Читать книгу Boston Bad Boys (Sammelband) - Holly Summer - Страница 13
Оглавление10 – Jay
Middle East prangt auf dem Schriftzug, der sich über den Eingang schlängelt. Ich war schon häufiger hier. Immer dann, wenn Ash und ich auf der Suche nach einer passenden Partnerin waren. Der Laden passt haargenau zu uns. Die Leute, die hier verkehren, sind unkonventionell und zwanglos. Die Vorderfront, die kunstvoll mit Graffiti bemalt ist und Menschen der unterschiedlichsten Nationalitäten abbildet, lässt erahnen, dass es sich hier um einen legeren Club handelt.
Ich öffne Sunday die Tür und lasse sie zuerst eintreten, ganz der Gentleman, der ich im Grunde gar nicht bin. Doch ich weiß genau, wie ich einer Frau imponieren kann, und bei Sunday kann ich einfach nicht anders. Ich muss sie ziemlich verschreckt haben, als ich ihre Frage nach meinem Namen im Wagen nicht beantwortet habe. Mein Gott, wie hätte ich ihr erklären sollen, wer ich in Wirklichkeit bin? Mir ist vollkommen klar, dass ich es nicht mehr lange aufschieben darf. Die Sache fängt langsam an, aus dem Ruder zu laufen. Aber wer hätte gedacht, dass diese Frau mehr für mich bedeutet, als ein kurzes Abenteuer?
Aus dem Inneren dringt uns eine stimmungsvolle Geräuschkulisse entgegen. Bis auf zwei Tische sind alle besetzt. Weiter hinten auf der Bühne macht sich bereits die Band bereit, die Stimmung noch mehr anzuheizen. Angetörnt von der ausgelassenen, lockeren Atmosphäre, bewegt mein Goodgirl die Hüften zum Takt der Musik. Ich folge ihr, während mein Blick sich an ihrem Hintern festsaugt. Sie bleibt stehen und dreht sich zu mir um. Am liebsten würde ich sie in die nächste Ecke ziehen, meine Hände unter ihr Shirt schieben und ihre Titten liebkosen.
Aber ich tue es nicht, sondern zeige mich von meiner charmantesten Seite, deute auf einen der freien Tische in der Mitte des Restaurants. Wir schieben uns durch die engen Reihen, sie immer dich hinter mir, bis ich nach ihrer Hand greife. Die Geste scheint ihr zu gefallen, denn jetzt lächelt sie mich liebevoll an. An unserem Tisch angekommen, drehe ich mich um, nehme ihr die Jacke ab und ziehe ihr den Stuhl zurück.
»Danke«, ruft sie mir zu.
»Nicht dafür.« Ich lege den Kopf zur Seite und grinse sie herausfordernd an, was sie mit einem weiteren zärtlichen Lächeln belohnt.
Ich rücke meinen Stuhl zurück und setze mich ihr gegenüber, während ich ihre Jacke auf den freien Stuhl zwischen uns lege. Als ich mich vorbeuge, ihr tief in die Augen schaue und nach ihrer Hand greife, hält sie kurz die Luft an. An ihrer Halsschlagader kann ich ihren Herzschlag erahnen, der sprunghaft in die Höhe geschnellt ist.
»Ich hoffe, du verlangst nicht von mir, zu singen«, versucht sie, ihre Unsicherheit zu überspielen.
»Wovor hast du Angst?«
»Wie kommst du darauf, dass ich vor etwas Angst habe?«
»Ich bin ein guter Menschenkenner.«
»Ach wirklich?«
»Als ich dich in meinem Club geküsst habe, da hast du es zugelassen, und doch war da ein Ausdruck in deinen Augen, der nach Angst oder Zurückhaltung aussah. Was hast du erlebt?«
Ich muss wissen, worauf ich mich mit ihr einlasse. Wie weit ich gehen kann, ohne sie zu verletzen.
»Warum erzählst du nicht ein wenig über dich und deinen Lifestyle?«, versucht sie, abzulenken. Sie will mich immer noch aus der Reserve locken.
