Читать книгу Boston Bad Boys (Sammelband) - Holly Summer - Страница 12
Оглавление9 – Sunday
»Mister Fullerton?« Ich stehe in der Tür zum Büro meines Chefs, während er in einen dicken Aktenordner vertieft ist.
Er scheint mich nicht gehört zu haben, und murmelt kopfschüttelnd vor sich hin, deshalb räuspere ich mich und trete näher an seinen Schreibtisch.
»Mister Fullerton!«, rufe ich ihn etwas lauter und kann meine Freude kaum für mich behalten. Endlich schaut er auf und lächelt mich verhalten an.
»Miss Anderson, bitte, nehmen Sie Platz.«
Ich rücke den Stuhl zurück und setze mich aufrecht darauf. Mein Chef faltet die Hände auf dem Schreibtisch und schaut mich an. Seine Miene wirkt verhärmt und kraftlos. Aber heute wird er mir den Tag nicht mehr vermiesen. Entschlossen greife ich in meine Tasche und lege ihm den unterschrieben Vertrag auf den Tisch.
»Sie wollten doch, dass ich das Watson-Anwesen verkaufe. Voilà«, beginne ich das Gespräch und warte nur darauf, dass sich seine Stimmung in den nächsten Sekunden ändern und ein Lächeln sich in seinem Gesicht ausbreiten wird. Aber nichts dergleichen passiert. Er zeigt keine Reaktion. Dann nickt er leicht und winkt ab. Was ist nur los mit ihm?
»Mister Fullerton, ich habe es verkauft. Das ist kein Witz«, versuche ich, ihn aus der Reserve zu locken.
»Sehr schön, Miss Anderson, ich glaube es Ihnen ja auch. Ich wusste, dass Sie das Zeug dazu haben, aber es ist leider zu spät.« Bedauern liegt in seiner Stimme.
Was meint er damit? Bin ich meinen Job doch los und überlegt er gerade, wie er es mir so schonend wie möglich beibringen kann? Verdammt, er hat mir diese Chance versprochen. Ich habe alles gegeben, um dieses verfickte Grundstück mit dem großen Haus zu verkaufen. Was will er denn?
»Aber Sie haben mir versprochen, wenn ich dieses Objekt verkaufe, dann ...«
Er hebt die Hand und ich verstumme.
»Miss Anderson, es geht nicht um Sie oder das Objekt. Ich muss die Firma verkaufen. Die Banken haben die Kredite nicht mehr verlängert. Sie wissen doch selbst, wie es um die Firma steht. Sie haben mit mir die Steuererklärungen gemacht.«
So habe ich ihn noch nie erlebt. Menschlich! Er bespricht firmeninterne Dinge mit mir. Natürlich war mir klar, dass seine finanzielle Situation angespannt ist, aber dass es so schlecht um die Firma steht, habe ich nicht gewusst. Ich bin ernüchtert und unglaublich wütend auf ihn, immerhin muss er bereits letzte Woche gewusst haben, dass alles umsonst war. Ich ziehe die Luft durch die Nase und schaue ihn streng an.
»Das heißt also, ich bin meinen Job los?« Meine Stimme ist kalt und abweisend.
»Sie finden sicher schnell wieder Arbeit«, versucht er, mich aufzubauen. Gerade noch war ich glücklich und nur Sekunden später am Boden zerstört.
»Außerdem ist noch nicht geklärt, ob der neue Besitzer Sie und Miss Manson nicht doch übernimmt.«
»Geben Sie sich keine Mühe, das Unabdingbare schön zu reden. Dann werde ich mir eben einen neuen Job suchen müssen.«
»Miss Anderson«, ruft er mich zurück, als ich aufstehen will.
»Ja?«
»Ich würde es begrüßen, wenn Sie Ihren Kolleginnen noch nichts davon sagen würden«, bittet er mich.
»Wenn Sie das sagen«, antworte ich resigniert.
»Es tut mir leid«, sind seine abschließenden Worte, dann bin ich entlassen.
Wie betäubt stehe ich unter der Dusche und lasse das warme Wasser auf mein Gesicht prasseln. Die Wärme tut gut, aber sie kann das quälende Gefühl in mir nicht abschalten, das mich seit dem Gespräch mit meinem Chef überkommen hat. Nach einer gefühlten Ewigkeit drehe ich den Wasserhahn zu, steige aus der Dusche und wickle mich in mein Badehandtuch.
