich reiße entsetzt die Augen auf. Dabei lehnt er sich über den Schreibtisch, sodass mir wieder sein betörender Geruch in die Nase steigt. Die letzten Worte sagt er leise, damit nur ich sie verstehe, oder zumindest so tun kann, als würden seine Geschäftspartner nichts davon mitbekommen. Doch ich weiß es besser, denn ich sehe im Augenwinkel das Grinsen von Ash, als ich mich erschrocken umdrehe und die Hitze in meinem Gesicht spüre, die bei seinen Worten in mir aufsteigt. Wobei sein nachdenklich sanfter Blick mir den Rest gibt.
»Was wollen Sie damit andeuten?«, kontere ich trotzdem und wundere mich über meine Schlagfertigkeit.
»Ich will damit nichts andeuten, Schätzchen. Ich will es tun und ich werde es auch tun.«
Warum bringen mich seine Worte, die absolut unangemessen und unhöflich sind, aus dem Gleichgewicht? Das Kribbeln in meinem Bauch zieht sich wieder bis in meine Scham, sodass ich schnell die Beine übereinanderschlage, um meine Unsicherheit zu verbergen. Eine Welle heißen Verlangens steigt in mir auf, die ich schnell wieder in die Versenkung zurückdränge.
»Sie sind sich Ihrer Sache wohl sehr sicher?«, frage ich Er grinst mich nur an. »Ich habe Sie nicht darum gebeten, mir zu helfen, das kann ich schon ganz allein.«
»Den Eindruck hatte ich nicht. Und ich kann es nicht leiden, wenn man sich einer Frau respektlos gegenüber verhält.«
Respektlos?! Tut er das nicht gerade auch?
Oh nein, sein Verhalten ist alles andere als respektlos. Es ist Verlangen, das aus seinen Worten spricht. Ich würde ihn niemals mit einem der beiden Typen von gestern Abend über einen Kamm scheren. Jay ist das genaue Gegenteil. Er ist nicht derb oder unsympathisch. Er ist einfach nur sexy und auf eine Art charmant, die ich kaum in Worte fassen kann. Er ist ein Mann, bei dem jede Frau zur Wölfin mutieren würde, nur um ihn sich nicht von einer anderen vor der Nase wegschnappen zu lassen. Genau das ist er, ein Bad Boy der schlimmsten Sorte, von dem ich auf jeden Fall die Finger lassen sollte.
So ein Mann würde mich nur enttäuschen. Denn wenn er genug von mir hat, lässt er mich fallen wie eine heiße Kartoffel, dessen bin ich mir sicher. Und von miesen Beziehungen habe ich weiß Gott die Nase voll; noch eine Enttäuschung brauche ich nicht.
»Sollte ich mich jetzt Ihrer Ansicht nach dafür bedanken?«
»Das wäre ein Anfang.«
»Ein Anfang wofür? Hier in Ihrem Club zu arbeiten?«
»Der Club wird für einige Zeit geschlossen, solange die Umbauarbeiten dauern. Sie könnten danach anfangen, hier im Service zu arbeiten. Hier wird Ihnen keiner etwas tun.«
Keiner außer dir!
»Aber ich brauche keinen Job.«
»Warum sind Sie dann hier?«
Seine Worte sind leise.
Bevor ich etwas erwidern kann, verabschieden sich Wyatt und Ash von mir und verlassen den Raum.
»Das sagte ich bereits. Ich bin nur hier, um Ihnen zu sagen, dass ...«
Verdammt, was wollte ich gerade noch sagen? Er steht auf, kommt um den Schreibtisch herum, lehnt sich an die Kante des Tisches, sodass ich fast sein Bein berühren kann, und schaut erwartungsvoll auf mich herunter. Wenn er mich mit diesem Blick fixiert, ist mein Kopf leer. Er beugt sich zu mir und ich kann mich nur auf seine Lippen konzentrieren, von denen ich mir vorstelle, wie sie sich auf meinen anfühlen müssen. Ganz zu schweigen von seinem traumhaften Körper, der in diesen engen Jeans und dem Hemd steckt, aus dem kräftige Arme hervorschauen und Gedanken in mir freisetzen, für die ich mich schämen sollte.
»Was wollten Sie sagen?«, dringt seine ruhige Stimme an mein Ohr. Diesen Satz habe ich schon einmal von ihm gehört und wieder hat er mich aus dem Konzept gebracht.
»Ich sollte jetzt gehen.«
»Ich glaube, Sie haben etwas ganz anderes im Sinn, als zu gehen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Warum sind Sie heute hergekommen?«
»Um Ihnen zu sagen, dass ich an dem Job nicht interessiert bin.«
»Dafür hätten Sie nicht zu kommen brauchen. Niemand hätte das getan.«
Ich beiße mir auf die Lippen und fühle mich schrecklich bloßgestellt. Ich senke den Blick und will aufstehen.