Alles zu seiner Zeit, mein Engel.
»Willst du ein Dossier über mich?«
Sie nickt.
»Okay. Ich bin fast 33 Jahre alt, nicht verheiratet oder sonst liiert, und lebe mit meinem Hund Charly hier in Boston, mit dem ich in der Regel jeden Morgen joggen gehe, wenn ich nicht zufällig von einer hübschen, jungen Frau angefahren werde«, teile ich ihr grinsend mit.
»Du hast einen Hund?«, fragt sie überrascht.
Volltreffer! Ich wusste, dass sie auf Charly anspringt und ich so von mir ablenken kann.
»Ja, warum überrascht dich das?«
»Keine Ahnung. Welche Rasse?«
»Rhodesier. Und jetzt zu dir«, dabei beuge ich mich wieder nach vorne, greife ihre Hand und massiere mit meinem Daumen ihre Handinnenfläche, was sie leicht erzittern lässt.
»Nichts Besonderes«, wehrt sie ab. Aber ich weiß genau, dass sie nicht mehr lange standhaft bleiben und mir auch noch den Rest über sich erzählen wird.
»Und wenn ich dir das nicht glaube?«
Die Kellnerin kommt an unseren Tisch und stellt zwei Gläser Tafelwasser vor uns, was unsere Unterhaltung unterbricht.
»Wisst ihr schon, was ihr nehmt?«, fragt sie und zückt einen Stift.
»Die Tapas hier sind gut«, schlage ich Sunday vor. Sie nickt. »Wir nehmen einen großen Tapas-Teller und zwei Bier«, dabei schaue ich sie an, ob die Bestellung für sie auch okay ist. Sie nickt wieder.
Als die Kellnerin sich wegdreht, beuge ich mich auf dem Tisch weiter nach vorne, greife zärtlich eine ihrer Haarsträhnen, die ihr locker auf die Schultern fallen und wickle sie mir um den Finger. Diese Geste, die nichts Intimes hat und doch so vertraut ist, dass sie wieder kurz die Luft anhält, lässt den letzten Rest ihrer Zurückhaltung dahinschmelzen.
»Kannst du etwa Gedanken lesen?«, fragt sie leise.
Aber ich gehe gar nicht auf ihre Frage ein. »Ich tippe auf einen Mann, der dich verletzt hat«, sage ich stattdessen und beobachte genau ihre Reaktion.
Jetzt ist es mit ihrer Distanziertheit endgültig vorbei. Einen Moment wirkt sie nachdenklich und weit weg von hier, bevor sie sich mir wieder ganz zuwendet.
»Er war nicht ehrlich. Das Übliche eben.« Dabei schaut sie auf den Tisch und lässt ihre Finger an ihrem Glas entlanggleiten.
»Nicht jeder Mann ist so. Du hast einfach dem Falschen vertraut.«
»Woher soll man wissen, dass es der Richtige ist?« Sie schaut auf und ihr Blick wirkt verletzt, sodass es mir einen Stich versetzt. Ich bin auch nicht ehrlich zu ihr!
Jetzt ist sie es, die meine Reaktion genau beobachtet. Aber ich kann meine Gefühle verbergen. Noch.
»Das wirst du spüren.«
Sie lacht bitter auf. »Gute Antwort. Sagt nur nichts aus.«
»Erzähl mir von ihm«, fordere ich sie auf.
»Was willst du wissen?«, fragt sie fast reserviert.
»Ich will alles über dich wissen.« Meine Stimme ist weich.
Sie lehnt sich zurück und starrt kurz den Barkeeper hinter der Bar an, der der Frau ihm gegenüber schon seit geraumer Zeit verliebte Blicke zuwirft.
»Sunday?«, frage ich leise, während ich nach ihrer Hand greife und wieder zärtlich darüber streichle.
»Tut mir leid. Ich war gerade ...«
»Ich weiß schon, bei ihm. Er hat dir wehgetan.«
»Ja, aber das ist jetzt vorbei«, sagt sie bestimmt.