Ich hätte Jay heute Abend absagen sollen, ich bin überhaupt nicht in der Stimmung, mit ihm auszugehen. Doch er ist gerade der einzige Lichtblick. Jessy habe ich natürlich nichts von meinem Gespräch mit Mister Fullerton erzählt, aber mit irgendjemandem muss ich sprechen. Da Elijah auf dem Weg in seinen Club war, als ich nach Hause kam, und Tyler noch immer bei einem Fotoshooting in Europa ist, habe ich beschlossen, Jay nicht abzusagen. Ich glaube, dass er der Richtige ist, der mich versteht.
Jay hat mir nicht gesagt, wo wir hingehen werden. Deshalb stehe ich jetzt vor meinem Kleiderschrank und kann mich nicht entscheiden, ob ich meine zerrissene, eng anliegende Jeans oder doch lieber ein Kleid anziehen soll. Die ganze Verabredung basiert nur auf einigen kurzen Nachrichten, die wir uns geschickt haben.
Immer noch unschlüssig, für welches Outfit ich mich entscheiden soll, gehe ich ins Badezimmer, greife zum Föhn und trockne meine Locken, bis sie mir wie eine Mähne auf die Schultern fallen. Auf dem Regal liegt eine angefangene Tüte mit Gummibärchen und ich kann nicht widerstehen, hineinzugreifen und mir zwei von den roten Kirschen herauszuangeln. Typisch für Sky! Er liebt das Gummizeug genauso wie ich und im ganzen Haus sind Tüten davon verteilt. In diesem Moment klingelt mein Handy. Ich renne ins Schlafzimmer und schaue auf das Display. Es ist Tyler.
»Hi, Tyler, wo steckst du?«, dabei lasse ich mich auf mein Bett fallen und ziehe die Füße an.
»Ich bin immer noch in Europa und werde noch ein paar Tage dranhängen. Keith hat hier ein Golfturnier«, teilt sie mir mit. Keith ist ihr Lover, zukünftiger Mann und ein verdammt guter Golfer. »Du hast mich gestern angerufen. Tut mir leid, aber ich war den ganzen Tag unterwegs und bin gerade erst von einer Party zurückgekommen. Was gibt es?«, will sie wissen.
Ja, ich habe Tyler gestern angerufen, weil ich dringend jemanden zum Reden gebraucht hätte, aber ihr das alles am Telefon zu erklären, hätte jetzt wenig Sinn, zumal es in Europa bereits Nacht ist und Jay mich bald abzuholen wird. Darum entscheide ich mich dafür, ihr später von Jay und meiner beruflichen Situation zu berichten.
»Nichts Besonderes. Okay, ich habe einen Typen kennengelernt, aber er holt mich gleich ab, ich hab also nur wenig Zeit.«
»Was Ernstes?«, will sie wissen.
»Wir haben uns erst vor ein paar Tagen kennengelernt.«
»Dann ist noch nichts gelaufen zwischen euch?«
»Nein«, sage ich entrüstet.
»Wer ist er? Kenne ich ihn?«
»Ich glaube nicht. Er ist der neue Besitzer von Jimmy’s Bar. Er und zwei andere heiße Typen haben den Laden gekauft. Jetzt ist dort für kurze Zeit geschlossen, es wird renoviert.«
»Cool, wurde auch langsam Zeit, dass sich dort mal was tut. Dann wünsche ich dir heute Abend viel Spaß. Ich bin bald wieder in der Stadt. Lass uns dann telefonieren und was trinken gehen, okay?«
»Das machen wir«, verspreche ich ihr.
»Außerdem bin ich neugierig, wie das mit deinem Clubbesitzer weitergeht. Wie heißt er?«
»Jay.«
»Jay? Und weiter?«
In diesem Moment wird mir klar, dass ich nicht mal seinen Nachnamen kenne. Wir haben bisher immer nur über Facebook miteinander kommuniziert, wo er keinen echten Namen angegeben hat. Ein Umstand, den ich schnellstens ändern sollte.
»Ich weiß es nicht«, gebe ich ernüchtert zu.
»Also ich habe zumindest nach dem Namen und der Telefonnummer meiner Lover gefragt, bevor ich mit ihnen in die Kiste gesprungen bin«, zieht sie mich auf.
»Wer sagt denn, dass ich Sex mit ihm haben werde? Außerdem habe ich seine Telefonnummer.«
»Wirst du nicht?«, dabei höre ich sie leise kichern.
»Tyler!«, ermahne ich sie und doch muss ich schmunzeln.
Tyler hat recht. Wenn Jay mich heute Nacht fragt, werde ich sicher nicht Nein sagen. Das letzte Mal, dass ich mit einem Mann Sex hatte, war vor vier Monaten. Auch wenn ich erst seit ein paar Wochen weiß, dass Sean ein Verhältnis hat, ist in sexueller Hinsicht schon seit einiger Zeit nichts mehr zwischen uns gelaufen.