»Bleiben Sie, bitte. Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Erzählen Sie mir von sich.«
Seine Worte sind versöhnlich und augenblicklich entspanne ich mich. Wie bin ich nur in diese Situation gekommen? Warum sollte ich ihm etwas über mich erzählen? Und doch will ich nicht gehen. Als ich weiter zögere, ergreift er wieder das Wort.
»Warum haben Sie gestern in diesem Fetzen an der Bar gesessen?«
Jetzt muss ich grinsen, als ich die Szene von gestern Abend noch einmal heraufbeschwöre. Ich war in einer merkwürdigen Stimmung und heute kann ich selbst nicht verstehen, dass ich eingewilligt habe, dieses Kleid von einer Prostituierten anzuziehen.
»Das Kleid gehörte nicht mir. Ein Gast hat es mir geliehen, damit ich mich umziehen konnte. Sie ist eine Prostituierte«, gestehe ich. Er sieht mich fragend an. »Warum schauen Sie mich so an? Ich kenne die Frau nicht. Sie stieß an eine Flasche und die fiel von der Theke und direkt auf mich. Sie wollte sich damit entschuldigen. Keine Ahnung. Sollte ich weiter stinkend wie ein Spirituosenlager herumlaufen? Da war die Alternative mit dem Kleid doch um einiges besser, oder?« Ich bin selbst erstaunt über meine direkte Art, ihm die Dinge ins Gesicht zu sagen.
Ich zucke mit den Schultern und jetzt lächelt er, bis kleine Lachfalten an seinen Augen zu erkennen sind, die ihn unwahrscheinlich attraktiv wirken lassen, während er mich weiter nachdenklich beobachtet.
»Verstehe. War wohl gestern kein guter Tag für Sie?«
»Nein«, sage ich ernüchtert. »Und vielleicht brauche ich wirklich bald einen neuen Job. Mein Chef hat mir die Pistole auf die Brust gesetzt.«
»Er hat Sie entlassen?«
»Noch nicht, aber die Zeichen deuten alle darauf hin.«
»Welchen Beruf üben sie aus?«
»Ich bin Immobilienmaklerin und arbeite bei Fullerton & Fullerton. Kennen Sie die Firma?«
Jay zieht kurz die Augenbrauen hoch und hält für den Bruchteil einer Sekunde den Atem an. Er wirkt fast erstaunt, warum, weiß ich allerdings nicht. Dann besinnt er sich wieder und schüttelt uninteressiert den Kopf.
»Nein, nie von denen gehört.«
Wie sollte er auch? Das Immobiliengeschäft ist bestimmt so gar nicht seine Welt.
»Warum will Ihr Chef Sie loswerden?«, fragt er jetzt doch neugierig.
»Es geht um ein Objekt, das ich verkaufen muss.«
»Sie müssen? Was sind denn das für Arbeitsbedingungen? Die Sklaverei wurde in den USA schon lange abgeschafft. Aber das wissen Sie ja selbst.«
Jetzt muss ich wirklich lachen. »Für manche Menschen scheinbar nicht und Mister Fullerton gehört eindeutig dazu. Wie so manch andere auch«, setze ich noch leise hinzu.
Er hat mich verstanden, denn seine Mundwinkel ziehen sich sofort nach oben. Ein Zeichen dafür, dass ihm unser erstes Zusammentreffen noch genauso in Erinnerung geblieben sein muss wie mir.
»Ach ja? Interessant.« Dann wechselt er schnell das Thema. »Welches Objekt ist es denn, das Sie unbedingt an den Mann bringen müssen?«
»Sie sind ganz schön neugierig.«
»Das bin ich von Natur aus.«
»Also gut, Sie werden es ohnehin nicht kennen. Es ist ein Haus in Back Bay, das sehr teuer angeboten wird. Allerdings hat unser größter Konkurrent schon die Fühler danach ausgestreckt. Ich befürchte, er wird es schneller verkaufen, als wir Piep sagen können.«
»Wer ist Ihr Konkurrent?«
»Der Immobilienhai J. Edwards. So wird er in der Szene genannt.«
»Ach wirklich? Sie kennen ihn aber nicht persönlich?«, stellt Jay fest.
»Nein, ich kenne ihn nicht. Ich habe auch nicht das Bedürfnis, diesen Umstand zu ändern. Ganz im Gegenteil. Ich kann mir schon vorstellen, wie er drauf ist und wie er aussieht.«
»Ach ja? Wie denn?« Jetzt lächelt Jay belustigt. »Erzählen Sie mir, wie Sie sich diesen ... Wie haben Sie ihn genannt?«
»Immobilienhai und Mistkerl der besonderen Klasse.«
Wenn Jay mich so angrinst, wie er es gerade tut, den Kopf leicht schräg hält und sich ein kleines Grübchen an seinem Mundwinkel zeigt, fühlt es sich an, als wären wir alte Freunde, die sich alles sagen können. Ich zögere nicht und erzähle ihm von meinen Gedanken.