»Was ist passiert?«
»Sean und ich waren über sechs Jahre zusammen. Da kann man schon davon ausgehen, dass man den Richtigen hat, oder?«
Ich nicke verhalten, während ich den Schweinehund in meinem Inneren erfolgreich zurückdränge.
»Wir lernten uns während des Studiums kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick und es hat auch nicht lange gedauert, bis wir uns zusammen eine Wohnung genommen haben. Alles war perfekt«, dabei schaut sie traurig an mir vorbei, bevor sie weiterspricht. »Bis zu dem Moment, als sie in sein Leben trat.«
»Eine andere Frau also.«
»Was sonst?« Sie nickt und starrt auf ihre Hände, die das Glas umklammert halten, während ich mit meinem Zeigefinger kleine Kreise auf ihrem Handrücken zeichne.
Ich sage nichts, gebe ihr Zeit. Nach einigen Sekunden schaut sie auf. Mein Blick ist auf sie gerichtet und meine Miene drückt Mitleid aus. Aber das ist das Letzte, was sie jetzt braucht. Schnell fasst sie sich wieder.
»Er hat sie während seiner Schicht in der Bar kennengelernt, in der wir beide gejobbt haben. Die Beziehung lief schon eine ganze Weile, bis ich es gemerkt habe.«
»Hast du sie in flagranti erwischt?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Nein, das nicht. Aber zufällig bekam ich ein Bild von einem kleinen Baby in die Hände. Sein Kind, ein kleiner, süßer Junge, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist.«
Ich schließe kurz die Augen und wende den Kopf ab. Verdammte Scheiße, ich sollte die Finger von ihr lassen. »Das tut mir leid.«
»Es ist vorbei. Es bedeutet mir nichts mehr.«
»Wie lange ist das her?«
»Vor fünf Wochen bin ich ausgezogen.«
»Dann wundert mich nichts.«
Sie zuckt mit den Achseln. »Was hast du erwartet? Ich bin keine, die sich von einem Abenteuer ins nächste stürzt.«
»So habe ich dich auch nicht eingeschätzt.«
»Hast du nicht? Dabei dachtest du, ich sei eine Prostituierte«, hält sie mir jetzt vor. Verdammt, ich habe sie unterschätzt.
»Das habe ich niemals gedacht. Dafür bist du viel zu schüchtern und anständig.«
»Warum hast du dann ...«
»Nein, vergiss es einfach. Was hast du getan, als du es herausfandest?«
»Na ja, der Rest ist schnell erzählt. Es gab einen fürchterlichen Streit und ich bin bei Elijah eingezogen. Dort wohne ich seitdem.«
»Elijah? Wer ist das?«, frage ich stirnrunzelnd.
»Elijah ist der Clubbesitzer, bei dem ich gejobbt habe, und ein echter Freund. Ihm gehört der Sky Club. Vielleicht kennst zu ihn?«
»Flüchtig. Er ist sicher ein guter Freund.«
»Der Beste«, bestätigt sie mir lächelnd. »Er ist schwul«, betont sie dann noch.
Das geht mich zwar nicht das Geringste an, aber sie sagt es mir dennoch. Ich wollte auf keinen Fall den Verdacht erwecken und ihr unterstellen, sie hätte etwas mit Elijah. Es war einfach nur so dahingesagt. Ein entspanntes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. »Das freut mich.«
Sunday stützt die Arme auf dem Tisch auf, legt das Kinn in ihre Hände und schlägt die Beine übereinander.
»Was denkst du?«
Leise lachend schüttelt sie den Kopf. »Dass du ganz schön neugierig bist, das denke ich.«
»Und wenn ich dir das nicht glaube?«
Wieder betrachtet sie mich prüfend, bevor sie antwortet: »Warum habe ich das Gefühl, dir vertrauen zu können? Oder geht es dir nur um eine schnelle Nacht?«
»So schätzt du mich also ein?«
»Eigentlich nicht. Du hast mir zugehört, aber tun das nicht alle Männer, wenn sie eine Frau ins Bett bekommen wollen?«
»Ich bin nicht wie die anderen.«
»Das weiß ich. Du liebst eine etwas andere Gangart beim Sex«, rutscht es ihr heraus und in diesem Moment weiß ich, dass sie neugierig ist. Neugierig auf die Welt, die ich ihr näherbringen will.