»Tut mir leid, Süße. Aber nach allem, was du mit Sean durchgemacht hast, wünsche ich mir für dich, dass du dieses Mal den Richtigen gefunden hast.«
Den Richtigen! Wenn Tyler wüsste, auf welche Art von Beziehung Jay aus ist, würde sie durchs Telefon kriechen und mich mit allem, was in ihrer Macht steht, daran hindern, mich mit ihm zu treffen.
»Ist schon gut. Ich muss mich jetzt wirklich fertig machen. Er holt mich gleich ab. Wir sehen uns dann, wenn du wieder in Boston bist.«
»Okay, viel Spaß«, wünscht sie mir noch mal.
»Natürlich«, dann beenden wir das Gespräch.
Ein Blick auf meine Uhr und ich muss feststellen, dass ich viel zu viel Zeit vertrödelt habe. Also entscheide ich mich jetzt kurz entschlossen für meine Jeans, ein Top und einen Blazer. Als ich ein Paar Sneaker aus dem Karton nehme, klingelt es bereits an der Tür. Ich werfe einen schnellen Blick aus dem Fenster. Es ist Jay. Erleichtert atme ich durch. Er trägt genau wie ich Jeans, außerdem ein Hemd, dessen Ärmel aufgekrempelt sind. In Businesskleidung könnte ich ihn mir überhaupt nicht vorstellen. Mich würde es nicht wundern, wenn er seine Harley vor dem Haus geparkt hätte. Zu ihm passen würde es.
Auf dem Bett liegt meine Handtasche. Ich werfe das Handy hinein, hänge mir die Tasche über die Schulter und laufe aufgeregt die Treppe hinunter. Ich habe keine Ahnung, wie der Abend ablaufen wird.
Als ich die Haustür öffne, lehnt er lässig an der Hauswand und grinst mich an. Mein Gott, dieser Blick allein schickt Stromschläge in meine untere Körperhälfte.
»Hi.« Das ist alles, was er sagt. Dann beugt er sich zu mir nach vorne, legt seine Hand in meinen Nacken, zieht mich zu sich heran und küsst mich. Der gleiche intensive Kuss wie in seinem Club. Genauso schnell lässt er mich wieder los, lächelt nur geheimnisvoll und deutet mit dem Kopf zu einem Wagen, der vor der Einfahrt am Straßenrand parkt.
»Ich hatte damit gerechnet, dass du auf einer Harley hier aufkreuzt«, sage ich, während ich ihm zu dem schnittigen Cabrio folge.
»Würdest du gerne auf einer fahren?«, fragt er.
»Ich weiß nicht, vielleicht? Ich dachte nur, dass eine Harley besser zu dir passt als dieser Sportwagen«, gebe ich schulterzuckend zu.
»Ash besitzt so eine Höllenmaschine. Es ist keine Harley, aber das Teil hat sogar noch einige PS mehr. Er leiht sie mir sicher.«
Jetzt öffnet Jay mir die Beifahrertür und ich lasse mich auf den weichen Sitz gleiten, während er um das Auto herumgeht. Der Wagen sieht verdammt teuer aus. Ich kenne mich in dieser Preisklasse nicht aus, aber allein die Bezüge und die schicken Felgen müssen ein Vermögen gekostet haben. Vorsichtig gleiten meine Finger über das edle Material. Das Auto scheint noch neu sein, der Geruch von frischem Leder steigt mir in die Nase.
Schnell schiebt Jay sich auf den Fahrersitz und startet den Motor mit einem dafür vorgesehenen Knopf.
Mir war nicht bewusst, dass man sich mit einem Club, der noch dazu im Moment nichts abwirft und eigentlich nur Kosten verursacht, solche teuren Autos leisten kann. Noch ein Zeichen dafür, dass ich so gut wie nichts über Jay weiß, er über mich aber schon eine ganze Menge. Vielleicht ist das alles nur Kulisse und er ist ein verdammter Blender. Ich kenne nicht mal seinen vollständigen Namen ... Darum frage ich ihn jetzt gerade heraus: »Jay?«
Er konzentriert sich auf die Autos hinter uns, während er den Blinker setzt und sich in den Abendverkehr einreiht, dabei murmelt er nur ein leises: »Hm?«
»Wie heißt du eigentlich?«
Jetzt habe ich seine ganze Aufmerksamkeit. Er dreht den Kopf zu mir und grinst mich an, bevor er seine Konzentration wieder auf die Straße lenkt.
»Was meinst du damit?« Er gibt Gas, sodass ich in den Sitz gepresst werde, bevor er an einer roten Ampel anhalten muss. Will er mich etwa von meinen Fragen ablenken? Aber da muss ich ihn leider enttäuschen.