»Na ja, wie man sich so einen aufgeblasenen Macho eben vorstellt. Selbstgefällig, arrogant, eingebildet, mit Bierbauch und dickem Schlitten, mit dem er seine Kunden beeindruckt. Der typische Tyrann eben.«
Jay zieht beeindruckt die Augenbrauen hoch und grinst mich immer noch an. »Interessante Ausführung, muss ich mir merken. Und? Hätten Sie denn einen Käufer für das Objekt?«
»Vielleicht, ja.«
»Hmhm. Dann drücke ich Ihnen die Daumen, dass es klappt. Nicht dass ich Sie nicht gerne hier in meinem Club haben möchte, aber diesem – wie haben Sie ihn genannt?«
»Aufgeblasenen Macho«, antworte ich.
»Richtig, sollten Sie eine Lektion erteilen, bevor er Ihnen eine erteilt.«
»Ich dachte, Sie brauchen jemanden im Service?«, sage ich jetzt doch etwas enttäuscht zu ihm.
»Das eine schließt das andere doch nicht aus. Aber im Grunde suche ich nach etwas ganz anderem.«
»Ach ja, wonach denn?«
Jetzt steht er auf, dreht meinen Stuhl zu sich und postiert sich direkt vor mir. Ich lege den Kopf in den Nacken und spüre, wie mein Mund trocken wird. Seine Ausstrahlung zieht mich in seinen Bann. Und wieder schleichen sich seine Worte in meine Gedanken: Wenn Sie mir gehören würden, dann ...
Ja, was wäre, wenn ich ihm gehören würde? Und in diesem Moment weiß ich, dass ich es gleich erfahren werde. Zumindest ansatzweise.
»Das zum Beispiel.«
Bevor ich überhaupt mitbekomme, was er gesagt hat, greift er nach meinen Armen und zieht mich vom Stuhl hoch. Wir stehen uns gegenüber. Er wie hypnotisiert auf mich herunter schauend und ich unfähig mich zu bewegen, geschweige denn irgendetwas zu sagen. Stattdessen öffne ich leicht die Lippen, als wäre mir in diesem Moment klar geworden, was gleich folgen wird. Es ist der Augenblick, den ich im Unterbewusstsein heraufbeschworen habe, seit er sich im Park von mir verabschiedete und ich dieses Gefühl von Verlust verspürte. Wie in einem kitschigen Film lege ich den Kopf in den Nacken, verliere mich in seinem Blick, der mir signalisiert, was ich vergeblich versucht habe, zu verdrängen. Lust! Es ist reine Lust, Begierde, die er in mir auslöst. Ich will seine Hände auf meiner nackten Haut spüren. Allein der Gedanke daran lässt mich wohlig schaudern. Der Raum um uns herum existiert nicht mehr. Es existieren nur noch er und ich. Er kommt näher, jetzt zögert er nicht mehr. Ich schließe die Augen und dann spüre ich seine Lippen auf meinem Mund.
Sie versetzen mich in eine Art Trance. Genau wie seine Hand, die in meinen Nacken greift und meine langen Haare zur Seite schiebt, bevor er mich mit einer schnellen Bewegung an seinen Körper zieht. Völlig überrumpelt lasse ich es einfach geschehen. Er nimmt meinen Mund mit einer brennenden Leidenschaft in Besitz. Vollführt einen erotischen Tanz mit seiner Zunge, die in mir eine Gefühlsexplosion auslöst. Ich schmiege mich näher an ihn. Greife jetzt auch mit einer Hand in seine Haare, die andere presse ich zwischen seine Schulterblätter und lasse mich von den Emotionen davontragen. Seine Hand wandert tiefer zu meinem Po und dann drückt er mich mit einer schnellen Bewegung ganz nah an sich. Ich spüre seine Härte unter dem Jeansstoff und seinen schnellen Herzschlag. Ich wusste es! Von Jay verführt zu werden ist einfach nur heiß. Dabei hat er mich bloß geküsst. Jetzt drängt er mich von dem Stuhl weg, bis ich die kalte Wand im Rücken spüre. Er presst mich dagegen, löst seine Lippen von meinen und grinst mich an.
»Ich muss dich haben.«
Bevor er sich wieder zu mir beugt, zieht er fragend die Augenbraue hoch, wartet auf ein Zögern von mir, das nicht kommt. Wieder sind es seine Lippen, die mich in den Bann ziehen. Seine Hände, die er über meine Taille weiter abwärts bis zu meinem Po wandern lässt, und sein Körper, der mich gegen die Wand drückt.
»Hier?«, flüstere ich, als er meinen Mund kurz freigibt.
»Nein, nicht hier«, raunt er mir ins Ohr, bevor er wieder leidenschaftlich von meinen Lippen Besitz nimmt.
Nicht hier? Ich glaube, da täuschst du dich, Jay!