Wann sie sich wohl zu meinem Vorschlag unsere Beziehung betreffend äußern wird? Am besten warte ich ab, bis sie das Thema direkt anspricht.
»Was ist schon anders? Sagen wir, ich liebe es härter und intensiver. Weiter nichts.«
Die Kellnerin kommt an unseren Tisch und stellt die Getränke ab, und eine zweite bringt das Essen, das herrlich duftet und unwiderstehlich aussieht.
»Was ist mit deinen Freundinnen?«, wechsle ich das Thema.
»Da ist Tyler. Aber sie ist in festen Händen und wird bald heiraten. Außerdem jettet sie ständig durch die Welt. Sie ist Model.«
»Verstehe.«
»Das sieht ja lecker aus. Du hast Geschmack«, lobt sie meine Wahl, als ihr der Duft von Tomaten und scharfen Gewürzen in die Nase steigt.
»Ich weiß.« Dabei grinse ich sie an.
»Okay, ich nehme das als Kompliment für meine Person und schreibe es nicht deinem Ego zu«, neckt sie mich.
Du wirst mein Ego schon noch kennenlernen, sehr genau sogar.
Die nächsten Minuten essen wir schweigend. Die Tapas sind lecker und ich habe das Gefühl, sie isst mit großem Appetit. Als der Teller fast leer ist, lehne ich mich zurück und lasse meinen Blick zu der Tanzfläche wandern.
»Was meinst du? Wollen wir uns ein wenig unter das Volk mischen?«
»Du willst tanzen?«
»Warum nicht?«
Bevor sie etwas sagen kann, stehe ich auf, gehe um den Tisch herum, reiche ihr die Hand und ziehe sie von ihrem Stuhl hoch, sodass sie in meinen Armen landet.
»Jay, ich warne dich, tanzen gehört nicht gerade zu meinen Stärken.«
»Aber zu meinen. Vertrau mir«, hauche ich ihr ins Ohr und ziehe sie in den hinteren Teil der Bar auf die Tanzfläche.
Hier ist die Musik um einiges lauter und sie wird sofort von der ausgelassenen Stimmung angesteckt. Ich greife nach ihrer Hand und sie schmiegt sich in meine Arme.
»Du bist wunderschön, weißt du das?«, raune ich ihr ins Ohr. Sie beißt sich auf die Lippen und vergräbt ihr Gesicht an meiner Schulter, während ich sie über die Tanzfläche führe.
»Ihr seid ein tolles Paar. Ich wünschte, mein Eddy könnte so perfekt tanzen wie dein Mann«, ruft die Frau neben uns Sunday zu.
Sie wirkt verlegen, aber ich grinse nur verwegen und lege noch einmal eine Schippe drauf, während ich sie über die Tanzfläche wirble.
»Ich wusste gar nicht, dass wir ein Paar sind«, sagt sie laut an meinem Ohr.
»Sind wir nicht?«, frage ich, worauf sie sich noch ein Stück enger an mich schmiegt.
In diesem Moment weiß ich, dass ich mehr von ihr will, als nur ihr Tanzpartner zu sein. Ganz abgesehen davon, dass ich für sie Gefühle empfinde, die ich noch bei keiner anderen Frau erlebt habe. Immer mehr dringt der Wunsch, sie nur als Spielbeziehung zu haben, in den Hintergrund. Ich sehe in ihr nicht das Lustobjekt. Ich sehe in ihr die Frau, von der ich mehr will als Sex.
Die Band beendet das Stück und der Gitarrist nimmt das Mikro in die Hand. »Okay, Guys, Karaoke Time!«
Die Leute auf der Tanzfläche scheinen nur darauf gewartet zu haben. Das zustimmende Klatschen und Kreischen ebbt gar nicht mehr ab.