»Ich kenne nur deinen Vornamen und auch sonst weiß ich so gut wie nichts über dich.«
»Du wirst mich kennenlernen, versprochen.«
Er greift nach meiner Hand und haucht einen Kuss darauf. Das war’s. Keine weitere Erklärung. Zumindest seinen Nachnamen hätte er mir verraten können. Ich fühle Panik in mir aufsteigen. Keiner weiß, wo ich heute Abend hingehe und mit wem. Am Ende ist er ein Krimineller, ein Serienmörder oder Psychopath, der es nur darauf abgesehen hat, mich zu entführen und dann weiß Gott was mit mir zu tun.
Ich schaue ihn perplex von der Seite an, aber Jay denkt nicht im Traum daran, weiter auf meine Frage einzugehen, stattdessen greift er das Thema mit der Harley wieder auf.
»Das nächste Mal hole ich dich mit einem Motorrad ab«, verspricht er und zwinkert mir zu. Immer noch ernüchtert und mit einem schwammigen Gefühl in der Magengegend nicke ich, während ich mich für den Rest der kurzen Fahrt in Schweigen hülle.
Der kühle Abendwind streift mich leicht und Jay schaltet das Radio ein. Die markante Stimme von Adele erhellt das Wageninnere, was die angespannte Atmosphäre sofort wieder glättet.
»Wo fahren wir hin?«, will ich wissen.
»Ich dachte an etwas Unkonventionelles.«
Ich nicke wieder, da diese Information alles und nichts aussagt. Vielleicht ist es auch einfach seine Art, mit Informationen hinter dem Berg zu halten. Manchmal könnte ich mich für meine Offenheit wirklich ohrfeigen. Aber so bin ich nun mal.
»Hast du den Abschluss machen können?«, wendet er sich kurz an mich, ohne den Verkehr aus den Augen zu lassen.
Er hat es nicht vergessen. Ich lächle ihn an. »Ja, ich habe das Haus verkauft. Es war wie ein Spaziergang. Der Verkäufer hat mich regelrecht gedrängt, den Vertrag zu unterschreiben. Meistens ist es eher anders herum.«
»Das freut mich für dich.«
»Eine Sache verstehe ich allerdings nicht.«
»Was meinst du?«
»Als ich den Käufer gefragt habe, wie er auf unser Maklerbüro gekommen ist, hat er mir geantwortet, er käme auf Empfehlung von J. Edwards.« Jay hat seinen Blick starr auf die Straße gerichtet und murmelt irgendetwas, das ich nicht verstehen kann.
»Kapierst du das? Ich meine, J. Edwards bietet diese Immobilie ebenfalls an und die Provision ist verdammt hoch«, sage ich kopfschüttelnd.
»Vielleicht wollte er etwas gutmachen.«
Ich muss erstickt auflachen.
»Gutmachen? Nein, das glaube ich nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit dem Objekt, oder mit dem Käufer. Vielleicht war es auch eine Falle. Der Klient kam mir auch äußerst geheimnisvoll vor; Er wollte mir nicht sagen, was er mit dem Haus vorhat. Okay, das ist natürlich seine Entscheidung und es geht mich auch nichts an, aber trotzdem, seine Antwort war schon sehr mysteriös. Normalerweise erzählen die Kunden recht offen von ihren Plänen.«
»Soll ich ihn für dich überprüfen lassen? Ich kenne so einige Leute, die das machen können.«
»Was meinst du?« Diese Frage könnte ich mir eigentlich schenken.
Er zuckt nur mit den Achseln, geht aber nicht weiter auf das Thema ein.
»Das kannst du dir sparen. Mister Fullerton hat mir heute mitgeteilt, dass er die Firma verkaufen wird.«
»Ach!«
»Er hat mir zwar versichert, dass der neue Inhaber mich und meine Kollegin übernehmen wird, aber welche Garantie habe ich schon?«
»Du weißt doch, bei mir ist noch eine Stelle frei«, verspricht er mir zwinkernd.
»Würdest du dich in einem Büro wohlfühlen oder Klienten Häuser zeigen?«
»Ich denke nicht.«
»Siehst du, ich liebe meinen Job«, versuche ich, ihm zu erklären, dass ich unmöglich als Kellnerin bei ihm arbeiten kann. Nicht dass ich diesen Beruf abwerten möchte, aber dafür habe ich nicht studiert, und das Gehalt, das ich verdiene, könnte Jay mir nicht zahlen.
»Wie heißt der neue Club überhaupt? Oder behaltet ihr den Namen?«, wechsle ich schnell das Thema.
Jay schüttelt verneinend den Kopf.
»Nein, er wird Dark Angels heißen«, sagt er grinsend, bevor er am Straßenrand in eine freie Parklücke fährt.