Sunday ergreift meine Hand und will mich von der Tanzfläche ziehen, aber ich denke gar nicht daran. Im Gegenteil, ich zwinkere ihr zu und dränge mich mit ihr nach vorne.
»Jay, du willst doch da nicht mitmachen?«, fragt sie unsicher.
Mein Grinsen sollte ihr Bestätigung genug sein. »Warum nicht?«
»Okay, hier haben wir schon die ersten Freiwilligen«, ruft der Gitarrist, während ich auf die Bühne steige.
Sunday bleibt in der Menge zurück und verzieht das Gesicht zu einer ängstlichen Miene. Doch ich habe etwas anderes geplant. Ich halte ihr einladend die Hand entgegen. »Komm«, flüstere ich leise.
Die Menge um sie herum feuert Sunday zusätzlich an. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als meine Hand zu ergreifen und sich von mir auf die Bühne helfen zu lassen. Ich weiß, ich kann manchmal ein verdammter Mistkerl sein.
»Du bist verrückt«, flüstert sie mir in strengem Ton zu. »Willst du mich blamieren?«
»Du wirst sehen, das macht Spaß«, verspreche ich ihr und hauche ihr einen Kuss auf die Wange.
»Okay, wie heißt ihr?«, will der Gitarrist wissen.
»Sunday und Jay«, beantworte ich seine Frage.
»Hey Guys, einen Applaus für Sunday und Jay«, schreit er in die Menge, die unter uns in lauten Beifall ausbricht.
Sicher würde Sunday mich jetzt am liebsten in der Luft zerreißen und doch bin ich mir sicher, dass sie im Grunde genauso viel Spaß hat wie ich.
Ich deute auf den Bildschirm vor uns, auf dem der Text ablaufen wird, während sie nach meiner Hand greift, die ich leicht drücke. Sie ist aufgeregt und trippelt unruhig mit den Füßen auf den Boden, aber im Grunde signalisiert sie mir damit nur, dass sie den Kick genauso zu schätzen weiß wie ich.
»Ready«, ruft der Gitarrist uns zu. Ein Blick zu Sunday, die mich zögerlich anlächelt, kurz darauf allerdings zustimmend nickt.
»Yes!«, sagt sie selbstbewusst und starrt voller Erwartung auf den Monitor.
Wir sind bereit. Die Band stimmt die ersten Takte von Joe Cockers »You Can Leave Your Hat On« an. Sie schließt kurz gequält die Augen und ich weiß, was sie gerade denkt, aber ich halte sie ganz fest.
»Ich liebe den Song«, flüstere ich ihr ins Ohr.
»Ich auch. Dann lass uns den Club mal rocken.«
Worauf du dich verlassen kannst, kleiner Engel.
Die Frauen auf der Tanzfläche kreischen vor Aufregung und wildes Gelächter bricht aus, während die Männer vor Vorfreude die Augen rollen und uns anfeuern, die Hüllen fallen zu lassen. Die ersten Takte ertönen, der Drummer lässt die Trommelstöcke auf den Klangkörper rauschen, während Sunday sich ausgelassen zu der Musik bewegt.
Ich lasse ihre Hand los und beobachte sie, während auch ich mich von der Musik antörnen lasse. Ich brauche mich nicht auf den Text auf dem Monitor zu konzentrieren, ich kenne ihn auswendig, und Sunday scheint es ebenso zu gehen. Sie schwingt die Hüften, während ihre melodische Stimme gemischt mit meinem tiefen Timbre den Raum erfüllt. Als die Meute unten auf der Tanzfläche in immer lauteren Beifall und zustimmendes Gekreische ausbricht, lässt Sunday die letzte Zurückhaltung fallen. Sie bewegt provozierend die Hüften, wirft den Kopf in den Nacken und lässt langsam ihren Blazer über die Schultern gleiten, bevor sie ihn wieder nach oben zieht. Verdammt, diese Frau macht mich an. Es scheint, als würde sie nur für mich tanzen.
Ich gehe einen Schritt auf sie zu, ziehe sie in meine Arme und singe den letzten Refrain nur für sie. Wir stehen uns gegenüber, während wir die Welt um uns herum ausblenden. Ich habe nur Augen für sie. Erst als der letzte Ton verklungen ist und die Menschen unter uns laut Zugabe kreischen, bin ich wieder im Hier und Jetzt.
Ich nehme ihre Hand, wir verbeugen uns und ich kann nicht anders, als sie mitten auf der Bühne zu küssen. Völlig ausgelassen steigen wir wieder auf die Tanzfläche hinab. Wann hatte ich das letzte Mal so einen Spaß? Die Menschen um uns herum grölen immer noch lautstark, als wir zu unserem Tisch gehen, die Rechnung bezahlen und dem Ausgang zustreben.
»Das war einfach abgefahren«, schwärmt sie noch und kuschelt sich verspielt an mich, als ich von einem Mann am Eingang angerempelt werde, der gerade die Bar betreten will. Ich hebe den Kopf und unsere Blicke treffen sich. Verdammt, es ist Nathan Bishop! Überrascht fixiert er mich, bevor sein Blick zu Sunday gleitet. Sein selbstgefälliger Gesichtsausdruck weckt Erinnerungen in mir, die ich eigentlich verdrängen wollte. Ihn wollte ich verdrängen, einfach aus meinem Gedächtnis streichen. Doch jetzt steht er vor mir.
»Jay, du? Lange nicht gesehen«, dringt seine Stimme an mein Ohr.
»Nathan«, knurre ich kurz angebunden. Dann wendet er sich Sunday zu und mein Griff um ihre Taille wird fester. Besorgt sieht sie mich an.
»Und wer ist die junge hübsche Frau an deiner Seite?«, will er wissen.
Das geht dich einen verdammten Dreck an!, würde ich ihm am liebsten entgegenschleudern, aber ich sage nichts, sondern stehe nur mit finsterer Miene vor ihm und warte, dass er endlich weitergeht. Doch dieser Wunsch wird mir nicht erfüllt. Er beobachtet mich ganz genau und versucht, in meinem Mienenspiel etwas zu erkennen. Aber ich gebe mich emotionslos. Nur das leichte Zucken meiner Kiefermuskeln zeigt meinem Gegenüber, wie angespannt ich bin. Ich drücke Sundays Hand, als müsste ich sie beschützen. Leise flüstert sie meinen Namen, aber ich schüttle nur ganz leicht den Kopf, ohne meinen Blick von Nathan zu nehmen. Seit Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen und ich verspüre auch nicht den Drang, unsere frühere Bekanntschaft wieder aufzufrischen. Was macht er wieder hier in Boston?
Da ich auf seine Frage nicht eingehe, versucht er eine andere Taktik, mich aus der Reserve zu locken.
»Ich habe in der Zeitung gelesen, dass du einen Club eröffnest. Da sollten wir unbedingt einmal darüber reden. Ich hätte da so eine Idee.«
»Tut mir leid, aber an Geschäften bin ich nicht interessiert. Du entschuldigst uns, wir haben es eilig«, fertige ich ihn schnell ab. Dabei greife ich nach Sundays Arm und schiebe sie an ihm vorbei auf den Bürgersteig.
»Ich habe nichts vergessen. Du scheinbar schon. Aber das kann man schnell ändern«, zischt er mir noch nach.
Ich könnte ihn ungespitzt in den Boden rammen. Die aufgeheizte, knisternde Stimmung zwischen Sunday und mir hat einen Dämpfer bekommen.
»Schön, Sie kennengelernt zu haben«, ruft er Sunday hinterher. Sie dreht sich kurz um und nickt nur irritiert, bevor ich sie schnell zu meinem Wagen führe.
»Wer war das?«, fragt sie mich aufgeregt, als ich ihr die Wagentür aufhalte.
»Niemand«, antworte ich, während ich mich noch einmal zu der Bar umdrehe. Aber Nathan ist verschwunden.